Auf dem Lebenshof Hohenwart in Fuchstal bekommen Tiere eine zweite Chance
Wer schonmal auf der B17 von Landsberg gen Schongau unterwegs war, dem ist kurz hinter dem Römerkeller vielleicht ein Hof auf der rechten Seite aufgefallen. Ein landwirtschaftlicher Betrieb, könnte man meinen – nicht ganz. Es ist der Lebenshof Hohenwart, auf dem kranke oder ungewollte Tiere ihren Lebensabend verbringen können. Er ist einer von knapp zehn Gnadenhöfen im Oberland.
Fuchstal - „Ich mag eben Tiere“, begründet Petra Supica die Frage, warum sie diesen immensen Aufwand betreibt. Sie beherbergt auf ihrem Lebenshof Hohenwart (und auf Wiesen rund herum) 148 Rinder, 78 Schafe, Schweine, Hähne, Katzen, Hunde, Esel, Ponys und knapp hundert Tauben, die auf dem Dachboden wohnen. Angefangen hat alles im Jahr 2017 – mit vier Hunden, ein paar Kaninchen und Hamstern.
Petra hatte früher ein Haus in Germering (Landkreis Fürstenfeldbruck). „Meine Firma arbeitete für einen Bauträger, der Häuser platt gemacht hat, die schöner waren als meins.“ Irgendwann bot sie dem Bauträger ihr Haus zum Verkauf an, brauchte aber im Gegenzug ein anderes Objekt – „ich wollte unbedingt einen Bauernhof.“ Petra stieß dann auf den Hof an der B17, verkaufte ihr Haus in Germering und zog im Oktober 2017 nach Fuchstal. „Eigentlich war es nur als Altersruhesitz gedacht“, denn damals lebte sie noch mit ihren Kleintieren alleine.
Ungewollte Zwillings-Kälbchen
Auf ebay-Kleinanzeigen unterwegs, entdeckte sie Kälbchen-Zwillinge, die zum Verkauf angeboten wurden. „Ich hab mich gefragt, warum die verkauft werden.“ Der Besitzer der beiden erklärte ihr dann, dass sie geschlachtet werden, weil das Weibchen immer unfruchtbar sei, wenn ihr Zwilling ein Männchen ist – also waren sie in der Milchindustrie nichts wert. Das war der Startschuss für den Lebenshof Hohenwart. Das Zwillingspärchen durfte in den bis dato ungenutzten Stall einziehen. Und auch einen dritten Mitbewohner gab es noch: Mucki. Das kleine Kalb war damals drei Tage alt, als es zu Petra auf den Hof ziehen durfte. Der Bauer gab es ihr zum Zwillingspärchen dazu: „Kannst mitnehmen, der verreckt eh“, habe er gesagt. Das war Ende 2018.

Der Stall, in dem die drei ersten Bewohner hausen durften, bedurfte aber noch einer Renovierung. Denn ursprünglich war es ein alter Anbindestall, also nicht für Kälbchen geeignet. Den Umbau-Part hat Werner Vogt übernommen. Er ist Petras Ehemann und lebt seit Mai 2019 mit ihr auf dem Hof. Kennengelernt haben sich die beiden rein zufällig. „Wir kannten uns nur über Facebook.“ Dort hat Petra dann gepostet, dass sie nach Hohenwart zieht, wo Werner immer mit seinem Lkw vorbei fuhr – so lernten sie sich kennen und lieben. Im August 2019 heirateten sie.
Natürlich sollte es auf dem Lebenshof Hohenwart nicht bei Rindern bleiben. Aus dem Internet hat Petra noch ein paar „Rasenmäher“ ergattert, wie sie sagt, flauschige Schafe. In einer „Garten-Gruppe“ auf Facebook fand Petra sie unter dem Titel „Als Rasenmäher zu verschenken“. Dafür fuhr sie sogar bis nach Duisburg. Der Hof wuchs also immer weiter und schon bald nahm Petra den Bauern die „Kümmerer“ ab, also die Tiere, die nicht wachsen. Das Wissen über ihre Schützlinge hat sich Petra über „Learning-by-doing“ angeeignet. Dafür hat sie auch einige Zeit bei einem Landwirt mitgeholfen, „der hat mir ziemlich viel beigebracht.“ Und auch ihr Mann Werner ist Landwirt.
