Moldau wählt: Warum die EU bangt – und wie Putins Russland dazwischenfunkt

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Wahl in Moldau: Viel steht auf dem Spiel – auch für die EU. Russland hat aber seine Finger im Spiel.

Chisinau/Brüssel – In einer Ex-Sowjetrepublik stehen Entscheidungen an: Wenn Moldau am Sonntag (20. Oktober) Präsidentschaftswahlen und ein EU-Referendum abhält, wird sicher auch Wladimir Putin in Moskau sehr genau zusehen. Denn Präsidentin im Land ist seit 2020 Maia Sandu – sie will das kleine Moldau in die EU führen. Der Beitrittsplan steht in einem Referendum ebenfalls zur Abstimmung. Es geht also um viel, in der Mini-Nation an der Westgrenze der Ukraine. Und selbst bei einem doppelten Votum im Sinne der Annäherung an Europa drohen weitere politische Probleme im Land. Auch aufgrund russischen Einflusses. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Moldau zwischen EU und Russland: „Wir haben keine Illusionen“

Präsidentschaftswahlen und EU-Referendum in Moldau – was steht auf dem Spiel? Beide Urnengänge sind Richtungsentscheidungen. Sandu hatte 2020 mit ihrem Wahlsieg Igor Dodon aus dem Amt verdrängt – er war 2019 vom Verfassungsgericht suspendiert worden. Sandu machte aus einem „captured state“ einen EU-Beitrittskandidaten, wie Brigitta Triebel, Leiterin des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Moldau, sagt. Bis dahin hatten Oligarchen vor allem die Justiz fest im Griff.

Das EU-Referendum soll den Kurs Richtung Brüssel zementieren. Der ist nicht unumstritten. Moldau habe eine teils eher konservative Bevölkerung – die pro-russische Kanäle mit Warnungen vor vermeintlichen Gefahren für die traditionelle Ehe oder die orthodoxe Kirche ansprechen. Auch der EU-Außenpolitiker Sergey Lagodinsky (Grüne) sieht Unwägbarkeiten, wie er am Donnerstag sagte. „Wir haben keine Illusionen, Moldova ist von der Stimmung und der Bevölkerung eine ambivalente geostrategische Geschichte.“ In den vergangenen Jahren gab es – offenbar teils gelenkte – Proteste im Land, etwa gegen hohe Energiepreise. Moldau ist in Energiefragen stark von Russland abhängig.

Maia Sandu (li.) im Gespräch mit Außenministerin Annalena Baerbock
Maia Sandu (li.) im Gespräch mit Außenministerin Annalena Baerbock © Thomas Koehler/Imago

„Risiken“ bei Moldau-Wahlen: Russland setzt auf Stimmenkauf und Desinformation

Wie stehen die Chancen für Maia Sandu und das EU-Referendum? Zunächst einmal: gut. Sandu liegt in Umfragen weit vorne. Allerdings dürfte eine Stichwahl folgen. Denn mehr als 50 Prozent der Stimmen sind wohl außer Reichweite. Von den zehn Gegenkandidaten sind laut Triebel acht dem pro-russischen Lager zuzuordnen. Einen profilierten Widersacher im Kandidatenfeld hat Sandu aber nicht – ärgster Verfolger ist mit rund zehn Prozent der moderat pro-russische Sozialist Alexandr Stoianoglo. Auch eine Mehrheit für den EU-Beitritt scheint wahrscheinlich, in den Umfragen stieg die Zustimmung zuletzt auf über 60 Prozent.

Eine Hürde ist das Mindestquorum bei der Wahlbeteiligung: 33 Prozent der Moldauerinnen und Moldauer müssen sich am Referendum beteiligen. Unklar ist zudem, wie belastbar die Umfragedaten sind. „Es gibt noch einige Risiken“, sagt Triebel.

Wie mischt sich Russland ein? Das massivste Störfeuer könnte wohl in Form von Stimmenkauf passieren. Berichten zufolge werden 50 Euro für Stimmen im Sinne der Interessen Russlands geboten – ein „gutes, mittleres Einkommen“ liegt in Moldau laut Triebel bei 600 Euro und das Land leidet unter Inflation. Mehr als 100.000 Moldauer sollen Zahlungen erhalten haben, meint Triebel.

