Problem mit anderem Frauenbild? - Luisa N. von Mann im Zug belästigt, mitgenommen sagt sie: „Sie machen, was sie wollen“
Luisa N. wirkt gefasst, aber die Erinnerung setzt ihr immer noch zu. „Ich möchte mich nicht verkriechen und alles in mich hineinfressen.“ Mit Tränen in den Augen erzählt die 49-Jährige von dem schlimmen Übergriff, den sie vor wenigen Wochen erlebte und an dessen Folgen sie immer noch laboriert.
„Ich will erreichen, dass Frauen besser geschützt werden“, sagt sie und berichtet von ihrer Zugreise, die mit einer schweren Verletzung endete.
„Er stank nach Marihuana und Alkohol und wollte meine Telefonnummer“
Es war ein dunkler Sonntagmorgen gegen 6 Uhr Anfang Februar. Luisa N. steht am entlegenen Bahnhof in Vaihingen/Enz. Nach dem Besuch bei einer Freundin in Kleinglattbach steigt sie in den Metropolexpress (MEX), der sie zunächst nach Bietigheim-Bissingen bringen soll. Ein Mann steigt mit ihr ein und setzt sich im ansonsten menschenleeren Zug direkt neben sie.
Die Begegnung wird unangenehm. „Er stank nach Marihuana und Alkohol und wollte meine Telefonnummer.“
Luisa N. bekommt Angst, sie steht auf - der Mann verfolgt sie
Luisa N. versucht, die plumpe Anmache zu ignorieren. „Er hatte dunkle Haare und Augen und redete im gebrochenem Deutsch, er war ein Araber – etwa Mitte 30, hatte einen Bart und trug einen hellgrauen Kapuzenpulli.“ Luisa N. bekommt Angst, sie steht auf und setzt sich auf einen anderen Platz. Der Mann verfolgt sie.
Die Fahrt über Sersheim und Sachsenheim nach Bietigheim kommt Luisa N. vor wie eine Ewigkeit. Der Mann bedrängt sie weiter, fragt immer wieder nach ihrer Telefonnummer. Endlich hält die Regionalbahn am Zielort.
Am Bahnsteig lässt der Verfolger aber nicht locker, zieht an ihrem Einkaufsrollator, fordert erneut: „Gib mir deine Telefonnummer.“
Luisa N., zusätzlich mit Tasche und Rucksack beladen, hält im Gerangel den Rollator fest. Plötzlich lässt der Angreifer los – das Opfer stürzt die Treppe hinunter. Bleibt reglos liegen.
„Hey, was soll das? Hilfe, Hilfe, Polizei!“
Die nächsten Minuten erlebt Luisa N. wie durch einen Schleier. Der Mann sei auf sie zugekommen, sie habe sich nicht bewegen können. „Dann kam von der anderen Seite ein Typ – zu dem hat er gerufen: ,Die können wir haben!’“
Luisa N. würde am liebsten weglaufen. Kann nicht. Plötzlich die kreischende Stimme einer jungen Frau: „Hey, was soll das? Hilfe, Hilfe, Polizei!“
Die Männer verschwinden, wenig später tauchen Polizisten auf, hören sich die Aussagen an. Luisa N. blutet später aus der Nase, verspürt einen Brechreiz.
Nach einigen Tagen informiert die Freundin aus Kleinglattbach die Redaktion über den Vorfall. Eine Nachfrage bei der Polizei ergibt: Es wurde kein solcher Fall zur Anzeige gebracht.
„Es war mein Fehler“, entschuldigt sich Luisa N. Sie habe gedacht, dass die junge Frau mit ihrer Aussage auch eine Anzeige in Gang gebracht habe. Sie sei durcheinander gewesen, habe nach dem Vorfall viel geschlafen. Luisa N. holt die Anzeige nach. Die Polizei bestätigt den Eingang.
