„Eskalationsstufe zünden“: So kann die EU Trump und Freunde im Zollstreit „enorm unter Druck setzen“
Die EU-Kommission äußert sich im Handelskrieg mit den USA weiter gemäßigt. EU-Abgeordnete schlagen einen anderen Ton an.
Brüssel – Der Vorsitzende des EU-Handelsausschusses, Bernd Lange (SPD), hat sich offen für Abgaben gegen US-Digitalunternehmen gezeigt – als Reaktion auf die neuen Zoll-Drohungen des US-Präsidenten Donald Trump. „Digitalabgaben wären eine enorme Eskalationsstufe. Wir werden diese zünden, sollten wir zuvor keine Lösungen mit der US-Seite finden“, sagte er der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.
Diese Maßnahme hätte „enorme politische Konsequenzen“, weil sie vor allem „Trumps besondere Freunde treffen würde“, so Lange. Damit meint er unter anderem die Tech-Milliardäre Peter Thiel und Jeff Bezos. Nicht mehr zu Trumps Verbündeten zählt Tesla-CEO Elon Musk, der nach einem öffentlichen Streit mit dem US-Präsidenten mittlerweile die Gründung einer eigenen „America“-Partei angekündigt hat.
Vor möglichen Digitalabgaben würde die EU zwei bereits ausgearbeitete Listen mit Gegenzöllen in Kraft treten lassen – wenn die Europäische Union bis August keine Vereinbarung im Zoll-Streit mit den USA findet, wie Lange sagte.
Zoll-Krieg mit Trump: EU bereitet Gegenmaßnahmen vor
Die erste Liste – unter anderem mit Agrargütern, Motorrädern und stahlbezogenen Produkten – hat einen Umfang von 22 Milliarden Euro und wäre am Montag eigentlich in Kraft getreten. Um möglicherweise doch noch eine Einigung im Handelskrieg zu erzielen, setzte die EU-Kommission diese Maßnahme aus.
Eine zweite fertige Liste umfasst Waren im Wert von 72 Milliarden Euro. Neben einer Erweiterung um einige Produkte – unter anderem aus den Agrar- und Textilsektoren – sieht dieses Paket insbesondere Abgaben auf US-Schrottimporte aus der EU vor. „Damit können wir die USA enorm unter Druck setzen, weil es in den Vereinigten Staaten fast nur Elektrostahlöfen gibt und die US-Unternehmen erhebliche Schrottmengen aus Europa importieren“, sagte Lange.
Er zeigte sich sehr überrascht von Trumps Zoll-Ankündigung am Wochenende. „Eigentlich lag in der Luft, dass wir uns mit der US-Seite auf einen Entwurf mit vorläufigen Rahmenvereinbarungen einigen können“, erklärte der Handelsexperte. Dies hätten auch die US-Verhandlungsführer Howard Lutnick, US-Handelsminister, und Jamieson Greer, US-Handelsbeauftragter, signalisiert. „Aber offenbar hat der Entwurf Trump nicht überzeugt“, vermutete Lange.
Trump-EU-Zölle: Worin das größte Problem für eine Einigung besteht
Er hofft dennoch, dass beide Seiten eine Lösung finden. Beispielsweise, indem die EU vermehrt US-Produkte – unter anderem aus dem Energiesektor – kauft und über eine Einigung auf die Angleichung von Zertifizierungsprozessen.

Das größte Problem für eine Zoll-Einigung könnte darin liegen, dass Trumps Motive vor allem innenpolitischer Natur sind. „Mit seinem Steuergesetz hat er den US-Haushalt massiv geschwächt. Diese finanziellen Verluste will Trump nun mit den extrem unfairen Zöllen ausgleichen“, sagte Lange. Im Jahr 2024 hätten die USA mit Zöllen auf EU-Waren 7 Milliarden Dollar eingenommen. Wenn man die nun angedrohten Zölle für das aktuelle Jahr hochrechnet, käme man auf 100 Milliarden Dollar. „Das können wir nicht akzeptieren“, betonte Lange.
