Wie Rechtsextreme die Bauernproteste auch abseits der Straße kapern
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VonJana Stäbenerschließen
Wo Landwirte gegen die Ampelregierung demonstrieren, sind auch Menschen mit Reichsflaggen nicht weit. Sie sind nicht das einzige Problem.
Bundesweit demonstrieren Bauern und Bäuerinnen mit ihren Traktoren und Lastwagen gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Eine junge Bäuerin, die protestiert, erzählt, dass sich Landwirte nicht nur von der Ampel-Regierung, sondern auch von der Gesellschaft im Stich gelassen fühlen.
Dass sich die Wut der Bauern auch gegen die Verbraucher richtet, ist bei den Bauernprotesten kaum spürbar. Stattdessen sind die Einsparungspläne der Bundesregierung beim Agrardiesel Hauptthema. Auf einigen Bauern-Demos baumelt die Ampel am Galgen – ein Bild, das auch Rechtsextreme nutzen. Sie unterwandern die Proteste im ganzen Land – aber nicht nur auf der Straße. Der Politikwissenschaftler Johannes Hillje verrät BuzzFeed News Deutschland, was es damit auf sich hat.
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Rechtsextreme Mitläufer bei Bauernprotesten
Schon am Montagmorgen, 8. Januar forderte der Magdeburger Extremismusforscher Matthias Quent bei den Bauernprotesten eine klare Abgrenzung von rechten Mitläufern. Nationalistische, rechtsextremistische und verschwörungsideologische Akteure versuchten, die Bewegung politisch zu instrumentalisieren, sagte Quent dem Deutschlandfunk. Ihnen gehe es nicht um Agrardiesel, sie „wollen Deutschland lahmlegen“.
Die Bauern sollten sich nicht nur verbal abgrenzen, mahnte Quent. Sie könnten gegen die Ampel-Regierung demonstrieren und gleichzeitig ein Zeichen gegen Rechts setzen (was der Polizei oft misslingt) – beispielsweise durch Schriftzüge wie „Nazis raus“ oder Regenbogensymbole auf Plakaten.
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Wie Rechte den Bauernprotest auf Social Media instrumentalisieren
Ob es reicht, dass sich Bauern bei den Demos abgrenzen, ist fraglich. Denn auch abseits der Straße instrumentalisieren Rechte die Bauernproteste für ihre Zwecke. Kommunikationsberater Hillje weist auf X und bei BuzzFeed News Deutschland auf das Profil @bauernprotest hin. Es existiert erst seit Januar 2024, hat aber bereits über 600 Follower.
Die #Bauernproteste sind ein Kampf um die Bilder. Bilder sind für rechtsextreme Medienmacher ein strategisches Einfallstor: Das identitäre "Filmkunstkollektiv" ist mit Foto-/Videoprofis unterwegs und hat den Kanal "bauernprotest" angelegt. Ihr Headerbild ist übrigens KI-generiert pic.twitter.com/PmbQr91JYk
— Johannes Hillje (@JHillje) January 8, 2024
Das Profil- und Titelbild von @bauernprotest wirkt idyllisch. Auf den zweiten Blick ist klar, dass es KI-generiert ist, so wie diese zehn Bilder von deutschen Politikern. Hinter dem Account steckt laut Hillje das sogenannte „Filmkunstkollektiv“, eine rechtsextreme Propagandafabrik, die rechtsextreme Medieninhalte, insbesondere Videos und Bilder produziere.
Aktivisten der Identitären Bewegung, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, haben das „Filmkunstkollektiv“ gegründet, sagt der Politikwissenschaftler. „Der Verein steht beispielhaft für die Professionalisierung der PR- und Medienarbeit der rechtsextremen Szene.“ Während der Corona-Pandemie habe er ebenfalls versucht, die Proteste zu unterwandern.
„Rechtsextreme sind nicht Anwalt, sondern Ausnutzer der Landwirte“
Besonders gefährlich: Der Verein habe verstanden, dass die Hoheit über die öffentliche Stimmung heutzutage von der Hoheit über die Bilder abhänge. „Die Bauernproteste sind auch ein Kampf um die Bilder. Bilder sind ein strategisches Einfallstor für rechtsextreme Medienmacher“, so Hillje. Mit ihnen verbreite der Verein auf Social Media seine Perspektive auf die Proteste. „Ästhetik und Stil der Bilder vermitteln eine Umsturzstimmung.“
Eine Gefahr für unsere Demokratie? In gewisser Hinsicht schon, denn die rechtsextreme Szene sei aus eigener Kraft nicht mehrheitsfähig, sie brauche den Anschluss an andere Teile der Gesellschaft, erklärt Hillje. Die Bauernproteste seien für sie „Türöffner vom Rand in die Mitte der Gesellschaft“. Eine Sache, der sich demonstrierende Bauern auf jeden Fall bewusst sein müssen: „Rechtsextreme sind nicht Anwalt, sondern Ausnutzer der Landwirte.“
Deswegen sollten sie nicht nur auf der Straße gegen rechte Symbole vorgehen, sondern auch auf Social Media hinterfragen, welche Art von Bildern und Inhalten sie teilen. „Bäuerinnen und Bauern sollten nicht die Bilder und Inhalte der Rechtsxtremen verbreiten. Dann geht der Plan des Vereins auf“, warnt Hillje.
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(Mit Material der dpa)
Rubriklistenbild: © Jörg Carstensen/dpa, Screenshot Twitter @bauernprotest