Luisa N. ist nach dem Sturz immer noch in ärztlicher Behandlung
Der Arzt habe ihre Kopfverletzung untersucht, berichtet die Marbacherin, die derzeit eine Ausbildung als Lagerlogistikerin absolviert. „Im Gehirn ist Wasser – der Arzt sagt, es könnte bis zum Herzen vordringen.“
Den Kopf punktieren zu lassen, scheue sie, erzählt Luisa N., die vor 24 Jahren nach Marbach kam und mit ihrer 18-jährigen Tochter in einer Wohnung lebt. Nun warte sie ihren weiteren Zustand und die Ermittlungen ab.
„Man ist als Frau nicht mehr sicher. Sie machen, was sie wollen“
Sexuelle Belästigungen in der Öffentlichkeit nehmen zu, beobachtet die gebürtige Brasilianerin. Sie selbst sei bereits zuvor zweimal von Migranten auf offener Straße angepöbelt worden: einmal am Marbacher, ein andermal am Ludwigsburger Bahnhof, als sie zwei Afrikaner auf Englisch ansprachen, einer wollte ihr ins Haar fassen.
„Man ist als Frau nicht mehr sicher – früher bin ich noch abends in den Supermarkt gegangen: Das ist jetzt nicht mehr möglich.“
Nur noch mit Pfefferspray in der Handtasche unterwegs
Für Luisa N., die wegen ihrer Heirat nach Deutschland kam, hängen die Veränderungen mit den Begleitumständen der Migration zusammen. „Sie machen, was sie wollen“, sagt sie über die Männer, die auf der Straße Frauen belästigen und sexuell übergriffig werden.
Luisa N., die inzwischen nur noch mit Pfefferspray in der Tasche das Haus verlässt, hat auch Angst um ihre Tochter, die mit der Bahn zur Schule nach Backnang fährt.
Mehr Sicherheit für Frauen im Zug, aber auch in anderen Bereichen der Öffentlichkeit – das fordert Luisa N. „In anderen Ländern gibt es viel mehr Kameras. Warum ist hier der Datenschutz wichtiger als der Schutz von Menschen?“
Dass Straftäter wüssten, wo Videokameras filmten und sich dann andere Orte suchten, ist Luisa N. bewusst. Eine hundertprozentige Sicherheit gebe es wahrscheinlich nie.
Für Luisa N. ist das Frauenbild der Täter ursächlich
Ob ihr das Widerfahrnis nicht auch mit einem Deutschen hätte passieren können? Luisa N. räumt eine gewisse Wahrscheinlichkeit ein, hält jedoch die kulturellen Hintergründe der Zugewanderten trotzdem für die Hauptursache.
„Diese Männer kommen aus Ländern, in denen Frauen nichts zählen: Dort dürfen sie weder zur Schule gehen, sich mit Freundinnen treffen, noch sonst irgendetwas.“
Viele Männer aus diesen Kulturkreisen, so ihr Eindruck, schafften es nicht, Frauen angemessen zu behandeln.
Brennpunkt Bietigheimer Bahnhof
Mehr Straftaten
Am Bahnhof von Bietigheim-Bissingen hatten sich im Dezember und Januar neun Fälle von Raub mit gefährlicher Körperverletzung ereignet. Die Polizei reagierte mit erhöhter Präsenz. Das geht aus dem Bericht des Revierleiters Volker Kehl im Gemeinderat hervor. Ähnliche Straftaten hatten sich im Berichtsjahr 2023 auf 19 summiert. Insgesamt ereigneten sich dort in dem Jahr 102 Straftaten.
Erhöhte Präsenz
Die Polizei bildete am 30. Dezember eine Ermittlungsgruppe und reagierte mit massiver Präsenz. Seitdem ist es nach Angaben von Kehl ruhiger geworden. Die SPD stellte im Februar den Antrag für eine Video-Überwachung am Bahnhof. Laut Kehl werden dafür derzeit Daten gesammelt. Polizei und Bereitschaftspolizei behielten die Präsenz bei.
Von Oliver von Schaewen
Das Original zu diesem Beitrag "„Ich war allein mit ihm im Zug“ – Frau belästigt, verfolgt, verhöhnt" stammt von Stuttgarter Zeitung.