Erste Stilllegungen angekündigt: Was Sie beachten müssen, falls der Versorger Ihnen bald das Gas abdreht

Die MVV Energie aus Mannheim war Anfang November der erste große Gasversorger, der seinen Kunden mitteilte, dass es von ihm in absehbarer Zeit – ab 2035 – kein Gas mehr geben wird. „Gasheizungen eignen sich nicht für eine nachhaltige und zukunftsorientierte Beheizungsform“, begründet der Anbieter den Schritt. Rund 24.000 Haushalte sind davon betroffen. Das sind bei rund 40 Millionen Haushalten in ganz Deutschland nur ein Bruchteil, doch künftig werden weit mehr Gaskunden dieselbe Mitteilung von ihrem Versorger erhalten. 

Die MVV aus Mannheim mag der erste große Versorger sein, der ein konkretes Datum nennt, doch auch andernorts ist das Ende absehbar. Die Stadtwerke Augsburg etwa haben ihren Kunden schon im April ein mögliches Ende der Gaslieferungen in rund zehn Jahren angekündigt. Hamburg beschloss in diesem Frühjahr einen schrittweisen Rückbau seines Gasnetzes, der bis spätestens 2045 abgeschlossen sein soll.

Deutschland soll 2045 klimaneutral sein

Das Datum in 20 Jahren ist für alle Gasversorger entscheidend. Bis dahin soll Deutschland klimaneutral sein. Mit fossilen Energieträgern wie eben Erdgas kann dann nicht mehr geheizt werden. Doch das bedeutet nicht, dass Gasanschlüsse erst dann abgeschaltet werden. Vielerorts wird das deutlich früher geschehen. 

Je näher das Datum 2045 rückt, desto weniger neue Gasheizungen werden eingebaut und desto mehr alte durch klimaschonende Varianten ersetzt werden. Das gibt zum einen das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vor, welches für neue Heizungen einen Anteil von 65 Prozent an erneuerbaren Energien vorschreibt, zum anderen aber auch der allgemeine Pfad zur Klimaneutralität. Selbst, wenn eine neue Bundesregierung das GEG zurücknehmen sollte, würde es sich mit jedem Jahr weniger lohnen, eine neue Gasheizung zu verbauen, die dann 2045 abgeschaltet werden müsste.

Gasheizungen und -netze werden immer teurer

Außerdem wird der Betrieb von Gasheizungen und Gasnetzen auf dem Weg zur Klimaneutralität immer teurer werden. Dafür sorgt zum einen der jährlich steigende Co2-Preis. Aktuell liegt er noch bei 45 Euro pro Tonne, kommendes Jahr werden es 55 Euro sein. 2026 steigt er dann auf maximal 65 Euro. Ab 2027 wird der Preis dann über Co2-Zertifikate frei gehandelt, aber Ökonomen gehen davon aus, dass er damit noch weiter ansteigen wird. Verschiedene Studien sehen für 2030 eine Spanne von 75 bis 275 Euro, die eine Tonne Co2 dann kosten könnte.

Der zweite Kostenfaktor sind Ausgaben für den Betrieb des Gasnetzes. Sie werden über die Netzentgelte teilweise auch auf die Kunden umgelegt. Da es aber immer weniger Gaskunden geben wird, steigt damit das Netzentgelt für jeden einzelnen Besitzer einer Gasheizung. Beide Entwicklungen erhöhen nicht nur die Kosten für Verbraucher, sondern auch für die Gasversorger, denn schließlich legen diese nicht alle ihre Kosten auf die Kunden um. Es ist also absehbar für Unternehmen, dass irgendwann der Punkt erreicht ist, an dem der Betrieb eines Gasnetzes nicht mehr wirtschaftlich ist. Entsprechend planen die Gasversorger schon jetzt den Ausstieg. 

EU hat eine Binnengasrichtlinie beschlossen

Dass immer mehr künftig konkrete Termine an ihre Kunden kommunizieren werden, hat mit zwei gesetzlichen Vorgaben zu tun. Im Juni beschloss die EU eine Binnengasrichtlinie. Darin wird geregelt, wie die Mitgliedsstaaten in Zukunft mit den Gasnetzen umgehen sollen. Beschlossen haben die EU-Mitglieder hierin eine Pflicht für alle Gasversorger, den zuständigen Behörden alle zwei Jahre einen Plan vorzulegen, wie sie ihr Gasnetz in den jeweils kommenden zehn Jahren betreiben wollen – und ob und wie es in dieser Zeit zurückgebaut oder stillgelegt wird. 

Entsprechend müssen also im kommenden Jahr alle Gasversorger Stilllegungen bis 2035 veröffentlichen, wenn sie diese planen. Die Mannheimer MVV dürfte also nicht der letzte Betreiber bleiben. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte im März bereits eine ähnliche Regelung an die Gasnetzbetreiber kommuniziert. Wo Stilllegungen geplant seien, brauche es für Kunden einen „hinreichenden Vorlauf“.

