Sorgen im Kampf um den Ukraine-Himmel: Frankreich floppt gegen Putin

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Mehr als ein Paradepferd? Das französisch-italienische Luftabwehr-System SAMP-T während der International Paris Air Show vor zwei Jahren. Die Ukraine nutzt das System und scheint unzufrieden zu sein; der Hersteller Eurosam verspricht, dass die optimierte Version ein „Gamechanger“ werde. © Ludovic Marin / POOL / AFP

Pentagon enthüllt drohende Schwächen in der Luftverteidigung der Ukraine. Deutschland liefert Qualität, Frankreich enttäuscht. Und Trump spottet.

Paris – „Wenn du einen Krieg anfangen willst, solltest du wissen, ob du ihn gewinnen kannst, richtig? Du kannst keinen Krieg mit jemandem anfangen, der 20 Mal so groß ist, und dann hoffen, dass du Raketen kriegst“ – das Nachrichtenmagazin Spiegel erinnert an die höhnische Antwort Donald Trumps während einer Pressekonferenz im Weißen Haus auf die Frage, inwieweit die USA auf Bitten des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj Patriot-Raketen verkaufen können – diese Flugabwehr hatte sich gegen Wladimir Putins Invasionsarmee als wirkungsvoll erwiesen. Aber vielleicht kann die Ukraine auf Trumps Wohlwollen demnächst verzichten: Die Europäer schicken sich an, eine selbst produzierte Waffe von besserer Leistung an die Front zu werfen.

Was möglicherweise geschmeichelt sein könnte. Die bodengestützte französisch-italienische SAMP/T-Luftabwehrrakete (Sol-Air Moyenne-Portée/Terrestre – Boden-Luft Mittelstrecke/Landbasiert) scheint in der Ukraine erstens Schwierigkeiten zu machen, zweitens sollen ihr die zu verschießenden Aster-Rakten ausgehen, wie ntv.de unter Bezug auf einen Bericht des Wall Street Journal (WSJ) berichtet. „Der Hersteller spricht hingegen von „übertroffenen Erwartungen“. Eine verbesserte Version sei ein ,Gamechanger‘“, schreibt Robin Grützmacher. Der Autor von ntv.de-Autor bezieht sich damit auf eine Erklärung des Hersteller-Konsortiums Eurosam, neben dem die Hersteller MBDA, Thales und Leonardo für die Waffe verantwortlich sind.

Ukraine-Krieg vor der Wende? Pentagon zufolge könnte der Ukraine im Mai die Luftabwehr ausgehen

Der zufolge soll die Version SAMP/T NG zusätzlich zu ballistischen Raketen mit einer Reichweite von mehr als 600 Kilometern sogar Hyperschallraketen eliminieren können; wie ntv.de berichtet, sei das System aber noch nicht ausentwickelt, die Auslieferung an die bisher einzigen Käufer Frankreich und Italien starte 2026. Tatsächlich hat bisher nur Singapur die Waffe gekauft, kommerziell ist dieses System gefloppt, wie aktuell das Magazin Meta-Defense klarstellt.

„Die technologische Entwicklung bestimmt das Schlachtfeld, nicht Amerika. Amerika hinkt der modernen Kriegsführung hinterher. Europa hinkt der modernen Kriegsführung hinterher. Die Ukraine führt den Krieg der Zukunft.“

Auch das WSJ hat im März berichtet, dass das in die Ukraine gelieferte System Schwierigkeiten mit dem Abfangen ballistischer Raketen habe und das auf Softwareprobleme zurückzuführen sei, wie gegenüber dem Blatt nach eigenen Worten „mit der Angelegenheit vertraute Personen“ behauptet haben sollen. Meta-Defense hat berichtet, dass das System laut Werksangaben eine Abfangrate von mehr als 80 Prozent garantieren sollte und, wie das Magazin schreibt, „wahrscheinlich sogar noch höher, insbesondere bei manövrierenden und ballistischen Luftzielen. Dies ermöglichte den Einsatz nach dem Prinzip ,Shoot-See-Shoot‘, bei dem pro Ziel nur eine Rakete abgefeuert wird.“

In einem aktuellen Bericht lässt das Wall Street Journal ebenfalls kein gutes Haar am französischen System – das Blatt beruft sich auf ein durchgestecktes Dossier aus dem Pentagon – dem zufolge könnte der Ukraine im Mai die Luftabwehr ausgehen, weil die Raketen fehlten. Neben den US-amerikanischen Patriot-Raketen sind russische S-300-Batterien im Einsatz, norwegische NASAMS, das deutsche Iris-T-System und das französische System: „Zwar seien die Patriots und SAMP/T ausgefeilter als die S-300, doch die drei Batterien, die in der Ukraine eintreffen sollen, könnten die Reichweite der 25 derzeit in der Ukraine im Einsatz befindlichen S-300-Batterien nicht ersetzen, hieß es in der durchgesickerten Präsentation des Pentagon“, wie WSJ-Autor Jaroslaw Trofimow schreibt.

