In Teilen der Bevölkerung macht sich Unzufriedenheit über die politischen Systeme breit. Woran das liegt, erklärte Prof. Dr. Ursula Münch bei einem Vortrag in Peißenberg.
Peißenberg – Zum vierten Mal lud Standortförderer Erich Gehrmann im Namen der Marktgemeinde zum Unternehmergespräch ins Bürgerhaus „Flöz“ in Peißenberg ein. Die Veranstaltung soll eine Plattform zum Netzwerken sein. „Die Unternehmer sollen mit einem guten Gefühl nach Hause gehen“, erklärte Gehrmann bei der Begrüßung zur jüngsten Auflage. Doch ob das dieses Mal wirklich der Fall war?
Gehrmann hatte mit Ursula Münch einen prominenten Gast nach Peißenberg gelotst – honorarfrei, wohlgemerkt. Bekannt aus vielen Talkrunden im Fernsehen, referierte die Direktorin der Akademie für politische Bildung in Tutzing über ein ernstes Thema. Die Demokratie als Herrschaftssystem, das auf Partizipation und politischer Teilhabe basiert, gerät immer mehr unter Druck. Münch verwies bei der Ursachenforschung auf die weltpolitischen Krisen – und auf die „Krisenprofiteure“: „Extremisten leben von Panikmache.“
Münch beobachtet „Bedeutungsverlust von seriösen Medien“
Auch die zunehmenden „Individualisierungsprozesse“ innerhalb der Gesellschaft, so Münch, würden eine Rolle spielen. Die Bindungswirkung an Institutionen wie Staat oder Kirche ließen nach. Hinzu komme der „Bedeutungsverlust von seriösen Medien“. In manchen Regionen in Ostdeutschland gebe es zum Beispiel keinen Lokaljournalismus. Soziale Medien könnten das Vakuum aber nicht ersetzen. „Bürgerjournalismus ist kein Journalismus“, betonte Münch ausdrücklich. Natürlich mache auch die Politik Fehler, in dem sie „falsche Themensetzung“ betreibe. Es fehle die „Ergebnisorientiertheit“.
Auch würden die Sorgen vor wirtschaftlichem Abstieg nicht ernst genug genommen. Parolen wie „Remigration schafft Wohnraum“ würden dann stärker verfangen. „Aber solche Slogans sind menschenverachtend. Ohne ausländische Mitarbeiter könnte ich meinen Laden in Tutzing zusperren“, so Münch. Ein Teil der Kritik an der Politik sei ja berechtigt, „aber es wird übertrieben“.
Vertrauen in Arbeitgeber höher als in die Politik
Was Münch Sorgen bereitet, ist die „zunehmende Neigung zu autoritärem Denken“. Bislang habe man sich in Demokratien immer auf die „stabile Mitte“ verlassen. „Aber das kann sich ganz schnell ändern“, erklärte Münch: „Auch eine stabile Demokratie ist nicht zu 100 Prozent sicher. Man kann sie aushöhlen.“
Doch was dagegen tun? Patentrezepte hatte Münch bei ihrem Auftritt in Peißenberg nicht parat. Vermutlich, weil es auch keine gibt. Man dürfe „nicht einstimmen in den Chor der Unzufriedenen“, erklärte die Direktorin. Und auch den Unternehmern käme eine wichtige Aufgabe zu. Laut Studien sei das Vertrauen der Bürger zu ihren Arbeitgebern nämlich höher als in die Politik.
Münch, eine bekennende „Wechselwählerin“, prognostizierte für die Bundestagswahl 2025 einen Regierungswechsel in Deutschland: „Die Ampel hat keine allzu guten Chancen.“ Aber auch die Union habe Schwierigkeiten. Münch berichtete von einem Gespräch mit CSU-Urgestein Theo Waigel am Rande einer Fernseh-Talkrunde. „Ich habe ihn gefragt, ob die Union auch genügend gute Minister präsentieren könnte. Da hat er nur gesagt: ,Frau Münch, da sprechen sie ein großes Problem an‘.“
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Ergebnis der US-Wahl „relevant für die ganze Welt“
Und wie geht es mit der Demokratie weiter? Ist sie überlebensfähig? Münch lehnte sich bei dieser Frage nicht allzu weit aus dem Fenster. Viel hänge von der US-Präsidentschaftswahl im Herbst ab. „Das Ergebnis ist relevant für die ganze Welt.“ Gewinne Donald Trump, sei das zwar „nicht der Untergang des Abendlandes“, aber Populisten könnten dadurch weiteren Aufwind erhalten. „Die Zahl der demokratischen Länder weltweit wird wohl nicht größer“, mutmaßte Münch. Deshalb sei es wichtig, dass sich Europa auf seine Grundwerte besinnt.
Die rund 40 Besucher im „Flöz“ waren vom sympathischen Auftreten Münchs und ihrer inhaltlichen Analyse angetan – auch wenn die mitunter besorgniserregenden Ergebnisse vermutlich nicht bei allen für „gute Gefühle“ gesorgt haben dürften. Intention des Abends war es aber laut Erich Gehrmann, eine „ehrliche und fundierte Einschätzung“ zu präsentieren. „Wir können uns nicht nur auf gute Gefühle verlassen“, so der Standortförderer – und: „Es ist schade, dass heute nicht die Leute da waren, die so etwas eigentlich hören sollten.“ Münch richtete in dem Zusammenhang einen Appell an die Unternehmer: „Jeder von Ihnen ist ein Multiplikator.“
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