Russland warnt vor „Eskalation“ nach Tod von Hamas-Chef – und stärkt Iran den Rücken

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Nach dem Tod von Hamas-Führer Hanija in Teheran reagiert Russland. Das Land verurteilt das „politische Attentat“ und steht hinter dem verbündeten Iran.

Moskau – Russland nahm stets eine ambivalente Position gegenüber Israel und der Hamas ein. Wladimir Putin bezeichnete die islamistische Palästinenser-Organisation beispielsweise nie als terroristische Gruppe und lud ihre Vertreter immer wieder nach Moskau ein, während er gleichzeitig diplomatische Beziehungen zu Israel pflegte. Auch nachdem die Hamas am 7. Oktober 2023 Israel angegriffen hatte, änderte sich die russische Schaukelpolitik im Nahen Osten nur unwesentlich.

Nun verurteilten mehrere russische Staatsbedienstete den mutmaßlichen israelischen Luftschlag in Teheran, der das Leben von Hamas-Politbüro-Chef Ismail Hanija forderte. Noch im September 2022 hatte sich eine hochrangige Hamas-Delegation unter seiner Führung in Moskau mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow getroffen. Michail Bogdanow, stellvertretender Außenminister und Nahost-Beauftragter des Kreml, sagte der staatlichen Nachrichtenagentur RIA Novosti zufolge am Dienstag: „Das ist alles sehr schlimm. Dies ist ein absolut inakzeptables politisches Attentat, das zu einer weiteren Eskalation der Spannungen führen wird.“

Der russische Präsident Wladimir Putin schüttelt dem iranischen Interims-Präsidenten Mohammad Mochber am 4. Juli 2024 in Astana, Kasachstan, am Rande des Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit die Hand.
Wladimir Putin Anfang Juli in Astana mit dem iranischen Interims-Präsidenten Mohammad Mochber, der nun von Massud Peseschkian abgelöst wurde. Unabhängig von den Personalien sind die Beziehungen zwischen ihren Ländern gut. © IMAGO/Gavriil Grigorov/Kremlin Pool

Russland nennt Tötung von Hamas-Führer „inakzeptables politisches Attentat“

Dass Russland bei der Bewertung fremder und eigener Handlungen zweierlei Maß anlegt, ist kein Geheimnis. Man könnte gar so weit gehen, politische Attentate als eine Spezialität des Kreml-Regimes zu bezeichnen. Beispielhaft zu nennen sind hier Selimchan Changoschwili, das Opfer des Tiergartenmordes in Berlin, Alexander Litwinenko, verstorben an einer Polonium-Vergiftung in London, und Alexej Nawalny, der unter ungeklärten Umständen in einem russischen Straflager umkam. Vielleicht schwingt in der Äußerung Bogdanows allerdings auch mit, dass es durchaus akzeptable politische Attentate geben kann, wenn sie denn russische Staatsfeinde zum Ziel haben.

Der russische UN-Botschafter Dmitry Polyanskiy schlug am Mittwoch bei einer Sitzung des UN-Sicherheitsrates in dieselbe Kerbe wie sein Kollege, nachdem er betont hatte, dass Russland die „Ermordung“ von Hanija „aufs Schärfste“ verurteile. „Die fehlgeleitete Praxis der gezielten Liquidierung prominenter politischer und militärischer Persönlichkeiten bringt den Nahen Osten an den Rand eines Krieges in der gesamten Region“, so Polyanskiy weiter. Er nannte den Angriff in Teheran außerdem einen Versuch, „den Iran in die regionale Konfrontation hineinzuziehen“.

Kremlsprecher zu Tod von Hamas-Chef Hanija: Angriff gegen Versuche „in der Region Frieden zu schaffen“

Weniger eindeutig war Kremlsprecher Dmitri Peskow, unkte aber dennoch, dass die Liquidierung von Hanija einem größeren Zweck gedient habe: „Wir denken, dass solche Handlungen gegen Versuche gerichtet sind, in der Region Frieden zu schaffen.“ Weder Polyanskiy noch Peskow beschuldigten explizit Israel, das sich bisher nicht zu dem Schlag in der iranischen Hauptstadt bekannte. Trotzdem implizierten sie, dass wer auch immer dafür verantwortlich ist, nicht aus strategischem Kalkül gehandelt habe, das auf einen militärischen Sieg gegen die Hamas abzielt, sondern grundsätzlich gegen Frieden im Nahen Osten ist.

Bis zu einem gewissen Grad reproduziert dieser Vorwurf die Argumentation Russlands im Hinblick auf Waffenstillstands-Verhandlungen mit der Ukraine. Präsident Putin stellte es immer wieder so dar, als seien nicht Russland, sondern die Ukraine und ihre westlichen Verbündeten das Problem. So erklärte er etwa im Februar 2024 gegenüber dem US-Moderator Tucker Carlson: „Wir haben Verhandlungen nie abgelehnt.“ Er gab die Schuld stets anderen Akteuren: „Sie laden uns nicht dorthin ein“, kommentierte Putin den jüngsten Friedensgipfel in der Schweiz ohne russische Beteiligung, „aber gleichzeitig sagen sie, dass es unmöglich ist, etwas ohne uns zu entscheiden.“

Der Iran ist Russland wichtiger als Gaza – Moskau stellt sich hinter Teheran

Die islamische Republik Iran ist einer der wichtigsten Verbündeten und Waffenlieferanten Moskaus. Wenn russische Offizielle vor einer möglichen Eskalation warnen, dann meinen sie einen Krieg zwischen Israel und dem Iran, der auch für Russland negative Folgen haben könnte. Kazem Jalali, der iranische Botschafter in Moskau, würdigte Russland daher gegenüber der staatlichen Nachrichtenagentur TASS als Vorbild: „Wir haben gesehen, dass das russische Außenministerium und russische Beamte solche Taten verurteilt haben, und wir erwarten, dass islamische und unabhängige Länder diesen terroristischen Akt ebenfalls verurteilen.“

Andrei Nastasjin, ein Sprecher des russischen Außenministeriums, betonte während einer Pressekonferenz am Mittwoch ausdrücklich, es sei bemerkenswert, dass der Angriff durchgeführt wurde, während Hanija sich auf offizielle Einladung in Teheran bei der Amtseinführung des neuen iranischen Präsidenten Massud Peseschkian aufgehalten habe. Nastasjin warnte zwar, der Tod Hanijas werde negative Auswirkungen auf die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen der Hamas und Israel haben. Er schloss allerdings mit einem Appell, der wohl eher auf den Iran und Israel zielte: „Wir fordern alle beteiligten Parteien erneut auf, Zurückhaltung zu üben und von Schritten Abstand zu nehmen, die zu einer dramatischen Verschlechterung der Sicherheitslage in der Region führen und eine groß angelegte bewaffnete Konfrontation provozieren könnten.“

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