Alarm-Bericht aus Österreich: Muss auch Deutsche Urlauber sorgen

Der Gletschersturz und die darauf folgende Mure im schweizerischen Blatten hat der Welt vor wenigen Wochen vor Augen geführt, was uns durch den Klimawandel drohen könnte. Jetzt zeigt ein neuer Klima-Bericht: Die Alpen stecken mitten in der Klimakrise. Und sie trifft nicht nur Skifahrer im Winter – sondern auch Wanderer, Familien und Bergsportler im Sommer.

Erwärmung in den Alpen doppelt so hoch wie anvisiert

Die Geröll- und Eismasse, die auf das Dorf Blatten gestürzt ist und es damit de facto von der Landkarte getilgt hat, ist damit wohl das dramatischste Ereignis - aber nicht das einzige. Seit Jahren ereignen sich in den Zentralalpen immer wieder Berg- und Felsstürze: Sei es am Fluchthorn in Tirol, am Piz Cengalo, oder an der Marmolata. Zusätzlich gibt es einige Berge, die engmaschig untersucht werden müssen, um eine solche Katastrophe wie in Blatten rechtzeitig zu erkennen - zum Beispiel unterhalb der Stüdlhütte am Großglockner oder am Hochvogel im Allgäu. 

Zu den häufigsten Ursachen gehört das Schmelzen der Permafrosts. Oft als eine Art "Gesteinskleber" tituliert, ist der Permafrost für den Zusammenhalt des Gesteins verantwortlich. Denn dieses bewegt sich immer wieder, steht unter Spannung. Eigentlich kein Problem - doch aufgrund der Erderwärmung schmelzen Schnee und Eis in den Bergen schneller und vor allem früher. Eine schützende Schicht fehlt, das Gestein und der Permafrost sind damit exponierter – das beschleunigt das Auftauen des Permafrostes noch weiter.

Das bestätigt nun auch der neue Klima-Sachstands-Bericht aus Österreich. Die Zahlen aus dem Bericht, die der österreichische Landwirtschafts- und Klimaminister Norbert Totschnig am Dienstag präsentierte, sind dramatisch. Laut dem Austrian Panel on Climate Change (APCC) hat sich das Klima in Österreich seit der vorindustriellen Zeit um 3,1 Grad Celsius erwärmt – und damit deutlich stärker als im weltweiten Durchschnitt und doppelt so hoch wie das 1,5 Grad-Ziel. Besonders stark betroffen: die Hochlagen der Alpen, wo Permafrost taut, Felsen instabil werden und Gletscher zurückgehen.

Der größte Teil des Dorfs Blatten in den Schweizer Alpen wurde vom Erdrutsch zerstört, der Rest fällt langsam den Wassermassen des sich aufstauenden Lonza-Flusses zum Opfer
Der größte Teil des Dorfs Blatten in den Schweizer Alpen wurde vom Erdrutsch zerstört, der Rest fällt langsam den Wassermassen des sich aufstauenden Lonza-Flusses zum Opfer ALEXANDRE AGRUSTI / AFP

"Alpen am stärksten betroffen"

Viele Menschen, auch viele Deutsche, zieht es im Sommer wie im Winter in die Alpen - ob zum Wandern, Klettern, Mountainbiken oder Canyoning in den Tälern. Regionen wie der Wilde Kaiser Österreich, die Drei Zinnen in den Dolomiten oder das Zugspitzmassiv gehören zu beliebten Touristenzielen. Aber: „Die Alpen zählen zu den am stärksten betroffenen Regionen“, sagt Deniz Branke vom Österreichischen Alpenverein über den Klimawandel. In den Bergen sei die Landschaft heute „in permanenter Veränderung."  

Denn Starkregen und der tauende Permafrost befeuern die zunehmende Instabilität des Gesteins am Berg - was wiederum zu mehr Murenabgängen und Steinschlägen führt. Das kann Berghütten und deren Infrastruktur, zum Beispiel Wasserleitungen beschädigen. Und das wiederum trifft alle, die dort hinwollen. Wege können kurzfristig gesperrt sein, Wasserquellen versiegen, Hütten geschlossen werden. All dies müssen Besucher bedenken

Die Auswirkungen des Klimawandels spürt man in den Alpen eigentlich überall, zum Beispiel:

  • An der Pasterze. Der größte Gletscher Österreichs zerfällt - weil zu wenig Schnee fällt, der den Gletscher wachsen lassen könnte. Gleichzeitig ist es zu warm, das oberflächennahe Eis taut ab - ebenso wie der Permafrost im Berginneren. Die Folge: Weitere Fels- und Bergstürze. Eine zentrale Verbindung an der Pasterze soll noch diesen Sommer wegschmelzen.
  • Bei Wildbächen. Auch auf der deutschen Seite der Alpen sowie dem Alpenvorland steigt das Risiko für Überschwemmungen bei Starkregen - und zwar, wenn Wildbäche zu reißenden Strömen anschwellen und Unmengen an Geröll ins Tal transportieren. Für die Kommunen heißt das: Mehr Geld in den Überflutungsschutz investieren. 

