84.000 Euro Rente gehen verloren: Experte warnt – und lässt radikalen Vorschlag verlauten
Finanzexperte Matthias Wolf kritisiert private Renten-Anbieter. Laut seinen Berechnungen entgehen Kunde bis zu 84.000 Euro. Seine Idee soll Abhilfe schaffen.
München – Auf die gesetzliche Rente allein können sich künftige Generationen kaum noch verlassen. Der demografische Wandel bringt den Generationenvertrag ins Wanken: Immer mehr Rentner stehen immer weniger Beitragszahlern gegenüber – und das Ungleichgewicht wächst weiter. Laut Berechnungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) gehen bis zum Jahr 2036 knapp 20 Millionen Babyboomer in den Ruhestand, während nur etwa 12,5 Millionen Jüngere nachrücken.

Das deutsche Rentensystem gerät dadurch zunehmend in Schieflage. Schon heute gilt als sicher, dass die gesetzliche Rente allein nicht ausreichen wird, um den Lebensstandard im Alter zu halten. Private Altersvorsorge wird damit unverzichtbar. Doch viele Angebote auf dem Markt sind teuer, unübersichtlich und schwer vergleichbar. Finanzexperte Matthias Wolf übt scharfe Kritik an der Praxis privater Rentenversicherer – und bringt selbst einen radikalen Vorschlag ins Spiel.
Mehr Rente durch private Altersvorsorge: Experte öffnet „Büchse der Pandora“
Zur privaten Altersvorsorge stehen zwar zahlreiche Instrumente offen – von klassischen Lebens- und Rentenversicherungen über Riester-Renten bis hin zu Anlagen in Fonds oder Immobilien. Doch gerade diese Vielfalt macht die Entscheidung für viele unübersichtlich. Unterschiedliche steuerliche Regeln, schwer durchschaubare Vertragsbedingungen und variierende Kostenstrukturen sorgen dafür, dass selbst gut informierte Sparer oft den Überblick verlieren.
Genau an diesem Punkt setzt die Kritik von Matthias Wolf an. Der Finanzexperte war selbst jahrelang für große Versicherer tätig – „über 20 Jahre auf der dunklen Seite der Macht“, wie er es im Gespräch mit IPPEN.MEDIA beschreibt. Heute berät Wolf unabhängig als Geschäftsführer der Goldpfad GmbH und kritisiert offen die Kalkulationsgrundlagen vieler Anbieter. Nach eigenen Angaben habe er angefangen, die richtigen Fragen zu stellen und „damit die Büchse der Pandora geöffnet“.
Weniger Rente ausgezahlt: das Problem mit der Lebenserwartung
Besonders kritisch sieht Wolf, wie Rentenversicherer die Lebenserwartung kalkulieren. Während das Statistische Bundesamt bei Frauen aktuell von einer durchschnittlichen Lebenserwartung von etwa 83 Jahren und bei Männern von 79 Jahren ausgeht, rechnen viele Versicherer in ihren Verträgen mit 115 bis 120 Jahren. Das klingt zunächst wie ein großzügiger Sicherheitspuffer, führt in der Praxis aber dazu, dass die monatlichen Rentenzahlungen künstlich nach unten gedrückt werden.
Laut Wolf kommt durch diese Praxis ein erheblicher Teil des angesparten Kapitals gar nicht zur Auszahlung. Am Beispiel der MetallRente habe er nachgerechnet: Stirbt eine versicherte Person mit 83 Jahren, seien noch über 90 Prozent des Guthabens aus dem zum Rentenbeginn vorhandenen Kapital im Vertrag vorhanden. Für zukünftige Rentner bedeutet das: Sie bekommen deutlich weniger Rente ausgezahlt, während auf Seiten der Anbieter hohe Restbeträge verbleiben.
84.000 Euro Verlust: Experte zeigt Renten-Einbußen mit Beispielrechnung
Wie groß die Einbußen sein können, zeigt der Finanzexperte am Beispiel der MetallRente: Wird bei einem Vertrag eine monatliche Rente von 500 Euro ausgewiesen, müsste die Auszahlung deutlich höher liegen – nach seinen Berechnungen um rund 70 Prozent. Statt 500 Euro wären es also 850 Euro im Monat. Die Differenz von 350 Euro pro Monat summiert sich auf 4200 Euro pro Jahr. Hochgerechnet auf 20 Rentenjahre ergibt das einen Verlust von 84.000 Euro, die dem Kunden entgehen.
Warum schadet der demografische Wandel dem Rentensystem?
In Deutschland finanziert die arbeitende Generation über den sogenannten Generationenvertrag die Renten der älteren. Doch durch den demografischen Wandel kommen immer mehr Ruheständler auf immer weniger Beitragszahler. Nach Informationen des Demografieportals des Bundes und der Länder stehen schon heute einem Ruheständler nur noch zwei Beitragszahler gegenüber. Das bringt das umlagefinanzierte System an seine Grenzen.
Auf der Website der MetallRente heißt es dazu: „Wir leben länger als wir denken. Wir werden immer älter und beziehen damit durchschnittlich sieben Jahre länger Rente als wir selbst vorher denken. Statistiken zufolge erlebt jedes zweite Kind, das heute geboren wird, seinen 103. Geburtstag. Ein längeres, gutes Leben bedeutet also auch, dass wir für später mehr Geld brauchen.“ Auf welche Statistiken sich dabei bezogen wurde, wird den Kunden aber vorenthalten.
Mehr Transparenz: Experte will „Nutri-Score“ für die Rente
Vor allem die jüngere Generation ist darauf angewiesen, zusätzlich privat für das Alter vorzusorgen. Doch wie Wolfs Beispielrechnung zeigt, können Verträge intransparent sein und erhebliche Nachteile bergen. Um hier mehr Klarheit zu schaffen, schlägt der Experte ein Bewertungssystem vor: einen „Nutri-Score“ für Rentenprodukte. Mithilfe einer Farbskala sollen Kunden erkennen, ob ein Angebot transparent und fair ist – oder ob Kosten und Kalkulation zum Nachteil werden.
Wolf betont, dass seine Idee noch am Anfang steht – sieht darin aber großes Potenzial. Ein solches Label könne nicht nur Orientierung bieten, sondern auch den Druck auf die Versicherungswirtschaft erhöhen, flexiblere Produkte zu entwickeln. Für ihn sei es wichtig, dass Verbraucher überhaupt die Wahl haben: Für manche sei ein „stockkonservativ“ kalkuliertes Modell in Ordnung. Entscheidend sei jedoch, dass die Auswirkungen der Kalkulation offengelegt werden.
Am Ende bleibt für Wolf eine klare Botschaft: „Lieber eine schlechte Vorsorge als gar keine.“ Altersvorsorge sei vor allem „gelebte Eigenverantwortung“ und könne niemandem abgenommen werden. Wichtig sei, auf langfristige Strategien zu setzen und sich nicht von vermeintlichen Abkürzungen oder Versprechen locken zu lassen. Denn Vermögensaufbau funktioniere nur stetig, regelmäßig – und mit dem Bewusstsein, dass jeder selbst für seine finanzielle Zukunft verantwortlich ist. (cln)