Nach Krise bei Baywa: Aufsichtsrat steht vor Umbau – müssen Mitglieder weichen?
Den Aufsehern des angeschlagenen Agrarriesen wird vorgeworfen, als Kontrollinstanz versagt zu haben. Nun soll das Gremium professionalisiert werden.
Vor einem Jahr rutschte die Baywa beinahe in die Pleite. Das rief auch Kritik am Aufsichtsrat des Münchner Agrarkonzerns hervor. Der Vorwurf: Er habe mehr als ein Jahrzehnt den hemmungslosen Expansionskurs des ehemaligen Baywa-Chefs Klaus Josef Lutz kritiklos mitgetragen, der zu den Milliardenschulden und den Finanzproblemen des Konzerns führte. Auch das von den Baywa-Eigentümern eingeforderte Sanierungsgutachten bestätigt das und spricht von einem „Mangel an stringenten Kontrollsystemen“ bei der Baywa sowie von „Verbesserungspotenzial bei der Zusammensetzung des Aufsichtsrats“.
Nun könnten Konsequenzen folgen: Der Aufsichtsrat der Baywa soll professionalisiert und Mitglieder ausgetauscht werden. Das einflussreiche Kontrollgremium, das den Vorstand bestellt und wichtige Entscheidungen mitträgt, steht damit vor einem Umbruch.
Aufsichtsrat von Baywa soll umgebaut werden: Ein Relikt aus der Ära Nüssel-Lutz
16 Mitglieder hat der Baywa-Aufsichtsrat derzeit, er ist je zur Hälfte aus Vertretern der Arbeitnehmer und der Eigentümer zusammengesetzt. Geprägt wurde er lange Jahre durch Manfred Nüssel, der ab 1983 im Gremium saß und dieses von 2000 bis 2023 leitete – also auch in der Expansionsphase unter Lutz von 2008 bis 2023. Pikant: Nüssel war Duz-Freund und CSU-Parteikollege von Lutz. Statt ihn zu kontrollieren, habe Nüssel Lutz vorbehaltlos unterstützt, heißt es von Kennern des Unternehmens.
Der Aufsichtsrat sei in dieser Zeit eine „Abnick-Veranstaltung“ gewesen. Kritische Fragen habe Nüssel meist abgebügelt, das präge den Rat bis heute. Mit Bauernverbands-Präsident und CDU-Mitglied Joachim Rukwied sowie der CSU-Politikerin Monika Hohlmeier gebe es zudem eine regelrechte Unions-Seilschaft im Kontrollgremium. Zumindest die gelernte Hotelkauffrau und ehemalige bayerische Kultusministerin Hohlmeier habe sich nicht durch großes Fachwissen für den Job als Aufseher qualifiziert, spotten Kritiker.
Baywa-Aufsichtsrat vor Umbau – wer seinen Platz räumen könnte
Dem aktuellen Aufsichtsratschef Gregor Scheller, der auf dem Höhepunkt der Krise im Sommer 2024 ins Amt kam, um die Sanierung zu begleiten, bleibt deshalb kaum anderes übrig, als den Aufsichtsrat umzubauen und einen Kulturwandel einzuleiten. Das geschieht auch auf Druck der Baywa-Eigentümer, denen die Unternehmensberatung Roland Berger eindringlich rät, das Gremium zu reformieren, um Krisen wie die Beinahe-Pleite vor einem Jahr künftig zu verhindern. Dafür hat Scheller laut Informationen unserer Zeitung die Unternehmensberatung Russell Reynolds auswerten lassen, an welchen Kenntnissen es im Aufsichtsrat mangelt. Ergebnis: Im Finanzbereich, der nicht nur für die Sanierung zentral ist, aber auch bei Themen wie Handel und Digitalisierung, die für die Neuaufstellung des Konzerns mit seinen 400 Filialen enorm wichtig sind. Hier muss der Chef des Rates schnell nachbessern.
Konkret bedeutet das: Um Platz für neue Mitglieder zu schaffen, müssen alte weichen. In Frage kommen dafür zunächst Hohlmeier, die schon wegen des öffentlichen Drucks kaum haltbar ist, aber auch Monique Surges. Die Neuseeländerin sitzt als eine Art Beauftragte für den Apfelhändler Turners and Growers aus Neuseeland im Gremium. Die unter Lutz zugekaufte Firma soll demnächst wieder veräußert werden, um Baywa-Schulden zu begleichen. Surges‘ Anwesenheit im Aufsichtsrat wäre damit nicht mehr nötig. In einer zweiten Umbaurunde könnte zum Beispiel auch Rukwied wegen einer Altersklausel ausscheiden, die derzeit offenbar intern diskutiert wird. Der Bauernpräsident wird bald 64 Jahre alt.

Sitzungen bei Baywa laufen professioneller ab
Das Problem: Alle Mitglieder im Aufsichtsrat sind bis 2028 gewählt. Einfach rauswerfen kann man sie nicht, sie müssen freiwillig zurücktreten. Hier dürften in nächster Zeit viele Gespräche geführt werden, bei denen Fingerspitzengefühl und Überzeugungsarbeit nötig ist. Weil die Amtsperioden mit derzeit fünf Jahren relativ lang sind, soll intern eine Verkürzung im Gespräch sein.
Erste Änderungen sind zudem bereits erfolgt: Scheller soll den Ablauf der Sitzungen besser strukturiert haben, damit die Aufseher tiefere Einblicke bekommen. Statt nur ein Treffen des Rates gibt es jetzt jeweils drei: Im ersten stellt ein Experte die wichtigsten Problemfelder vor, im nächsten Termin haben die Aufsichtsräte Zeit für Fragen und Beratungen, erst im dritten Treffen wird dann abgestimmt. Eine gute Maßnahme, damit das Gremium bessere Entscheidungen trifft – aber wohl nur ein erster Schritt auf einem langen Weg von einem Abnick- zurück zu einem echten Kontrollgremium.