Sein Parteifreund Udo Bullmann (SPD) findet Trumps Vorgehen nicht nur „respektlos“: „Sondern es untergräbt auch das Vertrauen in die USA als verlässlichen Partner“, sagte das EU-Ausschussmitglied für internationalen Handel der Frankfurter Rundschau von IPPEN.MEDIA.
EU-Handelsexperte: Trumps Drohungen sind „eine unverhohlene Provokation“
Trumps Brief stelle „eine unverhohlene Provokation dar und markiert eine neue Eskalationsstufe im Handelskonflikt“, sagte Bullmann und fügte hinzu: „Trotz wochenlanger intensiver Verhandlungen und zahlreichen Zugeständnissen seitens der EU reagiert die US-Seite mit unverhältnismäßigen Drohungen und Strafzöllen.“

Die bisherige Kooperationsstrategie zeige deutlich ihre Grenzen. Europa könne es sich nicht leisten, auf Entspannungen im Handelskonflikt zu hoffen, „während Trump mit solchen Handelsbarrieren weiterhin seine Egoismen inszeniert“, meint der Sozialdemokrat. Nun müsse die EU konsequente Vorbereitungen treffen, um ihre wirtschaftliche Souveränität zu schützen und die USA zurück an den Verhandlungstisch bringen.
Trotz laufender Gespräche hatte Trump am Samstag Zölle in Höhe von 30 Prozent für Waren aus der EU angekündigt, die ab August gelten sollen. Daraufhin erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Union bleibe trotz der Drohungen bereit, bis zum 1. August an einer „Vereinbarung“ zu arbeiten. Bereits vorbereitete EU-Gegenzölle blieben bis dahin ausgesetzt.
McAllister sieht EU im Handelskonflikt mit Trump auf „alle Szenarien vorbereitet“
Ähnlich sieht es von der Leyens Parteifreund David McAllister (CDU): „Ein ausgehandeltes Ergebnis bleibt der beste und verantwortungsvollste Weg für beide Seiten. Daher ist die Kommission bereit, den Dialog mit der US-Regierung bis zum 1. August fortzusetzen“, sagte der EU-Abgeordnete der Frankfurter Rundschau.
Die EU-Kommission habe Trumps Zoll-Ankündigung „mit Bedauern und Enttäuschung zur Kenntnis genommen – insbesondere angesichts des fortgeschrittenen Stands der laufenden Verhandlungen“, sagte der ehemalige Ministerpräsident Niedersachsens.
EU erzielt neues Handelsabkommen
Der CDU-Politiker sieht die Europäische Union „auf alle Szenarien vorbereitet – einschließlich verhältnismäßiger Gegenmaßnahmen, falls erforderlich. Entscheidend ist, dass die EU geeint bleibt“, so McAllister. Neben den Zoll-Verhandlungen mit den USA müsse die EU gleichzeitig ihre Handelsbeziehungen diversifizieren und vertiefen. Die vor wenigen Tagen erzielte „politische Einigung mit Indonesien über ein umfassendes Wirtschaftsabkommen“ sei ein „aktuelles Beispiel für die breiter angelegte Strategie“, sagte das Mitglied der EVP-Fraktion.
Die EU-Kommission und Indonesien hatten am Sonntag eine Einigung über ein Handelsabkommen erzielt, das seit 2016 verhandelt wurde. Das Abkommen wird den Marktzugang für Waren und Dienstleistungen verbessern, ausländische Direktinvestitionen fördern und die Versorgung mit kritischen Rohstoffen erleichtern. Auch die gemeinsame Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen, wie der Schutz des Regenwaldes und die Begrenzung des Klimawandels, ist Gegenstand des Vertrages. Angesichts der zunehmenden Spannungen im Handelsbereich mit den USA bemüht sich die EU verstärkt um den Ausbau weltweiter Handelsbeziehungen. (Jan-Frederik Wendt)