Gefangenenaustausch mit Russland: Diese Personen sind freigekommen

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Historischer Gefangenenaustausch mit Russland: Diese Personen sind freigekommen

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Seit Monaten wurde über einen Gefangenenaustausch des Westens mit Russland spekuliert. Nicht nur der in Berlin verurteilte „Tiergartenmörder“ spielt dabei eine zentrale Rolle.

Berlin/Moskau/Ankara – Bei einem Gefangenenaustausch zwischen Russland und westlichen Staaten sind zahlreiche Inhaftierte freigekommen. Der Kreml bestätigte, dass die im Gefangenenaustausch freigelassenen Personen von Präsident Wladimir Putin begnadigt wurden. Unter den freigelassenen Personen befinden sich auch sehr bekannte Namen.

Er erschoss einen Georgier mitten in Berlin: „Tiergatenmörder“ kommt frei

Etwa der „Tiergartenmörder“ Wadim K.: Mehr als ein Jahr saß er im Berliner Kammergericht auf der Anklagebank. Am 15. Dezember 2021 verurteilten die Richter den Russen zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe – für den Mord an einem Georgier am 23. August 2019 in der Berliner Parkanlage Kleiner Tiergarten.

Die Auftraggeber für den Mord saßen nach Überzeugung des Gerichts in Russland. Der Georgier stand laut Urteil seit langem im Visier der Russischen Föderation, weil er während des zweiten Tschetschenien-Krieges mehrere Jahre lang eine Miliz im Kampf gegen Russland angeführt hat. Kremlchef Wladimir Putin nannte das Mordopfer später öffentlich einen „Banditen“, „Mörder“ und „blutrünstigen Menschen“. 

Der Russe hatte zu Beginn des Prozesses im Oktober 2020 über seine Anwälte erklären lassen, er heiße Wadim S., sei 50 Jahre alt und Bauingenieur. Eine Legende, so die Richter. Wadim K. sei als Tourist getarnt und am Tag vor der Tat nach Berlin gereist. Der heute 58-Jährige nahm das Urteil damals regungslos hin. Auf Rechtsmittel verzichtete er. Später wurde der „Tiergartenmörder“ aus einem Hochsicherheitstrakt des Berliner Gefängnisses Tegel aus Sicherheitsgründen mehrmals von einer Haftanstalt zur nächsten verlegt und saß nach dpa-Informationen zuletzt im baden-württembergischen Offenburg ein.

Von Russland freigelassene Amerikaner sind auf dem Weg in die USA. © X/Twitter

US-Journalist in Russland inhaftiert: Putin lässt Gershkovich frei

Auch der amerikanische Journalist und Wall Street Journal-Reporter Evan Gershkovich wurde freigelassen. Der 32 Jahre alte US-Reporter Evan Gershkovich wurde Mitte Juli in einem umstrittenen Prozess wegen angeblicher Spionage zu 16 Jahren strenger Lagerhaft verurteilt. Der Russland-Korrespondent des US-Magazins Wall Street Journal war Ende 2023 auf einer Reportage-Reise in Jekaterinburg am Ural vom russischen Geheimdienst FSB festgenommen worden. Ihm wurde zur Last gelegt, er habe geheime Informationen über Russlands Rüstungskomplex für US-Stellen gesammelt. Das „Wall Street Journal“ wies das zurück. Gershkovich sei mit einer offiziellen Akkreditierung seiner Arbeit nachgegangen. 

Die US-Regierung forderte über Monate die Freilassung des Journalisten. Mehrere US-Medien zogen nach seiner Festnahme eigene Korrespondenten aus Moskau ab, weil sie politische Verfolgung ihrer Mitarbeiter durch den russischen Staat befürchteten. Beobachter in Moskau deuteten schon die schnelle Verurteilung Gershkovichs als möglichen Hinweis darauf, dass es bald eine Einigung mit der US-Seite geben könnte. In der Regel muss nach russischer Justizpraxis ein Urteil vorliegen, bevor es zu einem Austausch kommen kann.

