
Ukraine: Schwerster Drohnenangriff auf Kiew seit Kriegsbeginn

Tag 639: Präsident Selenskyj feuert hochrangige Generäle. Russland erklärt Ex-Regierungschef zum Auslandsagenten. Alle Infos im Newsblog.
75 russische Drohnen: Schwerster Drohnenangriff auf Kiew
9.24 Uhr: Der ukrainischen Luftwaffe zufolge hat Russland in den frühen Morgenstunden 75 Drohnen auf die Ukraine abgefeuert, 66 davon auf die Region Kiew. Die überwiegende Mehrheit der Schahed-Drohnen iranischer Bauart, 74 Stück, sei über der Hauptstadt-Region zerstört worden, teilte die Luftwaffe in den Online-Netzwerken mit. Kiews Stadtverwaltung sprach vom größten Angriff auf die Hauptstadt seit Beginn der russischen Invasion im Februar 2022. Fünf Menschen wurden demnach verletzt, darunter ein elfjähriges Kind. Das teilte Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko mit.
Laut dem ukrainischen Energieministerium waren knapp 200 Gebäude in Kiew, darunter 77 Wohngebäude, nach dem Angriff ohne Strom. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wies darauf hin, dass der Angriff mit dem Jahrestag der Holodomor-Hungersnot 1932/33 zusammenfiel. Damals waren Millionen Menschen in der Ukraine an Hunger gestorben. Die Ukraine macht dafür die ehemalige Sowjetunion verantwortlich, die zu der Zeit über die Ukraine herrschte. Dies weist die russische Regierung zurück.
Klitschko berichtet über schwere Angriffe auf Kiew
7.17 Uhr: Über schwere, russische Angriffe in der Nacht zu Samstag berichtet auch Kiews Bürgermeister Vitali Klitschko auf Telegram. Trümmer abgeschossener Drohnen seien in der Hauptstadt abgestürzt und hätten Gebäude beschädigt. Dadurch seien an mehreren Stellen Brände ausgebrochen, unter anderem in einem Wohngebäude und einem Kindergarten, teilte er mit. Mehrere Menschen seien verletzt worden, unter ihnen ein elfjähriges Kind. Die Menschen sollten in den Notunterkünften bleiben, da der Angriff weiter gehe. Nach Angaben von Klitschko ertönte sechs Stunden lang der Luftalarm in seiner Stadt. "Der Feind setzt seinen Terror fort", erklärte Klitschko.
Nach Angaben der Militärverwaltung in Kiew brach infolge von abstürzenden Trümmerteilen in einem unbewohnten Areal ein Feuer auf 100 Quadratmetern Fläche aus. Zudem sei am Ostufer des Flusses Dnipro wegen herabstürzenden Trümmern ein Hochhaus in Brand geraten. Die "Ukrainska Prawda" schrieb auf Twitter, Kiew werde von Drohnen angegriffen, die Luftabwehr sei im Einsatz. Ein dpa-Reporter berichtete von heftigem, lang andauerndem Flugabwehrfeuer.
Selenskyj: Müssen "drei Siege im Ausland erringen"
2.51 Uhr: Nach Auffassung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj muss die Ukraine "drei Siege im Ausland" erringen."Der erste ist der Sieg über den US-Kongress. Es ist eine Herausforderung, es ist nicht einfach, aber die Ukraine tut alles, was sie kann", sagte Selenskyj auf einer Pressekonferenz in Kiew. Zwanzig Monate nach dem russischen Einmarsch in der Ukraine hat sich in den Beziehungen des Westens zu Kiew eine gewisse Müdigkeit breitgemacht. Das Land ist im Kampf gegen die russischen Truppen in hohem Maße auf die militärische, wirtschaftliche und humanitäre Hilfe seiner Verbündeten angewiesen.
Russland droht Moldau mit Vergeltung
1.45 Uhr: Die russische Regierung droht der Führung Moldau wegen der Entscheidung, sich an den EU-Sanktionen gegen Russland zu beteiligen, mit Vergeltung. "Wir betrachten dies als einen weiteren feindseligen Schritt der Führung Moldawiens, die vollständig in die antirussische Kampagne des 'kollektiven Westens' integriert ist", teilt das russische Außenministerium mit.



