Militärhilfen für die Ukraine: USA leiten Waffenlieferung um – und sehen Europa in der Pflicht

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Bei seiner Verteidigung gegen Russland setzt Wolodymyr Selenskyj im Ukraine-Krieg auf Unterstützung westlicher Verbündeter. Die USA jedoch hoffen auf Europa.

Kiew/Moskau – Im Ukraine-Krieg halten die gegenseitigen Angriffe Russlands und der Ukraine unverändert in aller Intensität an. Erst in der Nacht zum Dienstag wurde die im 11. Jahrhundert erbaute Kiewer Sophienkathedrale, die als UNESCO-Weltkulturerbe bekannt ist, im Zuge eines russischen Raketenangriffes auf die ukrainische Hauptstadt beschädigt. Beim Gipfeltreffen südosteuropäischer Regierungschefs in der ukrainischen Hafenstadt Odessa wurde Putins Angriffskrieg erneut von mehreren Staaten geschlossen verurteilt. Wolodymyr Selenskyj mahnte am Dienstagabend, der Kreml könnte seine Angriffsbemühungen auf einen Korridor bis Moldawien und Rumänien ausdehnen, um Chaos in der Region zu säen. 

Auch warnte der ukrainische Präsident vor Kürzungen von Militärhilfen an sein Land. „Wenn sie wirklich die Hilfe kürzen, werden wir das spüren. Das wird die Ukraine spüren, aber auch andere Staaten“, wird Selenskyj mitunter vom ZDF zitiert. Vor allem für Europa würden die Risiken dann steigen. Während Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstagmorgen für Gespräche über Militärhilfen in Kiew eintraf, hoffen die USA offenbar auf neue Militärhilfen für Kiew aus Europa.

„Wir zählten auf diese Lieferung“ – versprochene US-Unterstützung erreicht Kiew nicht

Weil Russland seine Angriffe auf die Ukraine in den vergangenen Wochen nochmals verstärkte – mitunter auch auf die Großstädte Charkiw und Kiew – benötigt die Ukraine dringend neue Luftabwehrsysteme. Hilfe erhofft sich Präsident Selenskyj dabei nach wie vor von westlichen Verbündeten. Weil US-Präsident Donald Trump die US-Militärhilfen für die Ukraine im März jedoch zurückfuhr, rücken europäischen Staaten bei der Frage nach militärischem Nachschub für die Ukraine seitdem immer mehr in den Fokus des Geschehens. 

Fotomontage Donald Trumps (l.) und russischem Shahed-Drohnenangriff auf Kiew (r.) © IMAGO / ZUMA Press Wire und IMAGO / Andreas Stroh

Zu Wochenbeginn veröffentlichte das ukrainische Medium The Kyiv Independent einen Bericht, demnach die Trump-Administration offenbar 20.000 Luftabwehrgeschosse – insbesondere zur Verteidigung gegenüber Shahed-Drohnen – die der Ukraine versprochen waren, in den Nahen Osten umleitete. „Wir zählten auf diese Lieferung“, bedauerte Selenskyj gegenüber Kyiv Independent. Während Kiew die Dringlichkeit für die Lieferung neuer Patriot-Flugabwehrraketensysteme unablässig betont, zählen die USA nun offenbar aber darauf, dass sich europäische Staaten künftig verstärkt in die militärische Unterstützung Kiews einschalten.

USA hoffen auf Europas Initiative für Waffenlieferungen an die Ukraine

Die Vereinigten Staaten hoffen, dass Großbritannien und andere europäische Verbündete Kiews bereit sind, in den kommenden Tagen ein neues Angebot zur Beschaffung weiterer Boden-Luft-Raketen (SAMs) für die Ukraine zu unterbreiten, sagte ein hochrangiger Beamter der US-Regierung am Dienstagabend gegenüber der Kyiv Post. Wie das ukrainische Medium zitiert, „zählen die USA darauf“, dass sich Europa in der Unterstützung der Ukraine verstärkt einschaltet. Erörtert werden solle eine zeitnahe weitere Unterstützung der Ukraine in verschiedenen Zusammenhängen, sagte der betreffende US-Beamte der Kyiv Post weiter: Dazu zählten bilaterale Treffen mit verschiedenen europäischen Verbündeten als auch „das baldige Treffen der Staats- und Regierungschefs auf dem G7-Gipfel in Kanada“. 

Bezüglich des Treffens der G7 in Kanada (15. – 17. Juni) dürften die Erwartungen jedoch eher niedrig angesetzt sein, schreibt die Tagesschau am Donnerstag. Schon beim 43. G7-Gipfeltreffen in Taormina auf Sizilien erlebten europäische Staatschefs Donald Trump. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte danach etwa, vorbei seien die Zeiten, in denen Europa sich auf andere verlassen könnte. Was aber steht den europäisch-amerikanischen Beziehungen mit Blick auf das Treffen in Kananaskis im Bundesstaat Alberta bevor?

„Bisher gibt es keine gemeinsame Strategie“ – niedrige Erwartungen an Europa und die USA vor G7-Gipfel 

Zwar scheint es, als hätten Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, Frankreichs Regierungschef Emmanuel Macron und zuletzt auch Friedrich Merz (CDU) bei ihren Besuchen im Oval Office Beziehungen zum US-Präsidenten aufgebaut. Doch das verschafft ihnen nach Ansicht von Majda Ruge von der Denkfabrik European Council on Foreign Relations (ECFR) keinen größeren Einfluss auf die US-Ukraine-Politik: „Bisher gibt es keine gemeinsame Strategie und ehrlich gesagt scheinen im Moment die strategischen Ziele der USA in Bezug auf Ukraine und Russland nicht mehr mit den EU-Zielen übereinzustimmen“, zitiert die Tagesschau Ruge am Donnerstag.

Zwar verurteilte Trump den Angriffskrieg des Kreml Ende Mai vehement, indem US-Präsident Trump Wladimir Putin öffentlich als „absolut verrückt“ bezeichnete und damit seine zunächst lange verhaltenen Reaktionen auf Putins Handeln im Ukraine-Krieg ablöste, doch proaktiv zeigte sich Trump im Gegensatz zur Ukraine bislang viel eher bei anderen Themen, wie etwa massiven Kürzungen im US-Staatshaushalt oder seiner aggressiven Zollpolitik. 

Einen Schritt auf US-Präsident Trump scheint nun aber der britische Außenminister David Lammy gehen zu wollen. So will die Kyiv Post aus diplomatischen Kreisen erfahren haben, dass Lammy plant, schon bald nach Washington, D.C. zu reisen, um mit der Trump-Administration potenzielle Schritte zur künftigen Unterstützung der Ukraine zu besprechen. „Russland stellt mit seinen brutalen Drohnen- und Raketenangriffen auf die Ukraine entsetzliche, neue Rekorde auf. Weitere Angriffe auf Kiew und Odessa in der Nacht, mehr zivile Todesopfer und ein getroffenes Entbindungskrankenhaus“, schrieb Lammy am Dienstag in einem Beitrag auf dem Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). „Gemeinsam mit unseren Partnern werden wir den Druck erhöhen, um Putin zu zwingen, einem Waffenstillstand zuzustimmen“, fügte der britische Außenminister hinzu. (fh)

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