Fels- und Bergstürze kommen in den Alpen, aber auch in anderen Gebirgsregionen in der Welt, zum Beispiel im Himalaya immer wieder vor. Mitverantwortlich ist auch der Klimawandel: Durch steigende Temperaturen sowie häufiger auftretende Extremwettereignisse wie Starkregen taut der Permafrost im Gestein, der wie eine Art "Gesteinskleber" wirkt, im Hochgebirge auf und destabilisiert das Gestein. 

Die Folgen können vermehrte Steinschläge, Murenabgänge und im schlimmsten Fall Fels- und Bergstürze sein. Diese Ereignisse haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen - zum Beispiel 2022 am Marmolatagletscher, 2023 am Fluchthorn oder jüngst oberhalb des Schweizer Dorfes Blatten, das komplett verschüttet wurde.

Der Berg ruft - aber anders

Für Urlauber bedeutet das: Wer in die Alpen fährt, sollte Risiken ernst nehmen, sich besser informieren und gegebenenfalls umdenken. Tobias Hipp, Experte für Klimafragen beim Deutschen Alpenverein, mahnte bereits kurz nach dem Blattener Bergsturz: "Wir müssen davon ausgehen, dass diese Ereignisse weiter zunehmen." Immerhin gibt es für Wanderer, die nicht im alpinen Bereich - also ab 2.000 Metern - unterwegs sind, Entwarnung: "Der normale Berggeher, der nicht im Hochgebirge unterwegs ist, muss sich weniger Sorgen machen", sagt Hipp. 

Dazu gehören beispielsweise beliebte Ausflugsgipfel wie der Wallberg am Tegernsee, das Fellhorn im Allgäu oder das Zwölferhorn in Österreich. 

Wer sich allerdings in den alpinen Bereich vorwagen möchte, der muss einige Dinge beachten

  • Eine gute Tourenplanung mit Blick auf die Wettervorhersage ist essentiell, um sich nicht in Gefahr zu begeben. Gerade bei klassischen Hochtouren werden Spaltenzonen immer instabiler, während Moränen mit losem Geröll neue Hindernisse schaffen.
  • Sich über Begebenheiten und Ereignisse am Berg, zum Beispiel kleine Felsabbrüche, informieren - diese können darauf hindeuten, dass sich bald ein größerer Felssturz ereignet
  • Unbedingt eine passende Ausrüstung einpacken: Im Hochgebirge sollte ein Helm aus Schutz vor Steinschlag nicht fehlen, ebenso wie ein gut ausgestattetes Erste-Hilfe-Set und eine verlässliche Karte.
  • Flexibel bleiben: Wege können von heute auf morgen unbegehbar werden - sind die Bedingungen ungünstig, sollten Sie auf eine andere Route ausweichen oder gleich eine Alternativaktivität wählen.
  • Auf Hütten kann auch Wassermangel herrschen, daher sollten Sie immer ausreichend Getränke dabei haben.
  • Vor einer Berg- oder Mountainbike-Tour sollten Sie immer den Wetterbericht und aktuelle Bedingungen Ihrer Route, zum Beispiel beim Alpenverein, überprüfen.
  • Bei Unsicherheit: Lieber abbrechen und umkehren. Bevor Sie sich selbst oder die Bergrettung unnötig in Gefahr bringen, treten Sie besser den Heimweg an. 
Juli 2022: Eine Bergstation am Marmolata-Gletscher wurde durch eine Lawine zerstört.
Juli 2022: Eine Bergstation am Marmolata-Gletscher wurde durch eine Lawine zerstört. AFP/Getty

Der Alpenraum als Ziel für Coolcation?

Trotz Gletscherschmelze, Fels- und Bergstürzen ist es möglich, auch aus dieser Situation einen kreativen Nutzen zu ziehen: Die Alpen werden, Erwärmung hin oder her, immer ein relativ kühler Ort bleiben - vor allem im Vergleich zu anderen europäischen Regionen. Europa ist nämlich der Kontinent, der sich am schnellsten erwärmt. Insofern könnte der Alpenraum bald zur Zuflucht für Viele werden - oder zumindest ein Reiseziel für eine "Coolcation", um der Hitze im eigenen Zuhause zu entfliehen.