Kommentar - Nebensatz von Habeck zeigt, warum es unserer Wirtschaft wirklich so schlecht geht

Diese Frage hat Robert Habeck sichtlich nicht gefallen. Bei der Präsentation der neuesten Wirtschaftsdaten wurde er nach seiner persönlichen Verantwortung für die Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft gefragt. Und wie sich das auf seine Kanzlerambitionen auswirke.

Da reagierte der Bundeswirtschaftsminister schmallippig: „Ich bin Teil der Bundesregierung.“ Und: „Ich kämpfe seit Jahren dafür, die Probleme des Landes zu lösen.“ Das war immerhin ehrlicher, als wenn er jede Mitverantwortung für das zweite Jahr mit rückläufiger Wirtschaftsleistung hintereinander einfach abgestritten hätte.

ANZEIGE

Habecks Prognose:  Volkswirtschaft schrumpft wieder

Jedenfalls hat es so etwas seit zwei Jahrzehnten nicht mehr gegeben, dass nämlich die deutsche Volkswirtschaft gleich zweimal in Folge schrumpft: 2023 um 0,3 Prozent und in diesem Jahr voraussichtlich um 0,2 Prozent. Davon geht jedenfalls der grüne Wirtschaftsminister aus. Im Frühjahr hatte er noch ein Wachstum um 0,3 Prozent vorhergesagt.

Mit seiner zu optimistischen Prognose hatte Habeck durchaus auf der Linie der meisten Konjunkturforscher gelegen. Aber nicht immer hat die Mehrheit auch recht. Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, hatte bereits im November 2023 vorhergesagt, Deutschland werde 2024 abermals in der Rezession enden – was leider auch so kommt.

ANZEIGE
ANZEIGE
ANZEIGE

Weil die Lage trüb und die Aussichten für die nächsten Jahre nicht allzu rosig sind, versuchte Habeck jetzt wenigstens ein optimistisches Bild zu zeichnen. Deutschland sei „ein Land voller Stärken“, mit vielen Familienunternehmen und Weltmarktführern, die viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt mit einer herausragenden Struktur. 

Schwierigkeiten will Habeck nicht abstreiten. Aber wir seien dabei, uns herauszuarbeiten: Die Zinsen sinken, die Lohnabschlüsse steigen. Habeck wirkte selbst beeindruckt: „Es ist interessant – und ich würde fast sagen: imposant – zu sehen, was wir in den letzten schweren anderthalb bis zwei Jahren hinter uns gebracht haben.“

ANZEIGE

Das Prinzip Hoffnung

Bei Habeck regiert eindeutig das Prinzip Hoffnung. So geht der Wirtschaftsminister für 2025 von einem Wachstum von 1,1 Prozent und für 2026 von 1,6 Prozent aus. Damit ist er optimistischer als die Wirtschaftsinstitute. Die erwarten nämlich in den nächsten Jahren geringere Zuwächse: plus 0,8 und plus 1,3 Prozent.

Wissen die Beamten in Habecks Ministerium etwa mehr als die führenden Wirtschaftsforscher des Landes? Haben sie eine bessere Glaskugel? Habeck erklärt den Unterschied so: In der eigenen Prognose seien bereits die zu erwartenden positiven Folgen der Wachstumsinitiative der Bundesregierung berücksichtigt. 

ANZEIGE
ANZEIGE

Die Wette mit einem großen Unsicherheitsfaktor

Das Problem: Diese Wachstumsinitiative mit Maßnahmen zur Investitionsförderung, zum Bürokratieabbau und zur Fachkräftegewinnung ist Teil des Bundeshaushalts 2025. Der muss erst noch beschlossen werden und ist in vielen Teilen innerhalb der Ampel-Parteien höchst umstritten.

Was noch auffällt: Führende Wirtschaftsvertreter halten diese Wirtschaftsinitiative zwar für gut. Sie reicht aber beispielsweise nach Meinung von Peter Adrian, dem Präsidenten der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), „bei Weitem nicht aus“. Notwendig sei eine Agenda „Wirtschaft first“. 

ANZEIGE

Habeck setzt vor allem darauf, dass der private Konsum wieder zunimmt und die Konjunktur stimuliert. In den letzten Jahren habe „das Biest Inflation“ die Menschen ärmer gemacht. Doch dank höherer Löhne und der sinkenden Inflation hätten die Menschen wieder mehr Geld in der Tasche.

Habeck hat natürlich recht, wenn er darauf verweist, dass viele strukturelle Schwierigkeiten in diesem Land seit Jahrzehnten entstanden sind, nicht erst unter der Ampel: die marode Infrastruktur, der Fachkräftemangel, die unzureichende Digitalisierung. Aber er vermied parteipolitische Seitenhiebe gegen die ehemaligen GroKo-Parteien Union und SPD. Ob da der Kanzlerkandidat bereits an 2025 dachte?

ANZEIGE
ANZEIGE

Habeck räumt ein: „Es fehlt an einem klaren Kompass“.

Wie wir seit Ludwig Erhard wissen, ist Wirtschaft „zu 50 Prozent Psychologie“. Habeck verweist deshalb bei seinen Einschätzungen auf den „psychologischen Effekt der großen und messbaren Unsicherheit“. Dazu trügen die geopolitischen Spannungen sowie Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten bei. 

Habeck räumte zudem ein, dass bei Unternehmen wie Verbrauchern wegen der politischen Debatten in Deutschland und Europa Planungsunsicherheit herrsche: „Es fehlt an einem klaren Kompass“.

ANZEIGE

Hier schließt sich der gewissermaßen der Kreis: Unternehmer und Verbraucher sind verunsichert. Und die Ampel trägt zu dieser Unsicherheit noch bei. Woraus wiederum folgt: Auch der Wirtschaftsminister bewegt sich bei seinen Prognosen auf schwankendem Boden – bis zur nächsten Korrektur.