Ex-US-Soldat Paul Whelan: Russland verhaftete ihn wegen „Spionage“

Weiterhin kam auch Paul Whelan frei. Der 54 Jahre alte ehemalige US-Soldat wurde bereits im Juni 2020 von einem russischen Gericht wegen angeblicher Agententätigkeit zu 16 Jahren Straflager verurteilt. Davor hatte er rund anderthalb Jahre lang in Haft gesessen. Whelan, der mehrere Staatsbürgerschaften hat, soll nach Darstellung des FSB als Spion auf frischer Tat ertappt worden sein. Er soll geheime Daten auf einem USB-Stick erhalten haben.

Whelan beteuerte vehement seine Unschuld und sprach von einem politisch motivierten Urteil. Nach Darstellung der Verteidigung ging er bei einem seiner vielen Besuche in Moskau vielmehr davon aus, dass es sich lediglich um private Inhalte auf dem Datenträger gehandelt habe. Er war demnach bei der Hochzeit eines Freundes in Moskau gewesen, als der Zugriff des FSB erfolgte. Die US-Regierung forderte wiederholt die Freilassung Whelans, weil in dem Verfahren keine Beweise vorgelegt worden seien. Es gab außerdem Kritik an den Haftbedingungen. Whelan erkrankte bereits in der Untersuchungshaft schwer und musste notoperiert werden.

Erst zur Todesstrafe verurteilt, dann begnadigt: Deutscher Rico K. wird freigelassen

Der 30 Jahre alte Deutsche Rico K. wurde Ende Juni in Belarus (früher Weißrussland) zum Tode verurteilt. Der Vorwurf: Söldnertum und Terrorismus, angeblich hatte sich Rico K., Rettungssanitäter aus Hildesheim, vom ukrainischen Geheimdienst SBU als Söldner anwerben lassen. Da Belarus als letztes Land in Europa die Todesstrafe vollstreckt, war die Sorge auch im Auswärtigen Amt groß. Berlin kritisierte den Umgang mit dem Mann als „unerträglich“, nachdem er im Staatsfernsehen vorgeführt worden war und sich schuldig bekannt hatte. Bei dem Auftritt bat er Machthaber Alexander Lukaschenko um Begnadigung und die Bundesregierung um Hilfe. 

Lukaschenko hob das Todesurteil gegen den Mann am Donnerstag vergangener Woche nach einer Unterredung mit Ermittlern und dem Anwalt auf. Die von Minsk als humanitäre Geste dargestellte Entscheidung galt auch als Zeichen des bevorstehenden Gefangenenaustauschs. Belarus hatte selbst mitgeteilt, dem Auswärtigen Amt in Berlin ein Verhandlungsangebot gemacht zu haben.

Russischer Oppositionsaktivist: Wladimir Kara-Mursa kommt bei Gefangenenaustausch frei

Der 42-jährige Wladimir Kara-Mursa gehört zu den prominentesten Oppositionellen in Russland. Er war im April 2023 unter dem Vorwurf des Hochverrats zu 25 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Der beispiellose Richterspruch löste weltweit Entsetzen aus. Zuletzt waren die Sorgen um den seit langem gesundheitlich schwer angeschlagenen Politiker groß. Seine Frau Jewgenija Kara-Mursa schlug immer wieder Alarm in sozialen Netzwerken – vor allem als der Kontakt nach einer Verlegung ihres Mannes in ein sibirisches Haft-Krankenhaus komplett abbrach. 

Kara-Mursas Ehefrau erinnerte daran, dass ihr Mann nach zwei Vergiftungsattacken an einer chronischen Erkrankung leide. Seinem Anwalt zufolge war Kara-Mursa im Juni für zunächst geplante sechs Monate in eine Zelle mit erschwerten Haftbedingungen verlegt worden. Solche besonders engen Zellen sind häufig genutzte Schikanen der Wärter im Straflager für politische Gefangene. Unterstützt wird Kara-Mursa etwa auch von dem Kremlgegner und früheren Ölmanager Michail Chodorkowski, der selbst einst durch deutsche Vermittlung aus dem Straflager befreit worden war.

