Riesiges Sanierungsprojekt der Deutschen Bahn startet – monatelange Sperrung

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Ab Montag, 15. Juli, wird die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim komplett gesperrt. Infos zu Umleitungen, Ersatzverkehr und Bauarbeiten.

Frankfurt – Die letzten Vorbereitungen laufen: Busfahrerinnen und Busfahrer sowie Baustellenkräfte werden geschult, Schallschutzwände aufgestellt und hinter dem Aldi-Markt im südhessischen Gernsheim türmen sich bereits Berge von Schotter. Dort befindet sich das mit sechs Hektar Fläche größte von drei Materiallagern für die anstehende Generalsanierung der Riedbahn.

Ein Projekt, dass es in dieser Form noch nicht in Deutschland gegeben habe, und das eine Blaupause für weitere Sanierungsprojekte der Deutschen Bahn in den nächsten Jahren sei, wie Gerd-Dietrich Bolte, Leiter der Infrastrukturprojekte Mitte bei der Bahntochter DB Infrago kürzlich bei der Eröffnung eines Infopoints in Gernsheim sagte. Warum Gernsheim?

Der 11.000-Seelen-Ort im südhessischen Kreis Groß-Gerau liegt in der Mitte der 70 Kilometer langen Bahnstrecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Diese wird ab kommendem Montag, 15. Juli, 23 Uhr, für fünf Monate bis 14. Dezember komplett gesperrt. In dieser Zeit werden unter anderem Weichen, Gleisbett, Oberleitung und Stationen erneuert. Das Gebäude des neuen Stellwerks in Gernsheim ist bereits fertig, aber noch nicht technisch ausgestattet.

Der Ersatzverkehr ist bereit: DB-Busfahrerin Elma Midzic an ihrem neuen Arbeitsplatz.
Der Ersatzverkehr ist bereit: DB-Busfahrerin Elma Midzic an ihrem neuen Arbeitsplatz. © dpa

Sperrung der Riedbahn: 150 Busse, neue Strecken

Die Riedbahnstrecke ist der erste von 41 Schienenabschnitten, die die Bahn bis 2030 deutschlandweit sanieren will. Und sie ist eine der meistgenutzten Strecken. Mehr als 300 Fern-, Nah- und Güterverkehrszüge verkehren dort. Allein im Personennahverkehr sind täglich rund 16.000 Reisende betroffen. Diese sollen den eigens dafür eingerichteten Busersatzverkehr nutzen. Erkennbar ist er an der purpurrosa Farbe der Busse.

Da für die 150 eingesetzten Überland- und Gelenkbusse neue Routen konzipiert wurden, deren Haltepunkte nicht unbedingt die Bahnhöfe sind, weisen ebenfalls purpurrosafarbene Schilder den Weg zur jeweiligen Haltestelle. Zur Orientierung tragen die Busse dieselben Bezeichnungen wie die Bahn, die sie ersetzen.

„Es ist der beste und kinderleichteste Ersatzverkehr, den wir jemals organisiert haben“, sagt Felix Thielmann, Leiter des Ersatzverkehrs bei der Bahn-Tochter DB Regio. Die Fahrzeit wird sich dem Vernehmen nach im Nahverkehr im Schnitt um 20 Minuten, im Fernverkehr um 30 Minuten verlängern.

Streckenverlauf von Riedbahn (rote Linie) und den Parallelstrecken Ludwigsbahn und Main-Neckar-Bahn (gelbe Linien).
Streckenverlauf von Riedbahn (rote Linie) und den Parallelstrecken Ludwigsbahn und Main-Neckar-Bahn (gelbe Linien). © FR

Sperrung der Riedbahn: Buspersonal aus 14 Ländern

Allerdings komme das auf die jeweilige Route an, sagt Thielmann. Manche Strecken würden sich verkürzen, etwa von Riedstadt nach Darmstadt, weil der Ersatzbus hier direkt fahre, was die Regionalbahn bisher nicht tat. Das sei möglicherweise eine Änderung, die die Fahrgäste hinterher vermissen würden.

Generell tue man alles, um ein Abwandern der Kundschaft in den Individualverkehr zu verhindern. So seien die Busse alle barrierefrei, hätten WLAN, USB-Ladebuchsen, Gepäckfächer und Gurte. Der RE 70 auf der längsten Strecke zwischen Mannheim und Frankfurt habe auch eine Toilette.