Feierabend: Um Mitternacht
Er kümmert sich auch tagsüber um den Hof, denn Petras eigentlicher Job ist in München: Hausmeisterservice. Nach dem Frühstück gehen beide in den Stall, füttern alle Tiere, tränken die Kälbchen, danach fährt Petra zur Arbeit. Werner macht tagsüber den Stall und die Weide alleine. Wenn Petra abends heimkommt, macht sie den Stall, das Büro, den Haushalt und alles, was sonst noch anfällt. Dazu gehört auch, das Essen für die Hunde sowie Gemüse und Kartoffeln für die Schweine zu kochen. Außerdem steht einmal am Tag eine Tour zu den Pachtwiesen an, auf denen die Rinder stehen, um zu sehen, ob es den Tieren an etwas fehlt. Rund 24 Hektar Fläche hat Petra außerhalb von Hohenwart gepachtet, die als Weiden und zur Futterproduktion dienen. „Wir sind meistens erst um Mitternacht fertig mit allem.“ Auch am Wochenende laufen die Tage für das Paar ähnlich ab, Urlaub gibt‘s gar keinen – Unterstützung glücklicherweise schon. Sieben ehrenamtliche Helferinnen und Helfer greifen Petra und Werner am Wochenende und manchmal auch werktags unter die Arme.
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Petra nimmt die Tiere auf, die bei einem Bauern keinen Nutzen mehr hätten und geschlachtet werden würden. Oder die Tiere sind zu alt und werden deswegen ‚ausgemustert‘. Das ist zum Beispiel bei den Ponys der Fall, die hinter dem Hof auf einer Wiese stehen. Maja, Benni, Flocky, Maxi und Spezi kommen alle aus einem Freizeitpark, erzählt Petra. Spezi ist 43 Jahre alt und kann seinen Lebensabend in Ruhe in Hohenwart verbringen. Auf dem Gelände rechts daneben stehen die zwei Esel Guschtl und Hermann. Die hat Petra geschenkt bekommen. Alle Tiere, bis auf die Tauben, haben Namen. Von allen kennt Petra die Lebens- und Leidensgeschichte. In der Wiese dahinter quetschen sich einige Rinder aneinander, als Petra in ihre Richtung geht. Mitten drin steht Eragon, eines von Petras ehemaligen ‚Sorgenrindern‘. Als sie ihn aufnahm, konnte er nicht laufen – zwei Monate lang. „Den haben wir getragen, massiert, der Tierarzt und ein Physiotherapeut sind gekommen“ – heute ist er draußen auf der Weide und ist vier Jahre alt. „Das sind die Momente, in denen du glücklich bist“, sagt Petra – und das sei der Grund, warum sie das mache. „Die Tiere geben einem so viel zurück.“
Seit fast sieben Jahren gibt es den Lebenshof Hohenwart. Rund um das Wohnhaus bewirtschaften Petra und Werner drei Hektar Fläche. Was ein ruhiger Alterswohnsitz hätte werden sollen, ist jetzt ein Zuhause für weit über 300 Tiere (wenn man die Tauben mitzählt). „Mittlerweile rufen etliche bei uns an und fragen, ob wir diese Tiere nehmen können.“ Zieht ein neuer Bewohner bei Petra ein, wird der bei Bedarf erstmal „aufgepäppelt“. Futter, Tierarzt und alles weitere, was die Tiere brauchen, kostet natürlich. Petras Gehalt fließt gänzlich in den Hof, ansonsten wird die Arbeit über Spenden und Patenschaften finanziert. Aktuell sucht Petra noch nach weiteren Pachtwiesen, auf denen sie ihre Schützlinge unterbringen kann. Denn nur ein Bruchteil der Tiere befindet sich auf dem Hof – eben die, die besonders pflegebedürftig und anderswo keine zweite Chance bekommen hätten.
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