Gepard, Skynex, Skyranger: Die Ukraine ist die Laborsituation deutscher Waffenschmieden

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Unkaputtbar – ukrainische Soldaten bringen einen Gepard zur Flugabwehr in Stellung; wegen der Zunahme an Drohnen, erlebt der deutsche Flugabwehr-Oldtimer aktuell eine Renaissance und wird wieder zukunftsfähig. © SERGEI SUPINSKY/AFP

Die Gefahr zieht künftig in Schwärmen herauf: Drohnen werden kleiner und günstiger, ihre Zahl wird steigen. Der deutsche Gepard hält effektiv dagegen.

Kiew – Der alte Gepard macht seine Sache hervorragend. Um den Himmel auch in Zukunft freizuhalten, rollen in der Ukraine im Kampf gegen die Invasionstruppen Wladimir Putins jetzt neue Flugabwehrkanonenpanzer aus deutscher Fertigung; daneben schützt das hoch entwickelte Skynex System die Verteidiger gegen die Aggression Russlands. Auch für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands sind diese Systeme überlebenswichtig – der Gepard könnte im Ukraine-Krieg sein endgültiges Comeback erleben.

Für die deutschen Reservisten war das Thema bereits lange vor dem Ukraine-Krieg klar, wie deren Autor Björn Müller in deren Magazin loyal schreibt: „Im Kalten Krieg war die mobile Flugabwehr der Bundeswehr ein Glanzstück innerhalb der Nato. Optimiert für ihren Hauptauftrag – Verzögerung eines Großangriffes der Sowjets – war die Bundeswehr vor allem eine Panzerarmee. Für deren Schutz gegen Luftangriffe wurde eine leistungsstarke Flugabwehr der Bodentruppen aufgebaut. Ausgerüstet waren diese Einheiten mit dem ,Gepard‘-Flugabwehrkanonenpanzer und mit dem Raketensystem ,Roland‘. Doch das ist lange her.“ Heute ist nichts mehr davon übrig, die Bundeswehr steht gegenüber einer Bedrohung aus dem Osten blank dar.

Auch der deutsche Politikwissenschaftler Carlo Masala hält den Gepard für immer noch existentiell wichtig, wie er in seinem neuen Buch „Bedingt abwehrbereit“ schreibt. Masala kritisiert massiv den deutschen High-Tech-Hype: „Der Schützenpanzer Puma zum Beispiel ist ein gepanzerter Computer, der – genauso wie alle anderen Computer auch – eine hohe technisch bedingte Störanfälligkeit aufweist. Wir brauchen beides, also das Hochkomplexe und das Robuste.“

Der Gepard ist ein Konstrukt der 1960er-Jahre und seit 2012 ausgemustert, weil ihm schlicht der Gegner gefehlt hat. Inzwischen ist die Bedrohung, für die er gebaut wurde, allerdings real: Drohnen und Marschflugkörper in massenhaften Zahl, die über die damals schlimmsten Befürchtungen weit hinaus geht. Seit 20 Jahren ist der Gepard in der Bundeswehr Geschichte, und er hat Platz gemacht für eine mobilere Version der Flugabwehr: den Manpads – Man Portable Air Defense Systems –, beispielsweise den Stinger-Raketen, die von der Schulter aus gestartet werden.

Gepard: Gerüstet für die Bedrohungen dieses Jahrhunderts

Aber der Gepard lehrt Wladimir Putin in der Ukraine aktuell das Fürchten, und sein Hersteller, Krauss-Maffai Wegmann (KMW), schickt sich auf seiner Website an, den Gepard als weiterhin zukunftsfähig zu verkaufen: „Die aktuelle Version des Gepards ist allen Ansprüchen des 21. Jahrhunderts zur Abwehr moderner Kampfflugzeuge, Kampfhubschrauber, ferngelenkter Flugkörper und Raketen gewachsen. Auch Drohnen werden zuverlässig bekämpft. Die ballistischen Geschosse können nicht durch elektronische Abwehrmaßnahmen gestört werden, ihre Splitterwolken führen zuverlässig zur Zerstörung des Ziels“, wie KMW schreibt.

KMW hat nach eigenen Angaben bis heute 570 Systeme dieses Typs als Generalunternehmer in Serie gefertigt und ist seit Beginn der Nutzung auch Hauptauftragnehmer für die technisch-logistische Betreuung des Systems. Geliefert wurden Geparden an Deutschland, die Niederlande, Belgien und Rumänien, wo diese bis heute aktiv Dienst tut. Die technische Entwicklung hatte den Geparden in den 1970er-Jahren abgehängt – die Lenkwaffen machten ihm zu schaffen, ließen das wartungsintensive 15-Tonnen-Monster wirtschaftlich alt aussehen, weil die schultergestützten Systeme viel flexibler und günstiger wurden. Seit die Drohnen im Ukraine-Krieg kleiner und wendiger daherkommen und deshalb in Schwärmen auftauchen konnten, waren die beiden Schnellfeuer-Maschinenkanonen des Gepards mit ihrer Feuergeschwindigkeit von zusammen 1.100 Schuss pro Minute urplötzlich wieder zeitgemäß. Die Notlösung für die ukrainische Luftabwehr wurde plötzlich deren Korsettstange.

