Nächste Bodenoffensive im Nahen Osten? Türkei verstärkt Angriffe gegen PKK in Syrien und Irak

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Türkische Soldaten und verbündete syrische Rebellen bei einer Militäroperation gegen die YPG. © Nazeer Al-khatib / AFP

Die Türkei greift in Syrien und Irak an. Der Terror-Anschlag in Ankara könnte eine neue türkische Bodenoffensive gegen syrisches Territorium auslösen.

Ankara – Immer wieder greifen türkische Drohnen und Artilleriebatterien sporadisch Stellungen der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und dessen syrischen Ableger YPG im Norden von Syrien an. Im Nachbarland Irak hingegen gibt es deutlich öftere und schlagkräftigere militärische Handlungen. Der Terror-Anschlag gegen den türkischen Luft- und Raumfahrtkonzern Tusas hat diese Angriffe nun zusätzlich verstärkt: Die türkische Armee schaltete als Reaktion auf die Attacke einen Gang hoch.

Terror-Anschlag in Ankara: Türkei fliegt Vergeltungsangriffe in Syrien und Irak

Seit Mittwoch (23. Oktober) attackieren türkische Kampfflugzeuge, bewaffnete Drohnen und Artillerie fast ständig dutzende Städte und Siedlungen im Norden von Syrien. Die beschossenen Gebiete liegen unter Kontrolle der PKK und der YPG-Miliz. Laut einer Mitteilung des türkischen Verteidigungsministeriums wurden bislang etwa 157 Ziele zerstört und dutzende Milizen getötet.

Die beiden Täter des tödlichen Anschlags in Ankara sind türkischen Regierungsangaben zufolge aus Syrien in die Türkei gekommen. „Wir haben erfahren, dass sich dieser Terroranschlag als Infiltrationsbewegung aus Syrien heraus entwickelt hat“, hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Freitag auf seinem Rückflug aus dem russischen Kasan, wo er am Brics-Gipfel teilgenommen hatte, betont.

Mit Blick auf die auf den Anschlag folgenden türkischen Vergeltungsangriffe auf Stellungen der PKK in Syrien und im Irak sagte Erdogan: „Es ist offensichtlich, dass die Terroristen einen sehr hohen Preis gezahlt haben.“

Türkische Armee und Geheimdienst greifen PKK an: Munitionsdepots und Versammlungsorte im Visier

Innenminister Ali Yerlikaya hatte am Donnerstag mitgeteilt, dass die beiden Attentäter, darunter eine Frau, als PKK-Mitglieder identifiziert worden seien. Die PKK kämpft seit 1984 für mehr kurdische Autonomie und gegen den türkischen Staat; sie wird von Ankara und seinen westlichen Verbündeten wie den USA und der EU als Terrororganisation eingestuft.

Bei den türkischen Angriffen werden fast alle größeren Städte unter Kontrolle des syrischen PKK-Ablegers YPG östlich des Euphrat-Flusses ins Visier genommen: Von Ain al-Arab im Westen bis hin zu Amude weiter im Osten. Die türkische Armee und der Geheimdienst gaben an, Munitionsdepots und logistische Lager sowie Versammlungsorte der Milizen angegriffen zu haben. Gleiches gilt auch im Irak.

Türkische Bodenoffensive in Syrien möglich: Erdogan will „Bedrohung“ beenden

Die schweren türkischen Angriffe heizten auch erneut die Spekulationen über die nächste mögliche Bodenoffensive im Nahen Osten an. Ankara hat bislang viermal militärisch in Syrien eingegriffen, dabei dreimal direkt gegen die YPG. Zuletzt drohte Erdogan abermals damit, die „Bedrohung“ aus Syrien endgültig beenden zu wollen. Der letzte Eingriff war im Jahr 2019 erfolgt.

Seither schmiedete die Türkei oft Pläne für eine weitere Bodenoffensive. Hierfür waren auch Bodentruppen und militärische Ausrüstung im großen Stil an die Grenze verlegt worden. Außerdem wurden immer wieder Treffen mit verbündeten syrischen Rebellen abgehalten, um sie zur Unterstützung des türkischen Militärs vorzubereiten.

Allerdings wurden die Pläne immer wieder abgesagt beziehungsweise verschoben. Denn wegen der aktuellen, politischen Lage gestaltet es sich für die Türkei schwer, in Syrien ohne weiteres eine Bodenoffensive durchzuführen. Im Norden engagieren sich sowohl die USA als auch Russland und das Assad-Regime mit de YPG. Das führt dazu, dass die Türkei dies bei jeder Planung einer Bodenoffensive einplanen und gewissermaßen mit Washington einerseits und Moskau andererseits verhandeln muss.

Türkei weitaus freier unterwegs in Irak: Militär führt sogar Straßenkontrollen durch

Im Irak hingegen genießt die türkische Armee eine deutlich größere Freiheit und führt seit Jahren großangelegte Operationen gegen die PKK-Terrororganisation durch. Die Türkei hat im Nordirak hunderte Stützpunkte und Kontrollposten errichtet. In sozialen Medien zeigen Aufnahmen, wie türkische Soldaten Straßenkontrollen durchführen und auch in Dörfer der Region vordringen. In mehreren Städten hat die Türkei zudem ein Netz an Feldagenten aufgebaut, die hochrangige Figuren der PKK verfolgen. Das ermöglicht der Türkei schließlich die unzähligen Drohnenangriffe, bei denen diese Personen ausgeschaltet werden.

Die Hauptbedrohung sieht Ankara allerdings aus Syrien kommen. Die Türkei befürchtet, dass die YPG dort mit Unterstützung der USA und Russland einen kurdischen Staat gründen könnte. Erdogan spricht hier von einem „Terroristan“. Dies werde man keineswegs zulassen und falls nötig mit Gewalt dagegen vorgehen. Der Terrorangriff auf Tusas, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, könnte jetzt einen Vorwand für eine spätere Bodenoffensive liefern.

Noch ist man allerdings skeptisch, da die Militäreingriffe in der Vergangenheit oft verschoben werden mussten. Lokale Quellen berichten, erst mit einer noch länger andauernden Serie von intensiveren Angriffen könne man über eine Bodenoffensive reden. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würde dies nach der israelischen Bodenoffensive im Libanon und dem Krieg in Israel ein weiterer Faktor sein, der den Nahen Osten noch tiefer in die Gewaltspirale zieht. (bb)

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