Junge Kaufbeurerin schwer krank: „Die Hölle auf Erden“

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Auf dem Sofa oder Bett liegend, die Augen geschlossen: So verbringt Shania, die unter der Erkrankung ME/CFS leidet, den Großteil ihres Tages. © Ehlers-Benz

Shania ist 25 Jahre alt und schwer krank. Bereits im Frühjahr hat der Kreisbote über die junge Kaufbeurerin berichtet, die an ME/CFS, einer schweren neuroimmunologischen Erkrankung, leidet. Damals lag Shania 24 Stunden am Tag in ihrem abgedunkelten Zimmer, ertrug weder Licht noch Lautstärke. Ihre Hoffnung zu dieser Zeit: Eine Blutwäsche, finanziert durch Spenden. Doch es kam anders als geplant. Nun hat Shania über ihren aktuellen Gesundheitszustand, ihre Gedanken und Gefühle gesprochen.

Kaufbeuren – Es begann mit einer harmlosen Mandelentzündung im Herbst letzten Jahres. Shanias Mutter Silvia Scheer berichtete uns damals, wie lebensfroh ihre Tochter vor der Krankheitsodyssee gewesen sei, die ab diesem Zeitpunkt ihren Lauf nahm. Schwindel, Kreislaufprobleme, Haarausfall und eine schier unendliche Müdigkeit – nur einige der Symptome, die sich durch die darauffolgenden Monate zogen.

Im Januar 2024 dann der Super-Gau: Die 25-Jährige wird bettlägrig und braucht absolute Ruhe, kann nicht einmal kurze Besuche ihrer Mutter gut ertragen. Starke Schmerzen prägen ihren Alltag. Fernsehen, Musik hören, lesen – nichts von all dem hält Shanias Körper aus. Die Diagnose nach vielen frustrierenden Arztbesuchen: Das Chronische Erschöpfungssyndrom ME/CFS, eine bis dato weitgehend unerforschte Multisystemerkrankung.

Fast ein Jahr später geht es der Kaufbeurerin etwas besser. „Ich bin zumindest nicht mehr kurz vorm Sterben“, sagt sie gegenüber dem Kreisboten. Auch wenn es Tage gebe, an denen sie weiterhin mit „höllischen Schmerzen“ zu kämpfen hat und sich „wie ausgeschaltet“ fühlt, könne sie hin und wieder ein wenig fernsehen oder sich ins tageslichthelle Wohnzimmer legen, auch Toilettengänge sind wieder möglich – wenn auch mit Hilfe. Denn Shania kann nicht alleine gehen, kaum lange stehen, ist auf den Rollstuhl angewiesen. Ihr Freund Julian, der nach Ausbruch der Krankheit bei ihr eingezogen ist, pflegt sie.

CFS-Medikamente: Keine Kassenleistung

Die erste kleine Besserung seit Januar ist einem von vielen Medikamenten zu verdanken, die Shania tagtäglich nehmen muss. „Das ist immer ein Glücksspiel, was bei ME/CFS-Patienten anschlägt“, erzählt sie uns. Was vielen nicht helfen würde, habe bei ihr Früchte getragen. Das Problem an der Sache: Da die neuroimmunologische Erkrankung kaum erforscht ist, sind Shanias Medikamente in Deutschland nicht zugelassen und werden somit auch nicht von der Krankenkasse bezahlt. Die Familie bleibt auf sämtlichen Kosten sitzen.

Ein weiteres Medikament, ein Immunglobulinpräparat, das Antikörper aus menschlichem Blut enthält, könnte Shanias Zustand weiter verbessern. Der Kostenpunkt liegt jedoch bei tausenden von Euros – für Shania untragbar. „Wir haben versucht, das Medikament einzuklagen, sind aber gescheitert“, schildert sie.

Die Immunadsorp­tion, die in Form einer Blutwäsche durchgeführt wird, ist sogar noch teurer. Doch die Kosten sind nicht der einzige Grund, wieso Shania das damals geplante Verfahren noch nicht in Anspruch genommen hat. Zum einen sei sie nicht belastbar genug, für das Prozedere nach Bayreuth zu reisen, erzählt die Erkrankte. Zum anderen sei eine lang anhaltende Besserung nicht garantiert. „Den Meisten hilft die Behandlung nur für sechs Monate, einigen geht es sogar schlechter als vorher“, berichtet sie. Shania möchte offizielle Studien abwarten, bevor sie sich für die Immunadsorp­tion entscheidet, denn: Sie hat große Angst vor einer erneuten Verschlechterung. „Wie es mir vor der Medikamenteneinnahme ging, das war nicht lebenswert, das war die Hölle auf Erden“, äußert sie emotional. „Das möchte ich nie wieder erleben.“

Insgesamt fühlt sich die junge Frau vom Gesundheitssystem im Stich gelassen. Vor ihrer Diagnose sei sie von Arzt zu Arzt gelaufen, niemand habe gewusst, was mit ihr los ist. „Sie haben kein CFS, Sie sollten einfach ein bisschen trainieren“, habe die Aussage einer Ärztin gelautet, die Shania besucht hatte. Und selbst jetzt mit der Diagnose ME/CFS gibt es aktuell keine Therapiemöglichkeit, die nachhaltig hilft. Die Krankheit ist, Stand heute, nicht heilbar.

Wie lässt es sich weiterleben ohne die Aussicht auf Besserung oder gar Heilung? „Ganz ehrlich, es gab Momente, an denen ich mich das selbst gefragt habe“, antwortet Shania offenen Herzens. „Die gibt es immer noch. Das Leid ist so extrem groß, dass ich oft nicht mehr weitermachen wollte. Aber scheinbar ist mein Lebenswille stärker.“ Neben ihrer Familie gebe ihr Freund Julian viel Kraft: „Er boxt mich da immer wieder durch“, so Shania.

Appell an die medizinische Fachwelt

Im Namen aller Betroffenen wünscht sich die 25-Jährige von der Medizinbranche, dass die Krankheit ernster genommen werde. „Es gibt Menschen mit CFS, die tatsächlich Sterbehilfe in Anspruch nehmen, weil sie es nicht mehr aushalten“, sagt sie. „Wenn ich auch nur einen Arzt mit diesem Bericht wachrüttle und er seinen nächsten Patienten mit CFS nicht missdiagnostiziert – das wäre schon ein erster Schritt.“

Für all die Spenden, die bereits im Frühjahr zusammengekommen sind, ist Shania „extrem dankbar“. Da die Kosten für die nicht zugelassenen Medikamente nach wie vor hoch sind, hat ihre Mutter ein Spendenkonto eröffnet. Wer die Familie mit einem kleinen oder großen Beitrag unterstützen möchte, darf sich an Silvia Scheer unter Tel. 01523/4016151 oder per Mail an skoch-hiebel@gmx.de wenden.

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