„Ein Gegenpol zum steigenden Egoismus“: Regensburger Ordnungshüter haben Wünsche an Stadt und Freistaat
Seit 14 Jahren gibt es in Regensburg einen kommunalen Ordnungsdienst. Nun wurde ein Tätigkeitsbericht vorgelegt – erst zum zweiten Mal seit Bestehen.
Regensburg - 81 Quadratkilometer, 150 Grünanlagen und 200 Spielplätze – so sieht die Kurzbeschreibung des Einsatzgebiets des „Kommunalen Ordnungsservice“ in Regensburg aus, der auch etwas liebevoll „KOS“ genannt wird.
Zum ersten Mal seit zwölf Jahren und überhaupt erst zum zweiten Mal seit Einführung des Ordnungsdienstes, dessen Außendienstmitarbeiter seit Oktober 2009 im Einsatz sind, erhielt der Regensburger Stadtrat nun einen ausführlichen Tätigkeitsbericht.

Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: Besondere Aktualität durch Sicherheitslage am Hauptbahnhof
Die Grünen hatten Ende letztes Jahr einen entsprechenden Antrag gestellt. Angesichts der Debatte im die Sicherheit im Umfeld des Hauptbahnhofs und ein Zunahme der Straftaten im vergangenen Jahr hat das Thema besondere Aktualität.
Forderungen, denen zufolge der KOS in der Fürst-Anselm-Allee – von Jugendlichen „Pilzpark“, von ÖDP-Stadtrat Joachim Graf „der Görlitzer Park von Regensburg“ genannt – einen stärkeren Beitrag als bisher liefern könnte, um dort die öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, lassen sich aber offenbar nicht erfüllen.
Darauf lässt nicht nur der ´von Rechtsreferent Walter Boeckh vorgelegte Bericht schließen. Das betont auch Oberbürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer (SPD).
Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: „War nie als Polizeiersatz gedacht.“
Vier bis fünf Stunden täglich sei der KOS derzeit in der Fürst-Anselm-Allee unterwegs unterwegs – so viel Zeit bringen man ohnehin nur für besondere Brennpunkte auf. Mehr sei angesichts von Personalstärke und der Größe des Einsatzgebiets einfach „nicht leistbar“, so die OB. „Es war nie angestrebt, dass man an irgendeiner Stelle dauerhaft anwesend ist.“
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Der städtische Ordnungsdienst sei auch „nie als Polizeiersatz gedacht“ gewesen, so Maltz-Schwarzfischer. „Solche Sicherheitslagen kann und soll der KOS nicht alleine lösen.“ Das gehe nur in Zusammenarbeit mit der Polizei.
Polizeiähnliche Befugnisse haben die städtischen Ordnungshüter durchaus. Der KOS darf Ausweiskontrollen durchführen, kann Ordnungswidrigkeitsverfahren einleiten und Bußgelder verhängen und darf Platzverweise erteilen. Unter bestimmten Voraussetzungen dürfen die Ordnungshüter auch „unmittelbaren Zwang“, also Gewalt, anwenden, etwa wenn es darum geht, eine Straftat zu verhindern oder, wie es im Bericht heißt, „zur Abwehr einer drohenden Gefahr“.
Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: 6.076 Belehrungen wegen Regelverstößen in 2023
210 Ordnungswidrigkeitsanzeigen erstellte der KOS im letzten Jahr. Zu einem Viertel ging es um Verstöße in der Gastronomie betreffen – bisher rechtskräftig verhängte Bußgelder: 15.200 Euro.
Es gab 216 Verwarnungen, die in insgesamt 3.000 Euro Verwarnungsgelder mündeten. „Verstöße gegen das Bayerische Straßen- und Wegegesetz, beispielsweise bei der Verrichtung der Notdurft in der Öffentlichkeit, der Darbietung von Straßenmusik ohne Sondernutzungserlaubnis und der Missachtung von Auflagen in den Sondernutzungserlaubnissen“ habe dabei ein „besonderes Augenmerk“ gegolten.
6.076 Belehrungen wegen Regelverstößen wurden laut dem Bericht ausgesprochen worden und 2.692 Platzverweise. Bei 21 Einsätzen zog man die Polizei hinzu.
Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: Keine Statistik über eingegangene Beschwerden
Neben solchen Details gibt es aber auch Bereiche, in denen keinerlei Zahlen vorliegen. So ist zwar vielfach von „Beschwerdeschwerpunkten“ oder von einer „hohen Dichte von Beschwerden“ in verschiedenen Grünanlagen, im Zentrum der Altstadt, im Bahnhofsumfeld, an der Bushaltestelle Isarstraße, beim BUZ in Burgweinting und bei der Landshuterstraße in der Umgebung Zeißstraße die Rede.