Für die Ersatzbusse wurde Personal benötigt, das sowieso im öffentlichen Nahverkehr fehlt. Deshalb habe man 400 Kräfte im europäischen Ausland akquiriert, die unbefristete Verträge erhalten hätten und in 300 Wohnungen untergebracht wurden, so Thielmann. Die Leute aus 14 verschiedenen Ländern seien zwar intensiv geschult worden, allerdings dürfe man nicht erwarten, dass sie fließend Deutsch sprechen. Dafür gebe es deutschsprachige Ansagen in den Fahrzeugen sowie 60 bis 100 Lots:innen, die den Reisenden „proaktiv“ helfen sollen.

Übersicht des Busersatzverkehrs.
Übersicht des Busersatzverkehrs. © FR/DB

Sperrung der Riedbahn: Lehren aus Januar-Sperrung

In den vergangenen Wochen ist die Bahn mit einem Infomobil durch zwölf Kommunen getourt und hat Fahrgäste und Anwohnende über die Maßnahme und die Umleitungen informiert. Das Interesse sei sehr groß gewesen. Insgesamt seien mehr als 1200 Leute gekommen, sagt Julia Katzenbach-Trosch, Leiterin Kommunikation.

Außerdem wurde der gesamte Ersatzverkehr kürzlich mehrere Tage im Probebetrieb ohne Fahrgäste getestet, Feinheiten im Fahrplan wurden nachjustiert. Bei der Bahn ist man zuversichtlich, dass alles klappen wird.

Bereits die dreiwöchige Sperrung der Riedbahn im Januar sei gut gelaufen und von den Menschen gut aufgenommen worden, sagt Gernsheims Bürgermeister Peter Burger (CDU). Auch der Fahrgastbeirat zog eine positive Bilanz, „das große Chaos“ sei ausgeblieben, allerdings müsse die Kommunikation verbessert werden.

Die Bahn will ihre Hausaufgaben gemacht haben. Laut Thielmann sollen jetzt alle Ankunfts- und Abfahrtszeiten der Ersatzbusse in Echtzeit übertragen werden, sodass Fahrgäste sehen könnten, „wann kommt mein Bus wirklich?“. Auch der jetzt eröffnete Infopoint in der Gernsheimer Innenstadt steht im Zeichen der Kommunikation. Er soll eine Anlaufstelle für Betroffene und Interessierte sein. An großen Wandbildschirmen wird dort das gesamte Projekt erklärt.

Durchfahrt am Bahnhof Gernsheim: Die letzten Züge fahren auf der Riedbahn.
Durchfahrt am Bahnhof Gernsheim: Die letzten Züge fahren auf der Riedbahn. © Claudia Kabel

Sperrung der Riedbahn: Fern- und Güterzüge betroffen

Betroffen von der Totalsperrung ist nicht nur der Personennahverkehr. Fern- und Güterzüge müssen auf die parallel verlaufenden Strecken – Ludwigsbahn und Main-Neckarbahn – ausweichen. Damit es dort nicht zu Behinderungen durch die höhere Zahl an Zügen kommt, soll eine „Harmonisierung der Geschwindigkeit mehr Durchfluss bringen“, sagt Bolte. „Es ist das erste Mal, dass wir so etwas konsequent machen.“

Konkret bedeutet das: Alle Züge fahren mit einer Geschwindigkeit von 160 Kilometern pro Stunde. Da die langsameren S- und Regionalbahnen da nicht mithalten können, fahren sie zu bestimmten Tageszeiten seltener und halten auch an weniger Bahnhöfen. Auf der Main-Neckar-Bahn via Darmstadt gibt es gar keine Regionalbahnen mehr.

Sperrung der Riedbahn: Fragen und Antworten rund um die Totalsperrung

Regionalexpresse werden zudem verlängert, können dann bis zu 800 Fahrgäste aufnehmen. Die schnelleren ICE werden auf die Geschwindigkeit der Güterzüge gedrosselt. Durch das Aufrechterhalten des Verkehrsflusses solle weniger Beeinträchtigungen geben, sagt Bolte. Denn Verspätungen, die hier entstehen, wirken sich laut Bahn „wie ein Dominoeffekt auf das gesamte Netz aus“.

Kritiker:innen der Sanierung mit Totalsperrung, etwa das Bündnis Bürgerbahn, befürchten, dass es zu einem „Fiasko“ kommen wird. Der Verein „Die Güterbahnen“ erwartet Mehrkosten für Unternehmen des Güterverkehrs und eine Abwanderung auf die Straße. Bolte empfiehlt allen, „erst mal abzuwarten“. (Claudia Kabel)

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