Scharfer Putin-Kritiker: Der Kreml lässt auch Ilja Jaschin frei

Der 41-jährige Politiker Ilja Jaschin gehört zu den schärfsten Kritikern von Kremlchef Wladimir Putin. Jaschin blieb in Russland, als viele andere Kremlgegner schon ins Ausland geflüchtet waren. Weil er den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine anprangerte und vor allem die Soldaten seiner Heimat für das Massaker an Zivilisten in Butscha in der Nähe der ukrainischen Hauptstadt Kiew verantwortlich machte, wurde er im Dezember 2022 wegen Verunglimpfung der Armee zu achteinhalb Jahren Straflager verurteilt.

„Putin ist ein Kriegsverbrecher, aber hinter Gittern bleibe ich“, wandte sich Jaschin an das Gericht. „Das ist doch eine komische Situation, finden Sie nicht?“ Bekannt ist er auch für seine politische Nähe zu dem Oppositionsführer Alexej Nawalny, der im Februar im Straflager in der Arktisregion starb, und zu dem in Kremlnähe erschossenen früheren Vize-Regierungschef Boris Nemzow.

Einsatz für die Menschenrechte: Aktivist Oleg Orlow wird mit Gefangenenaustausch befreit

Der 71-jährige Oleg Orlow gehört zu den bekanntesten Menschenrechtlern und mutigsten Kämpfern für Gerechtigkeit in Russland. Auch der Mitgründer der mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten Organisation Memorial wurde wegen Kritik an Putins Krieg zu Lagerhaft verurteilt, und zwar zu zweieinhalb Jahren. Das für den Friedensnobelpreis zuständige norwegische Nobelkomitee kritisierte die Verurteilung des Aktivisten als politisch motiviert.

Orlow war selbst immer wieder bei Gerichtsprozessen gegen Andersdenkende als Beobachter dabei. Er machte sich vor allem wegen seiner von vielen geschätzten Zivilcourage einen Namen als Kritiker russischer Justizwillkür. Auch er blieb trotz der Gefahr einer Inhaftierung in Russland, um weiter im Land gegen politische Repressionen zu kämpfen. Memorial hatte 2022 für die Dokumentation von Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch in der ehemaligen Sowjetunion und im postsowjetischen Russland den Friedensnobelpreis erhalten.

Weitere Journalistin in russischer Haft: Mit Gershkovich kommt auch Kurmasheva frei

Ein russisches Gericht hatte die US-amerikanische Journalistin Alsu Kurmasheva erst vor wenigen Tagen zu sechseinhalb Jahren Strafkolonie wegen angeblicher Falschmeldungen über die Armee verurteilt. Anlass für das Urteil war ein von ihr im November 2022 veröffentlichtes Buch mit dem Titel „Nein zum Krieg. 40 Geschichten von Russen, die sich gegen die Invasion der Ukraine wehren“, wie die russische Oppositionsplattform Meduza mitteilte. Kurmasheva, die für das tatarische Programm des US-Auslandssenders Radio Freies Europa/Radio Liberty (RFE/RL) arbeitet, war seit Oktober inhaftiert. Auch sie wurde im Rahmen des Gefangenenaustausches in Ankara freigelassen.

Der US-Sender CNN enthüllte unter Berufung auf informierte Quellen, dass der amerikanische Geheimdienst CIA schon seit Jahren über bestimmte Kommunikationskanäle mit russischen Geheimdiensten kommuniziere und der Gefangenenaustausch über diese Kanäle vorbereitet wurde. Russland habe den finalen Vorschlag, der bei einem Treffen in einem dritten Land – vermutlich die Türkei – gemacht wurde, schließlich Anfang Juli angenommen, hieß es vom Sender. (bb/dpa)

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