SPD-Ministerpräsident Schweitzer über Söder und Dobrindt: „Da wird mir angst und bange“
Alexander Schweitzer ist Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz. Er erklärt, wieso seine Ampel-Koalition hält, und, was seine Regierung besser macht als die von Olaf Scholz.
Mainz – Alexander Schweitzer ist seit einem halben Jahr Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz, er trat in die Fußstapfen der sehr beliebten Malu Dreyer. Geerbt hat er ihre Ampel-Koalition – und die läuft erstaunlich reibungslos. Im Interview mit dem Münchner Merkur erklärt Schweitzer, was sie in Mainz besser können als Olaf Scholz in Berlin.
Herr Schweitzer, Sie sind seit einem halben Jahr im Amt. Wie läuft es bisher?
Intensiv, aber erfolgreich. Wir haben einen starken Doppelhaushalt für Rheinland-Pfalz aufgestellt. Darin konnte ich bereits die Ziele, die ich in meiner ersten Regierungserklärung formuliert habe, auch mit Haushaltsmitteln hinterlegen. So habe ich Schwerpunkte gesetzt.
Welche?
Bei der Infrastruktur, der Unterstützung der Kommunen, insbesondere im ländlichen Raum. Aber auch bei der frühkindlichen Bildung und Sprachförderung für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund.
Ahrtalflut: „Keine politische Ebene kann von sich sagen, es sind keine Fehler gemacht worden“
Malu Dreyer war eine sehr beliebte Landesmutter. Sind so große Fußstapfen Fluch oder Segen?
Das kann kein Fluch, sondern nur Segen sein. Niemand kann Übergänge besser als wir Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz. Das gelang von Rudolf Scharping zu Kurt Beck, dann zu Malu Dreyer und jetzt zu mir. Das waren Teamentscheidungen und das ist unser Erfolgsmodell.

In Malu Dreyers Amtszeit ist es zu einer der größten Katastrophen in der Geschichte Ihres Bundeslandes gekommen, der Ahrtalüberschwemmung. Sie waren Arbeits- und Sozialminister, als 135 Menschen ums Leben kamen. Was war Ihr emotionalster Moment bei der Flut?
Die Schicksale der Menschen, die die Katastrophe nicht überlebt haben, und der Kontakt zu den Menschen, die bis heute damit emotional beschäftigt und befasst sind. Die Gespräche mit den Bürgerinnen und Bürgern im Ahrtal begleiten einen, selbst, wenn man schon auf einem anderen Termin ist.
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Ein Untersuchungsausschuss hat vor einigen Monaten Defizite beim Katastrophenschutz bemängelt. Eine Entschuldigung bei den Menschen gab es weder von Ihrer Vorgängerin noch von Ihnen. Wieso?
Wir hatten im Landtag eine intensive Auseinandersetzung darüber, außerdem gab es eine Kommission und den Untersuchungsausschuss. Ich habe als Ministerpräsident im Landtag deutlich gemacht: Keine politische Ebene kann von sich sagen, es sind keine Fehler gemacht worden. Meine Verantwortung als jetziger Ministerpräsident ist es, die bestmöglichen Voraussetzungen im Katastrophenschutz zu schaffen, dass sich so etwas nicht wiederholt.
Wünschen sich die Menschen im Gespräch nicht etwa ein Wort des Bedauerns ihres Ministerpräsidenten?
Ich habe mich sehr intensiv mit dieser Frage befasst und mit sehr vielen Menschen im Ahrtal gesprochen. Ihre Erwartungen an mich als neuen Ministerpräsidenten sind: den Wiederaufbau und den Schutz vor weiteren Hochwassern voranzutreiben.
Zur funktionierenden Ampel-Koalition: „Konflikte nicht um ihrer selbst willen führen“
Rheinland-Pfalz wird seit acht Jahren von einer Ampel-Koalition regiert. Sie arbeiten geräuschlos, recht erfolgreich und das Bündnis aus SPD, Grünen und FDP genießt bei den Menschen hohe Akzeptanz. Was können Sie besser als Olaf Scholz und die Ampel im Bund?
Auf Landesebene beschäftigt man sich teilweise mit anderen Fragen als im Bund, internationale geopolitische Fragen spielen in Mainz keine so große Rolle. Was uns in Rheinland-Pfalz von der Ampel im Bund abhebt ist, dass wir Konflikte nicht um ihrer selbst willen führen. Bei der Berliner Ampel hatte ich zum Schluss das Gefühl, Konflikte wurden gesucht, um sie zur Profilierung nach außen zu tragen. Am Schluss hat sich gezeigt, dass die FDP aussteigen wollte. Das kann man dann nicht mehr zusammenhalten.

Und Sie machen das besser?
Was wir in Rheinland-Pfalz gut können, ist, intern zu diskutieren, Lösungen zu finden und nach außen dann geschlossen aufzutreten. Und das, obwohl wir drei selbstbewusste Koalitionspartner sind und nicht im Verdacht stehen, zu fusionieren. Wir haben uns vorgenommen, einander politische Erfolge zu gönnen, weil wir letztlich alle davon profitieren. Wir reden mit- statt übereinander, auch im Konfliktfall.
2026 wird in Rheinland-Pfalz gewählt. Können Sie sich eine Neuauflage der Ampel vorstellen?