Was Kunden jetzt machen können

Für Besitzer von Gasheizungen sind die Abschaltungen ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite ließe sich argumentieren, dass es für sie lange absehbar war, dass die Gasnetze spätestens 2045 abgeschaltet werden und der Einbau einer neuen Gasheizung mit jedem Jahr, das vergeht, zu einem größeren wirtschaftlichen Risiko wird. „Personen, die sich jetzt für eine Gasheizung entschieden, handeln nicht zukunftsfest“, sagt denn auch MVV-Chef Georg Müller im Interview mit dem SWR. Selbst schuld, könnte man also sagen, war doch klar, dass die Erdgasheizungen bis spätestens 2045 abgeschaltet werden müssen.

Darin liegt aber gerade die Krux: bis 2045. Wer sich 2024 eine neue Gasheizung eingebaut hat, hat dafür viel Geld bezahlt, welches sich über die kommenden 20 Jahre rechnen sollte. Wenn die Gaslieferungen vor Ort jetzt aber schon 2035 eingestellt werden, halbiert sich plötzlich die Zeit, bis in eine neue Heizung investiert werden muss. 

Gasheizung muss sich bis 2035 amortisieren

Das macht für den Geldbeutel der meisten privaten Haushalte einen gewaltigen Unterschied. „Ich fühle mich veräppelt“, sagt denn auch Michael Brand gegenüber der Tagesschau. Der Mannheimer Hausbesitzer hat erst im vergangenen Winter eine neue Gasheizung bei sich eingebaut. 12.000 Euro hat er dafür bezahlt, die sich gerade bis eben 2035 amortisieren sollten. Doch jetzt muss er schon davor deutlich mehr Geld für eine Wärmepumpe oder ähnliche Lösung ausgeben. Haushalten droht daher ein Kosten-Tsunami.

Einen Anspruch auf irgendeine Form von Entschädigung hat er wie alle andere Gasheizungsbesitzer nicht. Schließlich hat weder der Versorger noch der Staat je in irgendeiner Form garantiert, dass alle Gasnetze bis 2045 weiterbetrieben würden. 

Verbraucherzentrale rät vom Einbau neuer Gasheizungen ab

Die Kommunen sind lediglich je nach Größe bis 2026 oder 2028 dazu verpflichtet, kommunale Wärmepläne vorzulegen. Darin soll etwa stehen, ob Fernwärme- oder Wasserstoffnetze geplant sind, damit sich Verbraucher bei Entscheidungen für oder gegen bestimmte Heizungsarten daran orientieren können. Solange kein Plan vorliegt, dürfen aber noch Gasheizungen verbaut werden – auf eigenes Risiko. Wichtig ist daher, sich frühzeitig zu informieren, ob eine Gasheizung noch sinnvoll ist, eine Wärmepumpe oder eine andere Heizungsart.

Die Verbraucherzentrale hatte deswegen schon im vergangenen Jahr vom Einbau neuer Gasheizungen abgeraten. Sie begründete das zwar mehr mit den steigenden Kosten, bemängelte aber auch, dass eben der Kompromiss zum GEG mit kommunalen Wärmeplanungen und anderen Ausnahmen für Verwirrung sorgt. „Verbraucherinnen und Verbrauchern fehlt weiter die nötige Klarheit. Das Sammelsurium an Optionen überfordert sie“, sagte Verbandsleiterin Ramona Pop.

Wasserstoff wird keine flächendeckende Alternative

Damit Sie nicht zu denen gehören, die in die Gasheizungs-Falle tappen, sollten Sie vor dem Einbau einer neuen Heizung zunächst prüfen, ob ihre Kommune bereits eine Wärmeplanung veröffentlicht hat. Ist dies nicht der Fall oder spielen Gasheizungen in dieser keine Rolle, sollten Sie Abstand davon nehmen, eine solche einzubauen und lieber zu langfristig lohnenderen Varianten greifen, die auch 2045 nicht abgeschaltet werden müssen. Ab dann sind alle fossilen Energieträger verboten.

Eine viel diskutierte Alternative zum Abbau der Gasnetze wäre, diese künftig mit Wasserstoff zu betreiben und entsprechende Heizungen in Wohnhäusern damit zu versorgen. Grundsätzlich ist das technisch möglich. Schon heute ließen sich dem Erdgas laut dem Deutschen Verein des Gas- und Wasserfaches (DVGW) rund 20 Prozent Wasserstoff zusetzen. 

Ein reines Wasserstoffnetz sei denkbar

Um jedoch reinen Wasserstoff durch die bestehenden Gasnetze zu transportieren, müssten diese für 45 bis 60 Milliarden Euro umgerüstet werden. Der Grund besteht darin, dass Wasserstoff nur ein Zehntel der Dichte von Erdgas besitzt und deswegen die Pipeline entsprechend angepasst werden müssen, damit das Gas nicht einfach auf dem Weg entweicht. „Eine Beimischung von Wasserstoff ins Gasnetz im großen Stil ist unwahrscheinlich“, sagt denn auch die Bundesnetzagentur. Ein reines Wasserstoffnetz sei denkbar, aber – so argumentieren sowohl DVGW als auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages – dann müsste sich die Politik am besten sofort für dessen Aufbau entscheiden. Schließlich würde der Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Die MVV Energie in Mannheim hat für sich bereits entschlossen, dass Wasserstoff keine wirtschaftliche Alternative werden wird. Zu teuer sei das, sagten Unternehmensvertreter auf einer Informationsveranstaltung mit Kunden.