Die Bayerische Forstverwaltung erstellt alle drei Jahre für die rund 750 bayerischen Hegegemeinschaften (HG) Forstliche Gutachten zur Situation der Waldverjüngung (umgangssprachlich: Verbissgutachten). Dabei wird entlang festgelegter Rasterpunkte ermittelt, wie viel Baumnachwuchs da ist und wie viel davon Schäden durch Reh- und Rotwild aufweist.
Oberhausen - Denn oberstes Prinzip im Waldgesetz ist: Der Wald muss ohne Hilfe „aufwachsen“ können, was allein schon im wirtschaftlichen Interesse der Grundeigentümer liegt. Anpflanzen durch den Menschen, Einzäunung und Einzelpflanzenschutz kosten Geld und sind im großen Stil nicht zu leisten. Von diesem Verbissgutachten hängt dann ab, wie viel Reh- und Rotwild in den einzelnen Jagdrevieren geschossen werden muss (Abschussplan).
Im Landkreis Weilheim-Schongau gibt es zwölf Hegegemeinschaften mit 215 Jagdrevieren, die in Jagdgenossenschaften (Waldbesitzer = Jagdgenosse) organisiert sind. Einmal im Jahr treffen sich deren Vorstände auf Einladung der Unteren Jagdbehörde zur Dienstbesprechung, um sich über die Belange von Wald und Jagd auszutauschen.
Vor rund 80 Jagdvorstehern sowie Vertretern von Forstämtern, Gemeinden und Jägern erläuterte vergangene Woche Christine Achhammer, stellvertretende Behördenleiterin und Bereichsleiterin Forsten beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Weilheim, das Ergebnis des Verbissgutachten 2024 für den Landkreis.
Zu hoher Verbiss
Ihre Quintessenz: „Wir dümpeln seit Jahren auf gleichem Niveau. 67 Prozent der Weilheim-Schongauer Hegegemeinschaften haben einen zu hohen Verbiss, nur die HGs Wessobrunn und Penzberg sind seit Jahren tragbar. Irgendwas funktioniert da gut.“ Gerade vor der Problematik, dass „in 30 Jahren die Bäume hier dem Klima nicht gewachsen sein werden“, empfiehlt das AELF Weilheim, den Abschuss im Landkreis teilweise zu erhöhen. Denn die Jagd, so Achhammer, sei „mitverantwortlich, dass der Umbau gelingt“.
Heißt im Klartext: Wald vor Wild. Dementsprechend erstellt die Untere Jagdbehörde für jedes einzelne Revier einen jährlichen Abschussplan, den die Revierpächter, die Jäger, erfüllen müssen. Früher genügte dafür die Aussage seitens der Jäger, wann sie wo welches Stück Wild geschossen haben. Heute läuft das je nach Jagdgenossenschaft über den sogenannten körperlichen Nachweis ab: Der Jäger fährt zu einem Ansprechpartner und zeigt ihm oder ihr das geschossene Tier, das dann in eine Liste eingetragen wird.
Vorstand der Jagdgenossenschaft Bernbeuren, Hermann Kleber, ist von diesem System überzeugt. Mit dem körperlichen Nachweis könne bei den Abschusszahlen nicht mehr geschummelt werden.
„Reh nicht ausrotten“
Und dass ein generell höherer Abschuss dem Wald zugutekomme, zeige sich in den forstlichen Gutachten der letzten Jahre. „In Bernbeuren sind wir jetzt grün, die Verbissbelastung ist tragbar.“ Dennoch möchte Kleber „das Reh nicht ausrotten“. Der Wald solle sein Lebensraum bleiben. „Ich spreche da lieber von Wald mit Wild oder Wald und Wild.“
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Dass der körperliche Nachweis per Allgemeinverfügung von der Unteren Jagdbehörde angeordnet wird, wünschten sich einige Anwesende. Dies lehnte Behördenleiter Helmut Stork ab: „Das kann behördlich nicht einfach so festgelegt werden. Dafür haben wir auch nicht das Personal.“ Man werde das aber mit dem Jagdbeirat diskutieren. Stork betonte auch die Wichtigkeit des Vertrauensverhältnisses Waldbesitzer – Jäger. „Kommunikation ist unabdingbar.“ Man sei hier aber generell auf einem guten Weg.
Pächterwechsel und Eigenbewirtschaftung
Ein weiteres Thema waren die Erfahrungen in der Eigenbewirtschaftung. Eine Jagdgenossenschaft kann sich entscheiden, ihr(e) Jagdrevier(e) nicht mehr an einzelne, oft auswärtige Jäger, zu verpachten, sondern den Abschuss selbst zu managen. (Vergleich: Eigentümer einer Gaststätte verpachtet nicht an einen Wirt, sondern stellt einen Koch ein und muss fürs Essen alles selbst organisieren). Das sei zwar kein Allheilmittel, um hohen Verbiss zu reduzieren, aber man könne schneller eingreifen, so die Meinung einiger Jagdvorsteher.
Laut Stork gehe die Tendenz aber eher zu kürzeren Pachtverträgen der einzelnen Jagdreviere. Eigentlich müsste ein Rehwildrevier per Jagdgesetz für neun Jahre verpachtet werden. Eine Laufdauer von fünf bis drei Jahren oder noch kürzer ist aber auch möglich und wird immer mehr vertraglich vereinbart, inklusive Sonderkündigungsrechte.
Dass der Wolf da ist, wurde nicht in Frage gestellt. Eher wie man mit nicht beobachtbaren Reh-Rissen durch das Raubtier umzugehen hat. „Der Wolf wird mir ja kaum einen körperlichen Nachweis bringen“, meinte ein Fragesteller schmunzelnd. Die Antwort vom Jagdbehörden-Chefs: „Der Abschussplan für Wild ist vom Jäger zu erfüllen.“ Bei Beweis könne man eventuell eine Minderung beantragen, die dann geprüft würde.
Wolfabschuss ist eine Straftat
Wie viele Wölfe sich im Landkreis wo aufhalten, darüber gebe es laut Stork keine verlässlichen Zahlen. Eine Erklärung für die Beobachtung von Landwirten, dass vermehrt Rehe den Tag über im Feld statt im Wald stehen und ob das etwas mit dem Wolf zu tun hat, habe er nicht. In diesem Zusammenhang kam man auf „die Drei-S-Regel“, über die in der Tagespresse geschrieben wurde: Schießen, Schaufeln, Schweigen.
Kreisjagdverbandsvorsitzende Florian Pfütze (Weilheim)nahm dazu ganz klar Stellung: „Einen Wolf zu schießen ist eine Straftat. Wir Jäger verwehren uns gegen solche Unterstellungen.“ Diese Berichte seien ein Unding. Wenn der Staat einen Wolfsabschuss wolle, müssten Gesetze geändert werden. „Vorher machen wir gar nichts!“
Präsident des Bayrischen Jagdverbandes Ernst Weidenbusch war anscheinend als Gast bei der Dienstbesprechung unerwünscht, wohl aber anwesend. Keine Begrüßung, keine Vorstellung. Der Chef der bayrischen Jäger kann das auf Anfrage des Kreisboten nicht nachvollziehen: „Hier geht es um jagdliche Belange. Der Sinn dieser Versammlung ist doch, beide Seiten – Waldbesitzer und Jäger – zu informieren. Und nicht einseitig Stimmung gegen den anderen zu machen.“ Daher möchte man von Seiten des Jagdverbandes schnellstmöglich in einen Austausch auf Augenhöhe kommen. Auf den kommenden Hegeschauen für Weilheim und Schongau sind gemeinsame Treffen geplant.
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