Aber auch Desinformation spielt eine große Rolle. Neben Warnungen vor einer zerstrittenen, abweisenden oder allzu progressiven EU bringen pro-russische Kanäle Warnungen in Umlauf, ein EU-Beitritt bedeute Krieg – so hieß es etwa auch, unmittelbar nach dem Referendum solle eine Nato-Basis in Moldau eingerichtet werden. Eine zentrale Figur ist dabei der verurteilte Oligarch Ilan Shor, der in einer Art Katz-und-Maus-Spiel immer neue Streamingkanäle einrichten lässt, die später wieder gesperrt werden. Ein weiteres Problem sind die weithin pro-russischen Gebiete Transnistrien und Gagausien, die auch schon nach russischer Hilfe riefen.

Präsidentin Sandu warnte im Ukraine-Krieg vor Russland – Strategie verfing nicht

Warum tut sich Sandu schwer? Einerseits gibt es große Probleme im Land. Inflation, hohe Energiepreise, Abwanderung von qualifizierten jungen Menschen machen Moldau zu schaffen. Andererseits hat Sandu versprochene Reformen (noch) nicht umsetzen können. Brisant ist die Lage in der Justiz – sie aus den Klauen der Oligarchen zu befreien, scheint schwierig. Jura werde nur an einer Universität studiert, Seilschaften halten sich und es fließe weiter Schmiergeld. „Das führt dazu, dass die Regierung zwar im Moment ganz gut funktionierende Sicherheitskräfte hat, die das ganze illegale Geld, die ganze illegale Parteienfinanzierung aufdecken, aber es kommt nicht zu Urteilen, weil die Richter immer noch gekauft sind“, erläutert die Expertin der KAS.

Sandu habe im Wahlkampf auch ihre Strategie geändert, berichtet Triebel: Sandu versuche, mehr Russisch zu sprechen – aber auch Menschen zu erreichen, die Neutralität immer noch als stärkste Sicherheitsgarantie sehen. Nach Beginn des Ukraine-Kriegs habe Sandu stark die Gefahr Russlands thematisiert. Das habe eher Ängste bestärkt. Mittlerweile sei Sandus Kampagne auf Wirtschaft, EU und Frieden ausgerichtet. Deutschland und die EU halfen indes mit Mitteln für die Deckelung der Energiepreise.

Russland hofft auf Mehrheitswechsel in Moldau: „Zurück in den eigenen Kosmos führen“

Wie geht es nach der Wahl weiter? Erhält niemand mehr als 50 Prozent der Stimmen, steht eine Präsidentschafts-Stichwahl an. Ein Ja zum EU-Referendum müsste das – von Sandus Partei PAS dominierte – Parlament noch mit Zwei-Drittel-Mehrheit in die Verfassung einfügen. Allerdings drohte Gagausiens Lokalregierung damit, das EU-Votum nicht anzuerkennen. Und pro-russische Kanäle arbeiten laut Triebel daran, das mögliche Ergebnis zu diskreditieren; etwa über den Hinweis auf einen, allen politischen Bemühungen zum Trotz, knappen Ausgang.

Die nächste große Prüfung steht dann 2025 an: die Parlamentswahl. Aktuell hat die PAS die Mehrheit inne, das zu wiederholen dürfte aber sehr schwer werden. Möglich wäre dann, dass eine neue Koalition die Politik der Präsidentin blockiert. Russland hoffe, dass die EU dann das Interesse verliere, erklärt Triebel. „Dann könnte Moskau den eigenen Einfluss ausbauen und die Republik Moldau zurück in den eigenen Kosmos führen.“ Die CDU-Europaabgeordnete Andrea Wechsler lässt indes keinen Zweifel an der Unterstützung der EU für Sandus Kurs: Moldau sei als pro-europäisches Land ein „unverzichtbarer Partner für die EU“, sagt sie. (fn)

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