Andererseits „werden über die eingegangenen Beschwerden keine Statistiken geführt“, heißt es in dem Bericht. „Deshalb können zahlenmäßige Aussagen über den Umfang der Beschwerdesituation vor und nach Einführung des KOS nicht gemacht werden. Ein zentral geführtes Beschwerdemanagementsystem kommt bei der Stadt nicht zum Einsatz.“
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Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: „Subjektives Sicherheitsgefühl gesteigert“
Dennoch zeigt sich der Bericht überzeugt, dass „allgemein kann gesagt werden“ könne, „dass sich aufgrund der Präsenz des KOS vor Ort – vor allem in Form einer Fußstreife - negative Situationen für die Bürgerschaft verringert haben und das subjektive Sicherheitsgefühl erheblich gesteigert“ habe.
Der Ordnungsdienst sei „ein Gegenpol zu ständig steigendem Egoismus, mangelnder Bereitschaft zur Rücksichtnahme, Ausleben von Aggressionen unter Alkoholeinfluss und dem Rückgang eigener sozialer Kontrolle“ und stärke durch seine „sichtbare Präsenz (...) das subjektive Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung“.
Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: „Ständig steigenden Aggressivität und Respektlosigkeit gegenüber uniformierten Einsatzkräften“
Und obwohl an anderer Stelle erläutert wird, dass die Mitarbeiterinnen des KOS mindestens einmal täglich Beleidigungen und einer „ständig steigenden Aggressivität und Respektlosigkeit gegenüber uniformierten Einsatzkräften“ ausgesetzt seien, konstatiert das Eigenresümee an anderer Stelle dennoch, dass sie „bisher von den Bürgerinnen und Bürgern größtenteils positiv wahrgenommen und bewertet“ würden.
Thomas Sperl, Sachgebietsleiter beim KOS, moniert gegenüber dem Stadtrat vor allem die überalterte Fahrzeugflotte des Ordnungsdienstes – bestehend aus einem Opel Astra, einem Skoda Octavia und einem VW Bus T5, alle vor elf bzw. zwölf Jahren erstmals zugelassen. Die müsse dringend ausgetauscht werden.
Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: Wunsch nach Bodycams scheitert am Freistaat
Der zweite Wunsch, den Sperl formuliert, richtet sich an den Freistaat Bayern, wo es – im Gegensatz zu anderen Bundesländern – bislang keine Rechtsgrundlage gibt, um den KOS mit Bodycams auszustatten.
Bemerkenswert ist auch, dass es für die Beschäftigten des kommunalen Ordnungsdienstes, die immerhin zuständig sind für Gefahrenabwehr und die Zwangsmittel ausüben dürfen, keine klar geregelten Standards gibt. „In Bayern gibt es speziell für Ordnungsdienste keine eigene Ausbildung“, so Sachgebietsleiter Sperl. „In anderen Bundesländern gibt es das.“ Deshalb sei man gezwungen, sich selbsttätig darum zum kümmern.
Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: Keine klaren Ausbildungsstandards in Bayern
Zunächst schicke man neue Mitarbeiter zur bayerischen Verwaltungsschule zu einem „Grundkurs“, dann bekämen sie mehrere Deeskalationsschulungen und dann schicke man sie zu externen Firmen, „um für die Ausrüstung zu trainieren“. Das sei „der Basiskurs“, der – je nach Vorbildung – ergänzt werde durch einen Zertifikats- oder einen Beschäftigtenlehrgang.
Zur Weiterbildung gebe es zwei Mal im Monat „Eigensicherungstraining“, also Selbstverteidigungskurse und parallel dazu weitere Deeskalationskurse. Es sei nicht einfach, einen neuen Mitarbeiter „voll funktionsfähig“ zu bekommen, so Sperl. Das dauere mindestens ein Jahr.
Tätigkeitsbericht des Ordnungsdienstes: Wunsch nach neuen Autos und mehr Personal
Aktuell sind 13 der 15 Planstellen im Außendienst beim Ordnungsdienst besetzt. „Um angemessen auf die aktuellen Beschwerdelagen reagieren und alle notwendigen Einsatzorte ausreichend bestreifen zu können, müsste die Personalstärke weiter erhöht oder zumindest die Streifenwagen des KOS dringend durch neue Fahrzeuge ersetzt werden“, lautet das Fazit des Berichts. Ein Stellenplanantrag sei für den Nachtragshaushalt in Arbeit.
Weiter heißt es im Bericht des Rechtsreferenten: „Für die Erstellung ausführlicher Lagebilder, Schwerpunktaussagen, Statistiken und Tätigkeitsberichte wie bei den Polizeibehörden fehlen dem KOS grundsätzlich sowohl die personelle Kapazität als auch die dazu notwendigen Werkzeuge. Hierzu müssten weiteren Stellen im Innendienst geschaffen und Mittel für die nötige Software bereitgestellt werden.“
Zumindest die Debatte im Verwaltungsausschuss am Donnerstag lässt nicht darauf schließen, dass der Stadtrat dem Ordnungsdienst aktuell irgendeinen Wunsch verweigern würde. Grüne, CSU, SPD und ÖDP bedanken sich ausdrücklich bei den kommunalen Ordnungshütern und ÖDP-Stadtrat Graf ist nicht der einzige, der beteuert, dass man im Zweifel eben einfach mehr Geld in die Hand nehmen müsse.
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