Das Parlament Moldaus hatte ein Gesetz verabschiedet, das unter anderem Maßnahmen gegen Personen und Institutionen vorsieht, gegen die die EU wegen des russischen Einmarschs in die Ukraine Sanktionen verhängt hat.
Selenskyj wechselt mehrere Generäle bei Nationalgarde aus
21.55 Uhr: Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat per Erlass mehrere hochrangige Generäle der Nationalgarde entlassen. Als hochrangigster Offiziere musste der 1. stellvertretende Chef der Nationalgarde, Generalleutnant Wolodymyr Kondratjuk gehen, wie aus den am Freitag veröffentlichten Präsidialerlassen hervorgeht. Daneben traf es drei weitere Stellvertreter, Generalleutnant Olexandr Nabok, und die beiden Generalmajore Oleh Sachon und Mykola Mykolenka. Bis auf Sachon waren alle Generäle schon vor dem Krieg im Amt.
Die Hintergründe der Umbesetzungen in der Führung der Nationalgarde sind noch nicht bekannt. Erst vor wenigen Monaten hatte Selenskyj den Chef der Behörde ausgetauscht und mit Olexandr Piwnenko einen kampferfahrenen Offizier an die Spitze gesetzt.
Die Nationalgarde ist ein paramilitärischer Verband, der dem ukrainischen Innenministerium untersteht und eigentlich für Grenzsicherung und den Schutz der inneren Sicherheit verantwortlich ist. Nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine kämpft die Nationalgarde aber auch an der Front.
Russland erklärt Ex-Regierungschef zum Auslandsagenten
21.04 Uhr: Die russischen Behörden haben den ehemaligen Regierungschef des Landes, Michail Kassjanow, zum Auslandsagenten gestempelt. "Kassjanow hat sich an der Schaffung und unbegrenzten Verbreitung von Meldungen und Materialien ausländischer Agenten beteiligt und Falschinformationen über Entscheidungen der öffentlichen Gewalt in Russland und ihre Politik verbreitet", heißt es in einer Pressemitteilung des russischen Justizministeriums. Außerdem wird ihm sein Engagement gegen den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zur Last gelegt.
Der heute 65-Jährige war in der ersten Amtszeit von Präsident Wladimir Putin von 2000 bis 2004 Regierungschef in Russland. Anschließend überwarf er sich mit dem Kremlchef und ging in die Opposition. 2008 wurde er von den Behörden wegen angeblich falscher Unterstützerunterschriften nicht als Kandidat bei den Präsidentenwahlen registriert. Er galt als Vertrauter des 2015 ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow. Im vergangenen Jahr verließ Kassjanow als erklärter Kriegsgegner wenige Monate nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sein Heimatland.
Mit der Bezeichnung Auslandsagent lässt die russische Führung Oppositionelle und Kritiker brandmarken. Wer in Russland als "ausländischer Agent" gelistet ist, muss mit zahlreichen Nachteilen rechnen.
Kiew verspricht Wehrpflichtigen Entlassung aus den Streitkräften
20.33 Uhr: Trotz des anhaltenden russischen Angriffskriegs will die ukrainische Führung Soldaten am Ende ihrer Pflichtwehrdienstzeit aus den Streitkräften entlassen. In der Generalstabssitzung seien schwere Fragen der Mobilmachung, Demobilisierung und Rotation angesprochen worden, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj in seiner täglichen Videobotschaft.
Es gehe um Wehrpflichtige, die noch vor Beginn des Kriegs eingezogen worden seien. Laut dem Sekretär des Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrats der Ukraine, Olexij Danilow, hat Selenskyj die Militärführung darum gebeten, diese Soldaten zu demobilisieren.
Während Danilow erklärte, die Entlassungen sollten schon in nächster Zeit beginnen, hielt sich Selenskyj selbst deutlich bedeckter. In der nächsten Woche soll demnach erst einmal ein konkreter Plan zur Mobilmachung vorgestellt werden.
- Material der Nachrichtenagenturen AFP, DPA, Reuters