Deutsches Produkt gegen Putin vorn: „In einem Gefecht haben wir sogar 15 Marschflugkörper zerstört“

Ganz anders spricht die Ukraine offensichtlich von dem deutschen Produkt Iris-T der Firma Diehl Defense: Fast jeder Schuss sei ein Treffer, deutet Dorothee Frank an. Die Autorin von defense-network.com bezieht sich auf ein Interview von Luftwaffen-Soldaten gegenüber dem ukrainischen Fernsehsender Армія TV (Army TV). Der hat Interviews mit ukrainischen Soldaten zu deren Luftverteidigungssystem IRIS-T SL veröffentlicht. „Für meinen Bereich habe ich eine Statistik: 99 Prozent der Luftziele wurden zerstört“, berichtet ein Offizier gegenüber dem Sender. „In einem Gefecht haben wir sogar 15 Marschflugkörper zerstört.“ Wie der Soldat weiter ausführt, seien seine „Gefechte“ oft nur wenige Minuten lang.

Anfliegende Raketen würden identifiziert, die richtigen Maßnahmen würden getroffen und die Bedrohung ausgeschaltet, sagt der Soldat. Wie er weiter ausführt, könne er SLM und SLS-Flugkörper verschießen, also Abfangraketen gegen Drohnen (SLS) sowie gegen Marschflugkörper (SLM). Allerdings scheint der Optimismus verfrüht, wie das Wall Street Journal aufgrund des Pentagon-Papiers darlegt: Das europäische Kommando des US-Militärs schätze demnach, „dass die Ukraine zwölf Patriot- oder SAMP/T-Batterien sowie 16 Batterien der Nasams- oder Iris-T-Klasse benötigt, um eine ausreichende Abdeckung zu gewährleisten“. „Mehrere Schadensbegrenzungsoptionen müssen gleichzeitig verfolgt werden, um Entscheidungen für nachhaltigere Lösungen zu fördern“, zitiert das WSJ die Dokumentation.

Ukraine in Not: „Wenn wir den Kampf um den Himmel verlieren, werden die Folgen schwerwiegend sein“

Oberst Juri Ihnat hatte auf Nachfrage des WSJ einen Kommentar zum Papier verweigert. Der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe habe gegenüber dem WSJ allerdings die Bedrohung der Luftverteidigung seines Landes eingeräumt. „Wenn wir den Kampf um den Himmel verlieren, werden die Folgen für die Ukraine sehr schwerwiegend sein“, zitiert ihn das Journal. „Jetzt ist nicht die Zeit zum Zögern.“ Allerdings ginge ihm zufolge auch die Munition für die S-300 und die Buk-Batterien zur Neige, wie er zugegeben hat.

Offenbar biete auch die optimierte SAMP/T NG keine Lösung für die Ukraine, wie ntv.de nahe legt. Demzufolge sollen bereits vom Vorgänger wenige Exemplare gebaut worden sein, und die Produktion der zu verschießenden Aster-Flugabwehrraketen soll lange dauern, beziehungsweise sollen die verfügbaren Mengen überschaubar sein, so ntv.de. Wie Defense Express berichtet, habe Frankreich vor der Unterstützung der Ukraine über ungefähr zehn SAMP/T-Einheiten verfügt, Italien über sechs. Der einzige Exportkunde Singapur habe die beiden 2013 bestellten System erst Ende 2023 für voll einsatzbereit erklärt, schreibt das Magazin weiter.

Nato produziert gegen Putin zu ineffizient: „Wir müssen sozusagen viel industrieller werden“

Auch die Aster-Raketen in ihren verschiedenen Ausführungen sind ein knappes Gut, obwohl sich Frankreich wohl geäußert hat, die Produktionsrate enorm zu steigern; allerdings scheint dieses Vorhaben an der „europäischen Lösung“ dieses komplexen Waffentyps zu kränkeln, wie die Financial Times (FT) von Éric Béranger erfahren hat: Sein Konzern „müsse sich noch stärker an eine Kriegswirtschaft anpassen, in der es zum ersten Mal seit Jahrzehnten auf Geschwindigkeit und Volumen ankomme“, wie der MBDA-Vorstandsvorsitzende gesagt hat.

Der große Nachteil der Aster-Rakete ist ihre fehlende Geschwindigkeit: die der Produktion. „Die unfertige Waffe wird für verschiedene Produktionsphasen mehrmals über die Alpen zwischen Frankreich und Italien transportiert, was sich Monate in die Länge zieht und kaum industriellen Nutzen bringt“, schreiben für die FT Leila Abboud und Sylvia Pfeifer. „Wir müssen sozusagen viel industrieller werden, um die Herausforderungen einer Produktionssteigerung zu bewältigen“, sagte Béranger der Financial Times.

Laut dem Spiegel hätten europäische Länder zuletzt 218 Aster-Raketen bestellt – für die Auftraggeber selbst eine zu geringe Menge für einen effektiven Schutz ihres Luftraumes. Der Ukraine bleibt demnach wenig mehr als ihr Trotz, wie Taras Chmut gegenüber dem Wall Street Journal geäußert hat. „Die technologische Entwicklung bestimmt das Schlachtfeld, nicht Amerika“, zitiert das WSJ den Leiter von Come Back Alive, einer Wohltätigkeitsorganisation, die die ukrainische Armee mit Waffen versorgt, wie das Blatt schreibt. „Amerika hinkt der modernen Kriegsführung hinterher. Europa hinkt der modernen Kriegsführung hinterher. Die Ukraine führt den Krieg der Zukunft.“

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