Die Naturkäserei ist ein Vorzeigebetrieb im Tegernseer Tal. Josef Stadler (30) macht sich für Führung bereit. Im Interview erklärt er, wie die Käserei aktuell dasteht.
Kreuth - In die Naturkäserei Tegernseer Land ist Josef Stadler (30) quasi hineingewachsen. Seine Eltern gehörten vor 15 Jahren zu den Gründern und Milchlieferanten der ersten Stunde, er selbst hat im Betrieb viele Stationen durchlaufen. Jetzt ist er bereit, die Führung zu übernehmen – in schwierigen Zeiten.
Herr Stadler, die Naturkäserei fußt auf dem Gedanken, dass Landwirte besser dastehen, wenn sie ihr eigenes Produkt aufwerten und vermarkten. War das eine gute Idee oder etwas naiv?
Die Grundidee war und ist gut. Die Heufütterung macht die Naturkäserei so besonders, und den Mehraufwand haben die Landwirte auch bezahlt bekommen. Aber ein bisschen naiv war es auch. Man hat den Aufwand und vor allem die Bürokratie unterschätzt, die noch dazu in den vergangenen Jahren wirklich überbordend geworden ist. Die Käserei wurde mit drei Büro-Arbeitsplätzen gebaut. Allein in der Verwaltung haben wir jetzt doppelt so viele Leute.
Sie sind gerade 30 Jahre alt geworden. Fühlen Sie sich schon bereit für die Führung der Naturkäserei?
Ich bin seit drei Jahren stellvertretender Vorstand, eigentlich mit dem Schwerpunkt Milchwirtschaft, Milchqualität und Produktion. Aber meine Aufgaben sind in den vergangenen anderthalb Jahren immer mehr geworden. Und es ist schon mein Ehrgeiz, nicht aus der zweiten Reihe heraus etwas zu machen, sondern das Ganze auch aktiv so zu gestalten, wie ich es mir vorstelle. Darum stelle ich mich bei der Generalversammlung am 14. Oktober zur Wahl.
Lässt sich das Arbeitspensum denn mit dem landwirtschaftlichen Betrieb daheim vereinbaren?
Stundenmäßig bin ich nach dem Arbeitszeitgesetz aktuell im tief illegalen Bereich. Möglich ist das Ganze überhaupt nur, weil unser Betrieb durch den neuen Stall und die Heutrocknungsanlage jetzt zeitsparender zu bewirtschaften ist und wir unsere Organisation und Arbeitsabläufe anpassen. Aber trotzdem kann es nicht auf Dauer so laufen. Es ist mein Ziel, die Aufgaben bei der Führung der Naturkäserei effizienter zu verteilen und sie schlanker aufzustellen. Das wird auch bei der Generalversammlung Thema sein.
Wie steht die Käserei aktuell da?
Insgesamt gut. Wir sind seit der Eröffnung vor 15 Jahren immer weiter gewachsen, beschäftigen 48 Mitarbeiter. Unsere großen Themen sind derzeit Personal und Reparaturen. Leider können wir nach erst 15 Jahren nicht auf Rücklagen zurückgreifen, die für den Bau eines Personalhauses reichen würden. Andererseits sind nach schon 15 Jahren Laufzeit die Produktionsanlagen an einem Punkt, an dem wir austauschen müssen. Eigentlich läuft die Käserei perfekt, aber wir müssen ein bisschen umgestalten. Damit haben wir in den letzten Jahren auch schon begonnen.
Die Zahl der Milchlieferanten ist von einst 23 auf 15 gesunken. Woher kommt das?
Innerhalb von 14 Monaten haben sich sechs Betriebe entschlossen, ihre Landwirtschaft aus verschiedenen Gründen komplett aufzugeben. Sie sind nicht zu einer anderen Molkerei gegangen, sondern haben ganz Schluss gemacht. Einen Teil der verlorenen Liefermenge konnten wir ausgleichen, weil andere Betriebe mehr geliefert haben. Aber wir versuchen, neue Lieferanten zu gewinnen und erweitern unseren Einzugsbereich etwas. Anfangs hatten wir die Vorgabe, dass alle Lieferanten aus dem Tegernseer Tal kommen sollen. Im Moment liegt der am weitesten entfernte Hof in Gmund.
Sind nun alle 15 Lieferanten Bio-Bauern?
Nein, wir haben elf Bio-Landwirte. Unser eigener Hof ist trotz des Umbaus auch noch nicht Bio, was daran liegt, dass sich bei den Vorgaben eine Winzigkeit geändert hat. Da ist viel Bürokratie dabei. Die Käserei soll irgendwann komplett Bio werden, aber wir werfen keinen Lieferanten heraus, weil er die Auflagen nicht komplett umsetzen kann. Es geht dabei ja immer nur um den Stall und den Winterauslauf, nicht um die Milchqualität. Für den Kunden hat das den Vorteil, dass wir eine sehr breite Palette von Bio- und anderen Produkten anbieten können. Der Nachteil für uns ist, dass wir bei jedem Tropfen nachweisen müssen, woher die Milch kommt – das ist zusätzlicher Bürokratie-Aufwand.
Reicht die Milch denn aktuell, um die Nachfrage zu decken?
Die Nachfrage steigt kontinuierlich. Zeitweise haben wir tatsächlich das Problem, dass wir mehr verkaufen könnten als wir produzieren. Der Geschmack der Kundschaft hat sich übrigens auch verändert. Früher war der Alte Bergkäse der Renner, jetzt geht Weichkäse besser. Beim Camembert haben wir unsere Produktion verdreifacht. Unser Angebot dem Kundenverhalten anzupassen, ist eine vordringliche Aufgabe. Aber natürlich brauchen wir auf Dauer auch wieder mehr Milchlieferanten. Ich hoffe, andere Landwirte überzeugen zu können, bei uns einzusteigen.