Ja, ich bin da sehr offen. Wenn eine Regierung gut zusammenarbeitet und erfolgreich ist, kann man das gerne fortsetzen, sofern die Wähler es wollen. Für mich ist eine Regierung mit Grünen und FDP weiterhin gut vorstellbar.
Glauben Sie wirklich, dass Olaf Scholz die Bundestagswahl gewinnen kann?
Ja, ich glaube, er kann gewinnen. Der Wahlkampf hat noch nicht richtig begonnen, da kann und wird jetzt noch viel passieren.
Was denn?
Wir brauchen kommunikative Disziplin. Die Menschen erwarten von der Sozialdemokratie Antworten auf drei zentrale Probleme: das teurer werdende Leben, die wirtschaftliche Flaute mit den Folgen für den Arbeitsmarkt und letztlich das Thema Sicherheit und Stabilität, sowohl nach innen wie nach außen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass nur die SPD Antworten darauf hat. Wir müssen sie aber stärker an die Menschen heranbringen. Dazu dürfen wir nicht jeden Tag auf zehn unterschiedliche Themen reagieren, sondern müssen uns auf die zentralen Punkte konzentrieren.
Was ist mit Fragen zur Migration?
Ich halte es für ein wichtiges Thema. Aber im Gespräch mit den Menschen fragen mich viele zuerst, was wir gegen die steigenden Preise, die wirtschaftliche Unsicherheit oder den Krieg tun. Da geht es erstmal weniger um Migration. Zu glauben, dass es außer Flucht und Migration keine Sorgen der Menschen gibt, ist falsch. Dazu kommt auch: Wir haben viel getan und die Zahlen der ankommenden Geflüchteten sinken spürbar.
SPD-Plan gegen die kriselnde Wirtschaft
Sie sprechen von der Inflation und der flauen Wirtschaft. Die SPD regiert bereits und die Situation ist dennoch schlecht. Was soll sich also bessern?
Wir konnten vor kurzem durchsetzen, die kalte Progression zu entschärfen, das war ein guter Schritt für mehr Netto vom Brutto. Wir stehen für einen stabilen Mindestlohn und für mehr Tarifbindung. Bei der wirtschaftlichen Lage verweisen Experten vor allem auf die Infrastruktur, da haben wir Nachholbedarf und brauchen einen Konsens über Investitionen, der über eine Wahlperiode hinausgeht. Olaf Scholz hat das mit seinem Vorschlag zum Deutschlandfonds getan. Die Verkehrsminister kamen in der Vergangenheit übrigens seit Jahrzehnten aus der CSU. In diesem Zusammenhang halte ich Herrn Söders Ankündigung, Alexander Dobrindt an den Kabinettstisch zurückzuholen, gegenüber den Bürgern schon fast für eine Drohung.
Wieso?
Herr Dobrindt steht als ehemaliger Verkehrsminister wie kein anderer für die großen Fehler und Versäumnisse der deutschen Infrastruktur. Von Andreas Scheuer will ich gar nicht erst anfangen. Wenn ich höre, dass Herr Dobrindt, etwa für die Themen Verkehr und Infrastruktur, zurückkommen soll, wird mir angst und bange.
Versäumnisse hat auch die Ampel zu verzeichnen. Die Rentenreform und die Kindergrundsicherung sind gescheitert, auch der Haushalt für 2025 kam nicht zustande. Wieso sollten die Menschen glauben, dass es mit einer weiteren SPD-Kanzlerschaft besser wird?
Olaf Scholz weiß, worum es jetzt geht. Unter den Kanzlerkandidaten ist er der mit Abstand erfahrenste und qualifizierteste. Die Union schickt mit Friedrich Merz jemanden ins Rennen, der weniger Verwaltungserfahrung hat als ein Ortsbürgermeister in Rheinland-Pfalz. Natürlich trägt Olaf Scholz ein Päckchen mit sich, wie auch die anderen Ampel-Partner. Und Friedrich Merz hat drei Anläufe gebraucht, um seine eigene Partei von sich zu überzeugen, und ihn zum Partei-Chef zu machen.
„Geht hier nicht um Deutschland sucht den Superstar“
Das klingt ja fast wie die Wahl nach dem geringeren Übel.
Wir sind in keiner leichtfüßigen Phase mehr, das ist eine Wahl in ernsten Zeiten zu ernsten Fragen. Es geht hier nicht um „Deutschland sucht den Superstar“.
Apropos: Herr Söder liefert sich seit Wochen eine Schlammschlacht mit seinem Amtskollegen Daniel Günther. Wie nehmen Sie den Streit in der Union wahr?
Er zeigt, dass die Union die großen Konflikte der Ära Merkel noch immer nicht gelöst hat. Welche Union will sie sein? Das wurde damals wie heute nur mühsam übertüncht. Es geht um die Frage, ob sie eine konservative, demokratisch rechte oder eine moderne christdemokratische Partei sein will.
Welche Rolle haben Sie denn nun als „Neuer“ im Kreise der Ministerpräsidenten? Herr Söder hat sich ja inzwischen als Food-Influencer etabliert.
Das ist eine schöne Beschreibung. Ich fotografiere mein Essen nicht, das kann Kollege Söder besser. Meine Aufgabe ist es, meinen Job ordentlich zu machen.