Großdemonstration in Istanbul: „Barmherzigkeit für unsere Märtyrer, Unterstützung für Palästina, Fluch für Israel“

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250.000 Menschen haben in Istanbul gegen Israel und für die im Kampf mit der PKK gefallenen türkischen Soldaten demonstriert. Der Protest wirft Fragen auf.

Istanbul - In Istanbul haben laut türkischen Medien am Montag (1.1.2024) 250.000 Menschen für getötete türkischen Soldaten und gegen Israel demonstriert. Aufgerufen zu der Demonstration „Barmherzigkeit für unsere Märtyrer, Unterstützung für Palästina, Fluch für Israel“ hatten mehrere Organisationen und auch die Familie des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.

Die Märtyrer auf beiden Seiten seien für die Türkei dasselbe, sagte Bilal Erdogan, der Sohn des türkischen Präsidenten bei seiner Rede auf der Demonstration. Gemeint sind die im Kampf mit der PKK getöteten Soldaten und die durch israelische Angriffe getöteten Palästinenser. „Wir versprechen, dass wir diesen Ereignissen nicht gleichgültig gegenüberstehen werden und dass wir weiterhin in der ganzen Welt nach Recht und Gerechtigkeit rufen werden“, sagte Bilal Erdogan. Israel begehe an den Palästinensern einen Völkermord. „Wir versprechen, unsere Einheit gegen die zionistische Ordnung, hinter der Amerika steht, zu sichern und zu verstärken. Wir versprechen, den Boykott fortzusetzen. Dies wird nicht mit einem Waffenstillstand enden.“

Handel zwischen Türkei und Israel geht trotz Verbalattacken weiter

Der Boykottaufruf scheint allerdings nur halbherzig zu sein. In den vergangenen Monaten wurde immer wieder bekannt, dass türkische Handelsschiffe in israelischen Häfen gesichtet werden. Inzwischen seien über 500 türkische Handelsschiffe in israelischen Häfen eingefahren, schreibt der türkische Exiljournalist Metin Cihan auf X und stützt sich dabei auf die Daten vom Schiffsinformationsdienst „Marine Traffic“.

Die Reedereien gehören anscheinend auch Unternehmen, die Erdogan und seiner Familie nahestehen. „Es ist ein so unehrenhafter Handel, dass wir nicht einmal ein Medikament nach Palästina schicken können, während wir Hunderte von Schiffen nach Israel schicken“, schreibt der Journalist.

Erdogan vergleicht Netanjahu mit Hitler

Die Großdemonstration in Istanbul gegen Israel wirft Fragen auf.
250.000 Menschen demonstrieren in der Türkei gegen Israel. © dpa/Tolga Uluturk

Immer wieder hatte der türkische Präsident in den vergangenen Monaten Israel und seinen Ministerpräsidenten scharf angegriffen. Zuletzt hatte Erdogan den israelischen Regierungschef sogar mit Hitler verglichen. „Was unterscheidet euch eigentlich von Hitler? Sie werden uns sogar noch dazu bringen, dass wir anfangen einen Hitler zu vermissen. Steht Netanyahu Hitler in irgendetwas nach“, fragte Erdogan in einer Rede. Netanjahu hingegen antwortete in ebenfalls scharfem Ton auf die Verbalattacken aus Ankara. „Erdogan, der einen Völkermord an Kurden verübt und Journalisten inhaftiert, ist der Letzte, der uns eine moralische Lektion erteilen sollte.

Türkei greift Kurden in Nordostsyrien an

Die Kritik an der Türkei ist auch nicht unbegründet. „Zwischen dem 23. und 26. Dezember flogen türkische Kampfflugzeuge und Drohnen 74 Angriffe auf die kritische Infrastruktur Nord- und Ostsyriens (medizinische Einrichtungen, Kulturgüter, Wasser- und Lebensmittelversorgung), was international als Kriegsverbrechen gilt“, schreiben mehrere Organisationen in einem offenen Brief an die Bundesregierung und fordern von ihr eine Verurteilung dessen. Die Türkei soll im gesamten Jahr 2023 den Nordosten Syriens (Kurdisch: Rojava) 798 Mal angegriffen haben. Dabei seien auch mehrere medizinische Einrichtungen zerstört worden, die auch von deutschen Hilfsorganisationen mitgetragen werden, kritisieren die Unterzeichner. Durch die Angriffe würden die Menschen in der Region zur Flucht gezwungen.

Der türkische Präsident hingegen behauptet, mit den türkischen Angriffen im Nachbarland Syrien und dem Irak, die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK zu bekämpfen. „Weder die Terroristenbarone im Kandil-Gebirge und Syrien noch diejenigen, die die Leinen dieser Verräter in den Händen halten, werden uns von unserem Weg abbringen“, hatte Erdogan am ersten Weihnachtstag in seiner Rede versprochen. (Erkan Pehlivan)

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