Mozart nutzte dieses Clavichord zum Üben und zum Komponieren seiner Spätwerke. Georg Nigl und Alexander Gergelyfi küssen das kostbare Instrument nun wach für eine einzigartige CD.
Als die ersten Töne erklangen, beugten sich viele unwillkürlich nach vorn. So zart, so silberglöckchengleich, so zerbrechlich schön war das, was aus dem Kasten drang. Ein Jahr ist das her, jenes spätabendliche Konzert hoch über Salzburg in der Edmundsburg. Jetzt, beim Hören dieser CD, prallt man zurück. So hart und harsch, so direkt und unwirsch hatte man die Ouvertüre zur „Zauberflöte“ nicht mehr im Sinn. Das Metall der Saiten schwingt, aber auch das Holz klappert nun vernehmlich mit.
Die Mikrofonierung macht‘s. Eine klangliche Vergrößerung, auch Vergröberung ist die Folge. Und man staunt erneut: über das originale Clavichord von Wolfgang Amadé Mozart, das für die Salzburger Festspiele plus anschließender Aufnahme wachgeküsst wurde. Man muss dieses Instrument allerdings so spielen können wie Alexander Gergelyfi. Ein Spezialist für historische Instrumente mit dem perfekten Sinn für Tastendruck, feines Vibrato (lässt sich anders am Klavier tatsächlich erzeugen!) und die unterschiedlichen Färbungen fast jedes einzelnen Tons.
Eigentlich gehört das kostbare Clavichord dem Mozarteum, 1844 kam es aus dem Nachlass von Franz Xaver Wolfgang, jüngstes Kind des Komponisten, in den Besitz des damaligen Dom-Musikvereins und der heutigen Stiftung. Kein Instrument für den öffentlichen Konzertgebrauch ist das, Mozart spielte darauf gern und für sich, vor allem komponierte er damit unter anderem die „Zauberflöte“ und „La clemenza di Tito“, ein Zettel von Constanze Mozart beweist dies.
Gergelyfi, der dieses Kleinod zum Klingen erweckt, ist der ideale Sparringspartner für Georg Nigl. Immer mehr kommt dieser Bariton ab vom klassischen Liederabend, verabscheut ihn sogar. Für seine Salzburger „Nachtmusiken“ konzipierte er mehrere Programme, auch heuer ist die Serenaden-Serie längst ausverkauft – nur 80 Zuhörerinnen und Zuhörer finden schließlich Platz. Mehr Intimität als beim Mozart-Projekt geht nicht. Wobei: Näher als mit einer solchen CD können uns Nigl und Gergelyfi nicht ans Ohr und auf den Pelz rücken.
Hochriskant ist das, weil man alles hört und weil sich beide klanglich quasi nackt machen. In Mozarts berühmtestem Lied, in der „Abendempfindung“, zeigt sich Nigl als Maximalist der Mini-Form. Intonation und Verzierungen sind musterhaft, das ist das eine. Man erlebt (nicht nur hier) aber auch eine Fülle an delikaten Nuancen, an behutsamen Übergängen und Atmosphärenzaubereien, und dies auf engstem Raum. Größere dynamische Expansion wird in der Kantate „Die ihr des unermesslichen Weltalls“ riskiert, wobei Mozart-Flüsterer Nigl das Pathos der Freimaurermusik unterläuft, andere Bedeutungsebenen öffnen sich.
Kein harmloser Papageno
Dieses Stück, auch „Das Lied der Trennung“ ist mit gut neun Minuten sehr lang. Man spürt davon nichts dank der Dispositionskunst von Nigl und Gergelyfi. Eine herb-süße Klage, die Frühromantisches ahnen lässt. Und ein weites Ausdrucksspektrum, in dem Frustration und wie auskomponiertes Schulterzucken nur zwei Affekte von vielen sind. Der Gegenpol: die intime Aufgekratztheit des „Kinderspiels“ oder „Die Alte“ als liebenswürdige, nie platte Karikatur.
Nicht nur in „Sehnsucht nach dem Frühlinge“ („Komm, lieber Mai, und mache...“) erfahren wir: Mozarts Naivität ist eine scheinbare. Auch in „Ein Mädchen oder Weibchen“ schwingt bei Nigl Ungewohntes mit, dieser Papageno ist alles andere als harmlos. Überhaupt ist das keine gängige Lied-Deutung. Weil das Clavichord so leise ist, bleibt auch Nigl am unteren Ende des Dynamikspektrums. Ein stufenlos verlängertes Sprechen ist sein Gesang, in hellen, fast tenoralen Valeurs – und in Dialektfärbung. Auch das macht die Sache nicht unbedingt netter, der Wiener an sich bewegt sich ja gern an Abgründen und jenseits davon. Dazu passt die Instrumentalauswahl. Gergelyfi spielt die c-Moll-Fantasie als morbide Ahnung. Und die letzte Nummer der CD endet offen: Nach acht Takten bricht das Lacrimosa aus Mozarts Requiem ab. Mehr Töne brachte das sterbende Genie bekanntlich nicht zu Papier.
Mozarts Clavichord. Georg Nigl, Alexander Gergelyfi (Alpha).