F-16-Kampfjets als Rettung im Kampf um Charkiw? Experte zweifelt: „Hat Russland Zeit gegeben“
Russland stößt in der Region Charkiw immer weiter vor. F-16-Kampfjets könnten die Ukraine in ihrem Abwehrkampf unterstützen – Experten fürchten aber eine zu späte Lieferung.
Charkiw – Als „lebenswichtig“ hatte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Lieferung von F-16-Kampfjets auf X (ehemals Twitter) beschrieben. Die „historische“ Lieferung aus Dänemark und der Niederlande sei ein wichtiger Schritt, die Ukraine vor Angriffen aus Russland zu schützen. Doch Experten hegen Zweifel daran, ob die US-Kampfflugzeuge den russischen Vorstoß in Charkiw oder den Ukraine-Krieg an sich maßgeblich beeinflussen können – dafür kämen sie deutlich zu spät.
61 F-16 wollen die beiden Länder für den Abwehrkampf gegen Wladimir Putins Russland senden. Um mit den modernen Kampfjets umgehen zu können, wurde „eine kleine Gruppe“ ukrainischer Piloten in den USA ausgebildet, wie das Magazin Flug Revue berichtete. In Russlands Propaganda-Apparat wird die F-16 bereits kleingeredet. Ein angeblicher Luftfahrtexperte sprach gegenüber der russischen Nachrichtenagentur Ria Nowosti von „erheblichen Mängeln“, die die Flugzeuge vorweisen würden. Vielleicht ein Zeichen dafür, dass Russland das US-Kampfflugzeug durchaus ernst nimmt?
„Hat den russischen Streitkräften Zeit gegeben“ – Experte zweifelt an F-16-Erfolg in Charkiw
An der Funktionalität der F-16 haben Experten aus dem Westen nichts auszusetzen – wohl aber an dem Zeitpunkt der Lieferung. Laut William Reno, Politikwissenschaftler an der Northwestern University in Illinois, werden die Jets nicht zum „optimalen Zeitpunkt“ in der Ukraine eintreffen. „Die Länge des Entscheidungs-, Ausbildungs- und Lieferungsprozesses hat den russischen Streitkräften Zeit gegeben, ihre Luftverteidigung anzupassen“, sagte Reno dem Nachrichtenmagazin Newsweek.

Die Ukraine solle sich auf die vorhandenen Waffen verlassen, schließt sich Guy McCardle, Chefredakteur des Militärmagazins SOFREP an. „Die beste Waffe, die man hat, um die Arbeit zu erledigen, ist die, die man gerade zur Hand hat“, sagte er gegenüber Newsweek. Und das seien vor allem MIG-Jets aus der Sowjet-Zeit. Auch wenn diese nicht so leistungsstark sind wie die moderneren F-16, sei „eine MIG am Himmel (...) für die Ukraine so viel wert wie zwei F-16 auf dem Weg“, so McCardle.
Doch nicht nur der Zeitpunkt, sondern auch der Umfang der Lieferungen könnte ein Problem für die Ukraine darstellen. Wie die New York Times berichtete, könnten ab Juli erst wenige der angekündigten F-16-Kampfjets in der Ukraine ankommen. Im Sommer würden demnach lediglich sechs der versprochenen Kampfflugzeuge in der Ukraine eintreffen.
Russland rückt in Charkiw weiter vor – F-16 könnte Putins Bomber aufhalten
Russland geht in der Region Charkiw äußerst brutal gegen die Ukraine und ihre Bevölkerung vor. Immer wieder schießen russische Truppen Bomben auf das Gebiet und zwingen die Menschen dort zur Flucht. An nur zwei Tagen habe Putins Armee einen Geländegewinn von mehr als 120 Quadratkilometer für sich verbuchen können, so Newsweek.
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Gerade gegen russische Bomber könnten die modernen F-16-Jets eine echte Chance bieten. „Sobald wir eine normale Luftfahrt haben, können sie die Flugzeuge in der Luft abschießen, und sie werden die Bomben nicht mehr einsetzen“, zitiert die Washington Post einen Luftwaffenkommandeur in der Region Charkiw. Wie auch Präsident Selenskyj nennt er die Luftverteidigung als wichtigste Maßnahme gegen Russland.
F-16 in der Ukraine – scheitert es am Ende an den Piloten?
Angenommen, die Ukraine erhält rechtzeitig genügend F-16 von den Partnern im Westen. Kann dann der Einsatz gegen Russlands überlegene Luftwaffe starten? Nicht wirklich, stellt James B. Hecker, Kommandeur der US Air Force, gegenüber Flug Revue fest. Die Piloten würden zwar eine umfassende Schulung durchlaufen, bis sie die Flugzeuge aber im Kriegsgebiet einsetzen können, bräuchte es jahrelange Erfahrung.
Doch trotz aller Missstände bei der Lieferung der F-16 scheint alleine die Möglichkeit moderner Kampfjets in der Ukraine für Angst im Kreml zu sorgen. Je näher die Lieferung rückt, desto heißer laufen die Propaganda-Maschinen Putins. Der russische Außenminister, Sergej Lawrow, wartete sogleich mit einem Atombomben-Vergleich auf. Seiner Meinung nach könne die Ukraine die F-16 „für nukleare als auch für nichtnukleare Aufgaben“ verwenden. Man werde dies also als „gezielte Provokation der Nato“ ansehen, so Lawrow – und ignoriert dabei die Tatsache, dass die Ukraine über keine Atomwaffen verfügt. (nhi)