„Wer zahlt die Zeche?“: Scholz keilt gegen Habeck – und schließt FDP-Koalition nicht aus
Noch regieren Scholz und Habeck als Kanzler und Vizekanzler zusammen. Aber: Vor der Bundestagswahl wird der Tonfall rau.
Berlin - Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat die Forderung von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach einer Steigerung der deutschen Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandproduktes kritisiert. „Die Idee erscheint mir etwas unausgegoren. Den Wehretat von knapp 80 Milliarden Euro auf 140 Milliarden Euro nochmals fast zu verdoppeln, ohne zu sagen, wofür das Geld aufgewendet werden soll und woher es kommen soll“, sagte Scholz in einem Stern-Interview und fragte: „Wer zahlt die Zeche? Die Bürgerinnen und Bürger?“
Zuvor hatte Habeck beim Spiegel eine Erhöhung des Wehretats für die kommenden Jahre gefordert. Aktuell sollen alle Nato-Mitglieder mindestens zwei Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in die Verteidigung investieren. Dieses Ziel hat Deutschland unter der Ampel-Regierung erstmals seit Jahren erreicht - mithilfe des Sondervermögens für die Bundeswehr. Dieses hatte Scholz angekündigt, kurz nachdem Wladimir Putins Russland die Ukraine am 24. Februar 2022 überfiel und der Ukraine-Krieg begann.
Vor Bundestagswahl: Scholz kritisiert Habeck für Heizungsgesetz
Weiter äußerte Scholz Kritik an Habecks Heizungsgesetz: „Es war falsch, den Austausch von Heizungen in privaten Häusern übers Knie zu brechen“, sagte der Sozialdemokrat und fügte hinzu: „Ich glaube, auch der verantwortliche Minister hat verstanden, dass seine Pläne damals nicht gut waren.“ Für Scholz gelte beim Klimaschutz grundsätzlich: „Weniger Ideologie, mehr Pragmatismus“.

Scholz schloss eine mögliche Koalition mit der FDP nach der Bundestagswahl nicht aus. „Ich habe nichts Generelles gegen die FDP. Das Tolle an der Demokratie ist die Demokratie“, so der SPD-Politiker. Er ergänzte: „Wahlen sind Wahlen. Die Bürger entscheiden, und wir Politiker müssen mit dem Ergebnis umgehen.“ Im Herbst hatte der Kanzler den FDP-Finanzminister Christian Lindner entlassen.
Zudem stellte Scholz klar, dass er niemals mit der AfD zusammenarbeiten werde. Eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht erteilte Scholz keine kategorische Absage. Aber: „Mit einer Partei, die die Nähe zu Russland sucht, Westbindungen und Nato infrage stellt und die Ukraine hängen lassen will, ist das schwer vorstellbar“, sagte Scholz.
Vor Bundestagswahl: Baerbock nennt Scholz-Aussage zu Musk „fahrlässig“
Derweil kritisierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) die Reaktion von Scholz auf verbale Angriffe des US-Milliardärs und Donald-Trump-Unterstützers Elon Musk. Die Aussage von Scholz, man müsse in solchen Fällen cool bleiben, erinnere sie an die Fehleinschätzung „Nord Stream 2 ist auch nur ein wirtschaftliches Projekt“. Laut Baerbock mache zwar jeder Fehler. Allerdings sei es fahrlässig, „Fehler zweimal zu machen“.
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Musk mischt sich seit Wochen in die Politik europäischer Länder wie Deutschland und Großbritannien ein. Unter anderem sprach sich Musk zuletzt für die AfD aus. Darauf hatte Scholz mit der Aussage reagiert: „Wir sind es als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit dem 19. Jahrhundert gewohnt, dass reiche Medienunternehmer anderer Meinung sind als die sozialdemokratische Partei. Das ist nichts Neues.“ Dazu erklärte Scholz beim Stern: „Da muss man cool bleiben.“ Neu sei allerdings die globale Reichweite solcher Unternehmer.
Grüne teilen gegen Scholz und Merz aus - Habeck attackiert CSU für „dumme Sprüche“
Beim Wahlkampfbeginn der Grünen in Lübeck teilten der Parteivorsitzende Felix Banaszak auch gegen Scholz aus. Der Kanzler würde „die Probleme mit aller Ruhe bestaunen.“ Der Grüne-Kanzlerkandidat Habeck hingegen löse sie. Über Union-Spitzenkandidat Friedrich Merz (CDU) sagte Banaszak, dass dieser „extrem gut darin“ sei, „Probleme zu beschreiben“.
Habeck selbst attackierte die „dummen Sprüche“ der CSU. Weiter kritisierte der Vizekanzler die Bilanz früherer CSU-Verkehrsminister. Die aktuellen Wirtschaftsprobleme Deutschlands gingen auch auf das Konto früherer Regierungen. Die Pläne der Union zu Steuersenkungen seien nicht gegenfinanziert. Habeck sprach von einer jährlichen Lücke von 100 Milliarden Euro. Die Versprechungen seien „eine einzige Flunkerkanone, die sie da hingestellt haben“, sagte Habeck. (Jan-Frederik Wendt)