„Fürchterliche Szenerie“ nach Bluttat in Murnau: Prozess wegen Mordverdachts in zwei Fällen hat begonnen

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Mit einer grünen Mappe verbirgt der Angeklagte beim Prozessbeginn sein Gesicht. Rechts beugt sich sein Anwalt Uwe Paschertz über ihn. © Peter Kneffel/dpa

Der Prozess wegen Mordverdachts in zwei Fällen hat am gestrigen Montag begonnen. Der angeklagte Russe gestand, die beiden Ukrainer in Murnau getötet zu haben. Sein Vorstrafenregister ist lang.

München/Murnau – 27. April 2024, später Nachmittag: Die Polizeibeamten kommen gerade von einem anderen Einsatz. Ihre Autos stehen an der Ampel am Murnauer Tengelmann-Center. Die Beamten sehen dort ein Rettungsfahrzeug mit Blaulicht stehen. Ein Sanitäter versucht, die Polizisten auf sich aufmerksam zu machen. Diese fahren in den Untermarkt. „Der Rettungssanitäter winkt immer noch extrem hektisch“, erzählt eine Beamtin der Polizeiinspektion Murnau am Montag im Strafjustizzentrum München. Sie und Kollegen erreichen den Tatort. „Von da an waren wir in einem ganz anderen Film“, schildert die 45-Jährige. „Es war grauenhaft, unfassbar viel Blut.“ Die Gedanken rasen. „Es war kurzfristig totales Chaos in meinem Kopf.“ Vom Tatort führt eine Spur weg, „als hätte da jemand beim Weglaufen vor sich hingetropft“. Die Situation ist zu dem Zeitpunkt jedoch unübersichtlich. Das Blut hätte auch von einem weiteren Opfer stammen können. Das Areal wird abgesperrt, damit „keine anderen in diese fürchterliche Szenerie reinlaufen“, sagt die Polizistin. „Den Anblick möchte man keinem zumuten.“

Die Beamtin wird im Strafjustizzentrum als erste in den Zeugenstand gerufen. Vor Gericht steht Iouri J. Der 58-jährige Russe wird verdächtigt, am besagten 27. April zwei kriegsversehrte Ukrainer ermordet zu haben: Volodymyr K. (35) und Viacheslav B. (23). Der Angeklagte selbst äußert sich nicht. Sein Anwalt Uwe Paschertz verliest eine schriftliche Stellungnahme. Darin gesteht der Russe, den Tod der beiden verursacht zu haben. Er sagt, dass er die Tat bereue. Oberstaatsanwalt Maximilian Laubmeier hält fest, dass der Beschuldigte einem übersteigerten russischen Nationalismus anhänge und den Krieg gegen die Ukraine befürworte.

Etwa 25 Menschen finden sich im Sitzungssaal B 266 ein, als Thomas Bott, Vorsitzender des Schwurgerichts, den Fall aufruft. Es sind vorwiegend Journalisten, sie wollen über den Prozessauftakt am Landgericht München II berichten. Das Vorstrafenregister des Angeklagten ist lang. 17 Einträge umfasst es. Gewalt- und Verkehrsdelikte sind darunter, aber auch Diebstahl, vorsätzlicher Vollrausch und Hausfriedensbruch. Der 58-Jährige hat bereits längere Zeit im Gefängnis verbracht. Er ist gelernter Kraftfahrer, zuletzt ist er als Arbeiter tätig gewesen. Vor Gericht trägt Iouri J. eine schwarze Jacke und einen dunkelblauen Kapuzenpullover.

Wehrdienst in der Sowjetarmee

Nach dem mutmaßlichen Mord in Murnau wird er in die JVA München gebracht. Dort unterzieht ihn ein psychiatrischer Sachverständiger einer Untersuchung. Demnach hat er zwei Geschwister, einen Sohn und sympathisiert mit der AfD. Er leistet seinen Wehrdienst in der Sowjet-Armee, ist in der DDR stationiert. Er sei desertiert, heißt es. Anfang der 1990er Jahre kommt er nach Deutschland, stellt einen Asylantrag. Dieser wird letztlich abgelehnt, Iouri. J. wird geduldet. 2001 wird er wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Er hatte in der JVA Landsberg einen anderen Gefangenen zusammengeschlagen.

Ab 2014 arbeitet er für ein paar Jahre in Murnau. Die beiden ukrainischen Soldaten, deren schwere Verletzungen in der Unfallklinik behandelt worden waren, sitzen öfters an einem Rondell am Tengelmann-Center. Der Russe stößt regelmäßig dazu. Der Krieg ist natürlich ein Thema. „Dabei waren wir anderer Meinung“, heißt es in der Stellungnahme des Angeklagten. Es sei aber nie zu einer körperlichen Auseinandersetzung gekommen. Beleidigungen gehen demnach hin und her. Die Männer trinken viel, Bier und Wodka sind dabei im Spiel.

Der 27. April, an dem es eskaliert, ist ein warmer, sonniger Tag. Es hat etwa 20 Grad. Alle drei Männer konsumieren am Tengelmann-Center erneut sehr viel Alkohol. Der Russe wird angeblich mehrfach von den Ukrainern beleidigt. „Sie setzten immer noch eins drauf.“ Iouri J. geht nach Hause, holt sein Outdoor-Messer, das eine 14 Zentimeter lange Klinge hat. Dann kehrt er zum Rondell zurück. Die Sicherungen brennen durch. Oberstaatsanwalt Laubmeier wirft dem Russen vor, dem einen Ukrainer viermal in den Hals gestochen zu haben und dem anderen siebenmal, wobei jener auch noch am Rücken und anderen Stellen getroffen wurde. Der Prozess wird am kommenden Montag, 17. Februar, um 9.30 Uhr fortgesetzt.

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