Eine Haus- oder Abschlussarbeit für die Universität zu schreiben ist zeitaufwendig und anstrengend. Aus diesem Grund verwenden mittlerweile viele Studenten KI-Assistenten, um ihnen das Schreiben und Korrigieren zu vereinfachen.
FOCUS online hat mit dem Generationenforscher Rüdiger Maas und dem Zukunftsforscher Hartwin Maas über die Thematik, wie sich KI auf die Wissenschaft und den Arbeitsmarkt auswirken kann, gesprochen.
In der Diskussion um den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) für wissenschaftliche Arbeiten stehen verschiedene Aspekte im Fokus. Laut Rüdiger Maas könne KI durchaus als Unterstützung, ähnlich einem "Sparringspartner", genutzt werden, indem sie Vorschläge zur Ergänzung oder Verbesserung von Arbeiten liefert. Schwieriger gestalte sich die Situation jedoch, wenn KI selbst als Verfasser fungiere.
Gen Z und ChatGPT: Erkennbarkeit von KI-gestützten Arbeiten
Ein kritischer Punkt sei laut Rüdiger Maas die Erkennbarkeit, ob eine Arbeit von einem Schüler oder Studierenden selbst verfasst oder von einer KI erstellt wurde. Leser können durch die Analyse des Gesamteindrucks einer Arbeit die Verwendung von KI erkennen.
Besonders auffällig werde dies bei "schwachen" Studenten, deren Niveau nicht immer im Einklang mit der Qualität KI-generierter Texte stehe. Der Generationenforscher schlägt daher vor, den mündlichen Teil in Prüfungen stärker zu gewichten.
Mithilfe weniger Fragen soll dann "deutlich werden wie reflektiert der jeweilige Autor seine (…) Arbeit auf verschiedenen Eben widergeben kann, wie gut und tiefgehend er (…) auf Fragen antworten kann und wie sehr er (…) mit dem Wissen 'jonglieren‘'kann".
Die Rolle der Geisteswissenschaften im Kontext von KI
KI könnte zu einer Abwertung der geisteswissenschaftlichen Bereiche führen, vermutet Rüdiger Maas. Zusammenfassungen und Routineaufgaben – traditionell wichtige Bestandteile geisteswissenschaftlicher Berufe – werden zunehmend durch KI ersetzt oder ergänzt.
Rüdiger Maas beschreibt die Thematik wie folgt: "ChatGPT kann mir ganze Skripte und Bücher zusammenfassen. Diese müssen dann nicht mehr gelesen werden, über Inhalte wird weniger diskutiert, der Stoff weniger reflektiert und infolge auch viel weniger gemerkt bzw. verinnerlicht. Je mehr wir googlen oder ChatGPT nutzen, desto oberflächlicher gehen wir mit den Ergebnissen um. Eigentlich genau das Gegenteil eines geisteswissenschaftlichen Studiums".
Zukunftsaussichten für die Geisteswissenschaft
Es ist auch wahrscheinlich, dass viele Arbeitsbereiche, in denen Geisteswissenschaftler tätig sind, in Zukunft durch KI ersetzt werden, wie beispielsweise Lektorate, Übersetzungen und journalistische Routinearbeit.
Dennoch könnten Geisteswissenschaftler eine neue Rolle übernehmen, indem sie sich auf ethische, rechtliche und gesellschaftliche Fragen konzentrieren. Dies bedeutet, "die zwischenmenschlichen Skills wie (…) Empathie werden in diesen Feldern wichtiger". Hartwin Maas hat "Schwierigkeiten" dabei, eine Karriere in den Geisteswissenschaften zu empfehlen. Besonders kritisiert er die "Copy Paste-Mentalität", die durch die Verwendung von KI entsteht.
Trotzdem sollen Personen, denen die Geisteswissenschaften wichtig sind, die Spaß daran haben und motiviert sind, sich nicht so leicht von dem Weg abbringen lassen. Auch er weist darauf hin, dass durch die vermehrte Verwendung von KI neue Fragen entstehen oder offen sind, denen sich die Geisteswissenschaft annimmt.
Beeinflussung des beruflichen und akademischen Weges durch KI
Die zunehmende Rolle von KI könnte bestehende akademische und berufliche Wege stark verändern. Ein weiterer Punkt, den Hartwin Maas nennt, ist die steigende Bedeutung des Handwerks, was zur Neugestaltung der Berufswahl beitragen könnte. Er kritisiert jedoch "die übertriebene Akademisierung in der deutschen Gesellschaft", die "uns auch auf die Füße fallen" wird. Die Schweiz ist ausgeglichener, was die akademische und berufliche Bildung anbelangt.
Der Zukunftsforscher weist auf die Vorteile von handwerklichen Berufen hin. Auszeichnen würden diese sich durch "stabiles Einkommen, zukunftssicherer Job, gute Karrierechancen, frühere Selbstständigkeit, sinnvolle Arbeit, höhere Zufriedenheit". Auch erwähnt er, dass Menschen in handwerklichen Berufen schon viel früher Geld verdienen als Studenten. Sie verfügen somit über mehr Vermögen, da sie schon früher in den Beruf eingestiegen sind.
Hartwin Maas erwartet, dass die "Erfolgskurve vieler Handwerksberuf(e)" in Zukunft, besonders wegen KI, weiter ansteigen wird. Jedoch müssen junge Menschen erst für das Handwerk begeistert werden. Hierbei sei es wichtig, die Vorteile der Berufe zu betonen und (Schüler)-Praktika anzubieten, um das Handwerk erlebbarer zu machen.
Einsteiger-Jobs werden dank KI "obsolet" werden
Der Zukunftsforscher prophezeit, dass KI sich besonders negativ auf Einsteiger-Jobs auswirkt und diese bis 2030 "obsolet" machen wird. Es wird nötig sein, "Ausbildung und Arbeit völlig neu zu denken". Tätigkeiten wie Marketing, Entry-Level-Coding, Lager-Tätigkeiten oder Vorarbeit im Recruitung werden von KI übernommen, was Berufseinsteiger mit komplexeren Aufgaben konfrontiert.
Er prophezeit aber auch, dass es im Jahr 2035 viele Berufe geben wird, die uns heute noch nicht bekannt sind: "Viele Berufe werden durch KI und Automatisierung übernommen, gleichzeitig mehr neue geschaffen". Laut Hartwin Maas werden Arbeitnehmer immer komplexer werdende Aufgaben übernehmen müssen, weil Künstliche Intelligenz sich um die Routinearbeit kümmern wird.
Zudem könne der traditionelle Bildungsweg, wie das Gymnasium und Universitätsstudiengänge, in Frage gestellt werden, da der Arbeitsmarkt vermehrt Fähigkeiten und technologische Kenntnisse priorisiert. Dies könnte langfristig den Wert bestimmter Studiengänge und auch des Gymnasialweges beeinflussen.