Schweden zeigt, wie Verteidigungspolitik aussehen kann: Ein Minister für Zivilschutz, Pflichtdienste – und ein Land, das sich auf jedes Szenario vorbereitet.
Berlin – In Deutschland ist die Wehrpflicht in Friedenszeiten seit 2011 ausgesetzt, doch der Bundeswehr fehlen Soldaten. Unlängst einigte sich die schwarz-rote Koalition auf ein neues Modell zum Wehrdienst. Alle jungen Menschen ab 18 Jahren erhalten demnach einen Brief mit QR-Code. Dieser führt zu einem Online-Fragebogen, in dem sie unter anderem ihre Wehrdienst-Bereitschaft angeben. Für Frauen ist die Beantwortung freiwillig, für Männer verpflichtend. Für junge Männer ist zudem eine verpflichtende Musterung vorgesehen. Berlin orientierte sich dabei auch am schwedischen Modell und schaute sich etwa den Fragebogen ab.
Seit 2017 gilt in dem skandinavischen Land die Wehrpflicht, sowohl für Frauen als auch für Männer. Das Nato-Land geht beim Zivilschutz noch einen Schritt weiter: In dem Land gibt es einen zivilen Pflichtdienst. „Um schnell voranzukommen, wählen wir für die zivile Dienstpflicht zunächst Personen aus, die bereits eine Grundausbildung in dem jeweiligen Bereich haben“, erklärte der schwedische Minister für Zivilverteidigung Carl-Oskar Bohlin der Bild im Interview. Als Beispiel nennt er etwa Elektriker, die im Ernstfall das nationale Stromnetz schützen oder Feuerwehrleute. „In Friedenszeiten übt diese Person weiterhin ihren normalen Beruf aus, wird aber im Falle eines Krieges in die Krisen-Organisation der Rettungsdienste einberufen.“
Was in der Diskussion manchmal übersehen werde, „ist, dass jeder schwedische Bürger zwischen 16 und 70 Jahren im Falle eines Krieges oder bei erhöhtem Alarm gesetzlich verpflichtet ist, an der Gesamtverteidigung mitzuwirken“, so Bohlin weiter. Das bedeute nicht, „dass jeder verpflichtet ist, eine Waffe zu tragen, aber jeder ist verpflichtet, zum Beispiel weiterhin seiner Arbeit nachzugehen, um die gesellschaftliche Widerstandsfähigkeit zu sichern“, so der Minister zu Bild.
Hybride Angriffe im Fokus: Das empfiehlt Schweden dem deutschen Zivilschutz
Schweden ist seit 2024 Mitglied der Verteidigungsallianz Nato und hat die Außengrenzen des Bündnisses genau im Blick. „Es ist auch äußerst wichtig, die Schwachstellen unterhalb der Schwelle eines Artikel-5-Szenarios zu schließen, denn wir haben es mit einem Gegner zu tun, der uns ständig in diesen Bereichen testet“, so Bohlin zu Bild. Experten halten beispielsweise ein Szenario für möglich, in dem russische Soldaten ohne Hoheitszeichen in der estnischen Stadt Narva einfallen könnten, um so den Zusammenhalt des Nato-Bündnisses zu testen. Russlands Ambitionen gehen „weit über die Ukraine hinaus“, betonte unlängst der deutsche Außenminister Johann Wadephul (CDU).
Auf Nachfrage von Bild wollte der schwedische Minister Bohlin Deutschland zwar keinen konkreten Rat für die Verbesserung seiner Zivilschutzmaßnahmen geben. „Ich bin immer vorsichtig damit, anderen Ländern Ratschläge zu erteilen“, so der Schwede. Ein paar Tipps gab er dann aber trotzdem: „[...] Im Allgemeinen kann ich sagen, dass wir uns in Schweden darauf konzentrieren, Widerstandsfähigkeit in den wichtigen Gesellschaftsbereichen aufzubauen – also zum Beispiel bei Energie, Zivilschutz, Rettungsdiensten, elektronischer Kommunikation. Bei Dingen, die Ziel von Sabotage oder hybriden Angriffen werden können.“
Der Militärische Abschirmdienst (MAD) in Deutschland hatte zuletzt vor einem starken Anstieg der Fälle im Bereich der Spionage und hybrider Maßnahmen berichtet. Zu hybriden Maßnahmen zählen gezielte Desinformation, Cyberangriffe und Sabotageakte. So häuften sich seit Beginn des Ukraine-Kriegs etwa die Fälle von mutmaßlicher Sabotage in der Ostsee: Mehrere Unterseekabel wurden beschädigt. Im Verdacht hat die Nato die russische Schattenflotte und verstärkte daher ihre Präsenz in der Ostsee. (Quellen: AFP, dpa, Bild) (bme)