Experte warnt dramatisch mit Putin-Schreckensszenario – „Nukleare Eskalation“ gegen Berlin
Sicherheitsexperte Christian Mölling mahnt, die Ukraine in der Verteidigung gegen Russland jetzt nicht zu vernachlässigen. Die Lage in Awdijiwka alarmiert.
Berlin – Die Ukraine ist gegen Russland rund um die Donbass-Stadt Awdijiwka in die Defensive geraten. Zwar haben die russischen Invasionstruppen von Kreml-Autokrat Wladimir Putin bei ihren Angriffen seit Mitte Oktober laut ukrainischen Angaben mehr als 10.000 Soldaten durch Tod oder Verwundung verloren.
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Hinzukommen nach Einschätzungen westlicher Beobachter hunderte Panzer und andere gepanzerte Fahrzeuge der Russen, die als Schrott auf dem Schlachtfeld zurückblieben. Dennoch kann Kiew nach eigenen Angaben im Ukraine-Krieg erstmal keine Offensiven wagen – unabhängig vom winterlichen Wetter nicht.
Dr. Christian Mölling von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) hat dem Westen jetzt eindringlich geraten, die Ukrainer mit den Voraussetzungen für eine neue Offensive 2024 auszustatten. Ansonsten könnte ein Zögern in ein paar Jahren verheerende Auswirkungen für Europa haben – auch für Deutschland. Mölling bemühte bei seiner Warnung ein nukleares Schreckensszenario für Berlin als Vergleich.

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„Man muss relativ klar sagen, dass uns die Konsequenzen, wenn wir der Ukraine nicht helfen und damit weiterhin unsere eigene Sicherheit gefährden, wahrscheinlich schon in fünf oder sechs Jahren ins Haus stehen werden. Weil Russland sich auf der einen Seite ermutigt fühlt, dass man mit Krieg Erfolg haben kann, um seine Interessen durchzusetzen. Und gleichzeitig quasi die Ernte einfahren wird aus seiner angelaufenen Kriegswirtschaft und damit in der Lage sein wird, Europa weiterhin zu bedrohen“, erklärte Mölling am Sonntagabend (26. November) im „heute journal“ des ZDF: „Dann geht es nicht um eine nukleare Eskalation gegen Kiew, sondern um eine nukleare Eskalation, die möglicherweise Berlin ins Zentrum rückt.“
Zuletzt hatte die Europäischen Union (EU) erklärt, dass das Ziel von einer Million gelieferter 155-mm-Artillerie-Granaten bis Ende des Jahres deutlich verfehlt werde. Stattdessen hatten die EU-Partner der ukrainischen Armee bis Mitte November etwa 300.000 Granaten bereitgestellt. Damit nicht genug: Deutschland wird auch bei den Leopard-1-Panzern sein Ziel verfehlen. Bis Jahresende sollten nach Angaben des deutschen Verteidigungsministeriums 80 Leopard 1A5 übergeben werden. Aktuell stehen laut Liste der militärischen Unterstützungsleistungen der Ampel-Regierung aber erst 30 Exemplare in der Ukraine. Erst Anfang November hatte Berlin zehn weitere „Leos“ geliefert.
Dann geht es nicht um eine nukleare Eskalation gegen Kiew, sondern um eine nukleare Eskalation, die möglicherweise Berlin ins Zentrum rückt.
Immer wieder hatten der Rüstungskonzern Rheinmetall und der Münchner Panzer-Bauer Krauss-Maffei Wegmann (KMW) darauf hingewiesen, dass die Sanierung eines einzelnen Panzers Wochen in Anspruch nehme. Die USA haben zuletzt 31 M1 Abrams geliefert. Aktuell hat Washington aber keine weiteren Panzerlieferungen geplant. Im Auftrag der niederländischen und dänischen Regierung will Rheinmetall den ukrainischen Streitkräften in den kommenden Monaten immerhin 14 Leopard 2A4 liefern. Experten bemängeln aber, dass die Ukrainer vor allem auch gepanzerte Rettungsfahrzeuge für Verwundete benötigten.
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Ob die Ukraine bereit für eine weitere Offensive sei, „hängt ganz stark davon ab, was der Westen liefert oder nicht. Es ist unsere Verantwortung, die wir dort wahrnehmen. Es sieht zurzeit nicht gut aus. Russland spielt auf Zeit, und die Ukraine bekommt nicht das, was zugesagt worden ist“, erzählte Mölling im ZDF. Das Beispiel Awdijiwka alarmiert. Russische Militärblogger behaupten bei X (vormals Twitter), dass die ukrainische Armee erstmals seit 2014 das Industriegebiet Jassinowataja südlich der Kleinstadt (früher 32.000 Einwohner) räumen musste. Ukrainische Blogger berichten dagegen von verheerenden Verlusten für Moskau und teilen Fotos getöteter Soldaten. Während sich die Angaben nicht unabhängig überprüfen lassen, erklärte Kiew offiziell, dass die Truppen des Kreml dort in der Überzahl sind.
Was machen die USA nun? Umfragen zufolge könnte Vorgänger Donald Trump die Präsidentschaftswahl gegen Amtsinhaber Joe Biden im November 2024 gewinnen. Die Republikaner hatten bekräftigt, die Ukraine weniger unterstützen zu wollen. „Wir gucken wie das Kaninchen vor der Schlange auf das, was in Washington passiert. Wir sehen, dass nicht nur die Situation der Ukraine, sondern auch unsere eigene schlechter wird. Aber die Konsequenz zum Handeln fehlt zur Zeit“, meinte Mölling.
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Die EU könne Biden helfen, „indem die Europäer mehr Last für diesen Konflikt übernehmen und die Ukraine unterstützen. Da zögern wir aber tatsächlich, zumindest ein Teil der Europäer. Ein wichtiger Teil der Europäer ist sich zurzeit nicht im Klaren, was sie eigentlich machen wollen, um die Ukraine weiter zu unterstützen, wenn die Amerikaner wegbrechen“, erklärte der 50-jährige Politikwissenschaftler: „Es gibt eine Liste der Dinge, die die Ukraine braucht, um im nächsten Jahr nicht in einen Stellungskrieg zu rutschen. Bislang sieht es nicht so aus, als ob wir bereit sind, das Risiko einzugehen.“ (pm)