Nato-Befehlshaber warnt vor Unterwasser-Kriegsführung
Nato-Befehlshaber warnt vor Tiefsee-Krieg – „Unsere gesamte Wirtschaft unter Wasser ist bedroht“
Russland gefährdet die Sicherheit von einer Milliarde Menschen, warnt ein Nato-Oberbefehlshaber. Besonders Privatisierungen hätten die Unterwasser-Infrastruktur verletzlich gemacht.
London – Die Sicherheit von einer Milliarde Menschen aus den USA und Europa ist gefährdet: Diese Warnung kam von einem Nato-Oberkommandeur, Vizeadmiral Didier Maleterre. Denn Russland könne versuchen, Infrastruktur unter Wasser anzugreifen. Dabei geht es um Internetkabel, Pipelines oder Windfarmen. „Wir wissen, dass die Russen unter Wasser zahlreiche hybride Kriegsführungen entwickelt haben, um die europäische Wirtschaft durch Kabel, Internetkabel und Pipelines zu stören. Unsere gesamte Wirtschaft unter Wasser ist bedroht“, sagte Maleterre im britischen Guardian.
Auch wenn immer noch nicht eindeutig geklärt ist, wer für die Anschläge auf die Nordstream-Pipelines verantwortlich war - es gab neben Spuren nach Russland auch Spuren in die Ukraine, wie etwa die ARD recherchiert hatte - steht fest: Die Nato nimmt die Bedrohung unter Wasser durch Russland ernst und ist dabei, sich dagegen zu schützen: Ein Maritimes Zentrum zur Sicherheit kritischer Unterwasserinfrastruktur soll ständig Lagebilder zur Situation unter Wasser erstellen. Zudem haben einzelne Nato-Mitgliedstaaten militärische Maßnahmen auf den Weg gebracht.
Vizeadmiral: „Wir wissen, was die Russen an Atom-U-Booten für den Einsatz unter Wasser entwickelt haben“
„Um es mal klarzustellen: Wir wissen, was die Russen an Atom-U-Booten für den Einsatz unter Wasser entwickelt haben. Wir sind also nicht naiv und wir arbeiten zusammen“, sagt Maleterre, womit er die Nato-Länder meint. Vieles habe sich geändert, weil viel Infrastruktur unter der Wasseroberfläche inzwischen von privaten Firmen realisiert werde. Die privaten Unternehmen „wussten nicht, dass sich eine solche hybride Kriegsführung so schnell entwickeln würde. Mehr als 90 % des Internets liegen unter Wasser. Alle unsere Verbindungen zwischen den USA, Kanada und Europa werden unter Wasser übertragen, daher gibt es viele Schwachstellen.“
Dass russische Schiffe die Verläufe von Unterseekabeln und Pipelines abfahren, sei „umso bedrohlicher“ als der Aufwand für gezielte Angriffe gering sei, schreibt die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Kabelstränge und Rohrwandungen könnten etwa schon mit einem Anker beschädigt werden. Völkerrechtlich sei das Recht auf freie Durchfahrt nicht mit dem Ausspähen von kritischer Infrastruktur vereinbar - noch sei aber nicht geklärt, welche Maßnahmen präventiv angewendet werden können. Denkbar sei aber, die Durchfahrtsrechte für Schiffe auszusetzen, oder Sicherheitszonen um kritische Infrastruktur gesetzlich zu regeln.
Nato-Oberkommandeur sieht Chancen in KI und Sensoren, aber auch der Nato-Erweiterung
„Viele Nationen – auch Norwegen, Schweden und Dänemark – haben Drohnen, Sensoren und UUVs (unbemannte Unterwasserfahrzeuge) entwickelt, um sehr schnell Verdächtiges oder etwas, das schiefläuft, erkennen zu können“, so Maleterre. In Northwood in Großbritannien, am Hauptsitz von Marcom, dem Hauptquartier der maritimen Nato-Streitkräfte, werde gerade ein Zentrum eingerichtet, das sich dem Thema widmet.
Mithilfe von Software für künstliche Intelligenz könne Marcom verdächtige Aktivitäten auf See erkennen und verfolgen, beispielsweise wenn Schiffe ihr automatisches Identifikationssystem (AIS) abschalteten, was Verfolgung eigentlich verhindern solle. Außerdem nutze man Satelliten und Sensoren unter Wasser, um verdächtige Aktivitäten zu identifizieren. Es bleibe aber schwierig: „Wenn Russland sehr eigenmächtige Fähigkeiten einsetzen – und ich kann nicht ins Detail gehen, aber wir reden über U-Boote und Atom-U-Boote – ist das sehr, sehr schwierig; sehr schwierig“, betonte der Vizeadmiral. Für die Sicherheit der Nord- und Ostsee sei die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Nato aber ein großer Gewinn. (kat)