Skynex: Gebaut für die Bedrohungen dieses Jahrtausends

Auch die neuen Entwicklungen in der Luftabwehr setzen wieder verstärkt auf Maschinenkanonen. „Was die Luftverteidigung angeht, so haben wir zum jetzigen Zeitpunkt geliefert, was möglich ist, und wir prüfen immer wieder die Bestände“, zitiert der Spiegel den Regierungssprecher Steffen Hebestreit. „Da ist der limitierende Faktor im Augenblick die Produktion, also was hergestellt werden kann.“ Geprüft werde derzeit auch, ob einige ausländische Staaten ihre Waffenbestellungen zugunsten der Ukraine zurückstellen können und dann später beliefert werden, so Hebestreit auf der Bundespressekonferenz.

Laut der Aufstellung des Bundesverteidigungsministeriums über die bisherigen Lieferungen hat die Ukraine auch erstmals ein von der deutschen Waffenschmiede Rheinmetall gebautes Skynex-System bekommen – was das Magazin Europäische Sicherheit und Technik schon Anfang des Jahres angekündigt hatte: Skynex sei laut Beschreibung von Rheinmetall eine offene Architektur, die auf die kanonenbasierte Flugabwehr setzt und sich daher besonders eigne für den Nahbereich, in dem Lenkwaffen nicht effektiv wirken könnten. Die von dem Unternehmen entwickelte, programmierbare 35mm-Munition sei wesentlich günstiger als vergleichbare lenkwaffenbasierte Systeme. Das Skynex-System besteht aus Luftraumüberwachung, Waffeneinsatzzentrum und Waffe – die Schnellfeuerkanone kann mit einer Kadenz von 1.000 Schuss pro Minute bis auf 4.000 Meter wirken und entweder stationär oder auf einem Radfahrzeug montiert eingesetzt werden.

Skyranger: Topmodern und für die Praktiker dennoch unausgegoren

Skynex gilt als Antwort auf den Krieg der Zukunft – wie den das Reservistenmagazin loyal voraussieht: „Als State-of-the-Art-Kriegstaktik der nahen Zukunft gilt den Militärplanern weltweit das Ausschalten von Waffensystemen wie Panzern, indem deren Sensoren durch Drohnen-Schwärme übersättigt werden.“ loyal zufolge soll der Auftakt zu einer zeitgemäßen mobilen Flugabwehr der Bundeswehr das Projekt „Qualifizierte Fliegerabwehr‘“ sein. Hinter dieser Bezeichnung verbirgt sich die Bekämpfung von kleinen Drohnen bis zu 150 Kilogramm.

Die Reservisten sehen die Zukunft der deutschen Luftabwehr allerdings unausgegoren geplant und üben Kritik am Gepard-Nachfolger Skyranger – ebenfalls ein Produkt von Rheinmetall, das darauf ausgelegt ist, mit einer 35mm-Maschinenkanone Splittermunition mit hoher Feuergeschwindigkeit rund fünf Kilometer gen Himmel zu schießen. Das System kombiniert den Geschützturm Mantis und den Radpanzer Boxer – für die loyal-Beobachter deshalb ein instabiles System, das kaum mit dem Gepard zu vergleichen wäre. Auch im Mantis-Turm sehen die Experten eher eine stationäre Lösung – beispielsweise für den Schutz von Gebäuden. loyal: „Es ist nicht für die Begleitung von Truppen ausgelegt. Somit ist die Skyranger-Lösung zuvorderst eine Schutzkuppel, die mit den Truppen verschoben wird. Mobiler Konvoischutz, also aus der Fahrt heraus Artillerie- und Mörserbeschuss zu bekämpfen, würde schwierig.“

Deutsche Oldtimer im Ukraine-Krieg – Gepard-Panzer machen Jagd auf Kamikaze-Drohnen

Seit Anfang des Jahres lässt Rheinmetall den Skyranger in der Ukraine einsetzen – zwei Einheiten sind vor Ort, also zu wenige, um einen Unterschied zu machen. Im Gegenteil. Nach dem Jahreswechsel hatte Russland seine Luftangriffe intensiviert. Die Prognosen für die ukrainischen Verteidiger ist düster: Momentan schieße die Ukraine rund 85 Prozent der russischen Raketen und Drohnen ab, sagte unlängst der Befehlshaber der ukrainische Luftwaffe, Mykola Oleschtschuk gegenüber der Deutschen Welle. Für mobile Gruppen sei gerade genug Munition da, „um den nächsten heftigen Angriffen standzuhalten“, sagte der ukrainische General Serhij Najew gegenüber der Nachrichtenagentur AFP.

Aber das Rückgrat der Luftverteidigung bleibe der deutsche Oldtimer, wie die Deutsche Welle weiter berichtet: Die Ukraine muss sowohl ihre Truppen an der mehr als 1.000 Kilometer langen Front als auch militärische und zivile Objekte im Landesinneren schützen – Sparsamkeit sei daher das oberste Gebot: Die teureren westlichen raketengestützten Systeme wie das Patriot-System werden meist nur gegen russische Raketen im Landesinneren eingesetzt. Jagd auf die billigen iranischen Drohnen vom Typ Shahed 136 machen vor allem die von Deutschland gelieferten Gepard-Flakpanzer.

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