Kommentar: Warum Zentralisierung auf Kosten des Ehrenamts der falsche Weg ist
Kempten – Das Subsidiaritätsprinzip ist ein hohes Gut in unserem föderalen Staat. Bei der Vergabe von Aufgaben sollten Organisationen auf der kleinsten zuständigen Ebene bevorzugt werden, um diese zu stärken. Auf der kommunalen Ebene heißt das, dass die Stadt nicht alles selbst in die Hand nimmt, sondern Vereine, Bürgerinitiativen, Wohlfahrtsverbände, gemeinnützige Gesellschaften ins Boot holt, wo es möglich ist. In Kempten scheint zurzeit genau das Gegenteil zu passieren. Drei Beispiele seien hier genannt:
Beispiel City-Management
Zentrale Tätigkeitsfelder, die das City-Management seit langem erfolgreich ausgeübt hat, wurden in eine städtische Stadtmarketing-Gesellschaft übertragen. Mit der inhaltlichen Begründung (wachsende Stadt, Synergien, gesamtstädtisches Konzept, usw.) sind auch die meisten Betroffenen einverstanden und beim zweiten Blick sehen sie auch die Vorteile für ihren Verein (siehe Seite 2). Aber man kann die berechtigte Frage stellen, warum das neue Konzept nicht im Dialog mit ihnen entstanden ist. Die Stadträte fragen sich im Nachhinein, was ihre Entscheidungen auf der Grundlage der Darstellung der Verwaltung, das City-Management sei informiert und einverstanden, in den Vereinsmitgliedern ausgelöst haben mögen. Der Verein hätte an der Situation auseinanderbrechen können! Das Geschick des Cima-Geschäftsführers Christian Hörmann und die Professionalität des Vereinsvorstandes haben wesentlichen Anteil daran, dass jetzt ein Neuanfang möglich ist.
Beispiel Kindertagespflege
Die Stadt ist verpflichtet, im Bereich der Kindertagespflege für eine Ersatzbetreuung zu sorgen. Als sie diese Leistung nicht erbringen konnte, sind die Träger vor Ort mit eigenen Ressourcen eingesprungen. Später signalisierten sie jedoch der Verwaltung, dass sie diese Kosten wegen der steigenden Preise selbst nicht mehr stemmen können. Da die Antwort lange ausblieb, wandte sich ihr Verein, das Netzwerk Kindertagespflege Kempten/Oberallgäu an die Mitglieder des Jugendhilfeausschusses und später an die Öffentlichkeit. Man muss sich fragen: Ist dieser Schritt der Grund dafür, dass die Verwaltung die naheliegenden Lösungsvorschläge des Vereins, das Problem mithilfe einer angemessenen finanziellen Unterstützung der Stadt schnell und nachhaltig zu lösen, ausschlägt und darauf beharrt, selbst tätig zu werden, obwohl sie im Ausschuss bereits mehrmals eingestehen musste, dass das nicht funktioniert?
Beispiel Haus International
Auch der Vorstand des Haus International bekam Kritik, weil er sich erlaubt hat, sich an die Mitglieder des Haupt- und Finanzausschusses zu wenden, nachdem er von den Plänen der Verwaltung erfahren hatte, den kommunalen Zuschuss drastisch zu kürzen. Die Angst, dass das Ziel die „Abwicklung des Vereins“ ist, wie Franz Josef Natterer-Babych in seiner Haushaltsrede formulierte, ist berechtigt. Der Vorschlag, für das Haus einen „Verwalter“ einzusetzen, der die Räume an verschiedene Akteure vergibt, ging auch in diese Richtung; nach einem schlüssigen Konzept hinter diesem Plan wurde im Haupt- und Finanzausschuss vergeblich gefragt. Der Autor dieser Zeilen hat als Geschäftsführer des Hauses die Widersprüchlichkeit der Forderungen selbst erlebt. Hier nur ein Beispiel: Einerseits soll man Drittmittel akquirieren, andererseits „lieh“ die Verwaltung eine vom Haus International durch das Einwerben von neuen Mitteln frei gewordene Halbtagsstelle für eigene Zwecke „aus“, die der Verein für das Akquirieren neuer Mittel einsetzen wollte. Das Amt brachte diese Stelle als Eigenmittelanteil in ein vom Haus International vorgeschlagenes, aber anderswo umgesetztes Projekt ein, schreckte aber nicht davor zurück, im Anschluss den Verein zu kritisieren, dass man die Aufgabe des Akquirierens nicht aktiv genug angehe.
Inzwischen ist der Geschäftsführer gekündigt, die Besetzung einer Nachfolge dürfe nur unter aktiver Mitwirkung der Stadtverwaltung erfolgen. Die Lücke solle eine Mitarbeiterin des Amtes für Integration füllen, hört man aus dem Umfeld des Hauses. Offen sprechen will niemand. Die Ehrenamtlichen fragen sich: Sollen wir zustimmen oder gleich ganz aufgeben? Rat von außen zu holen, könnte wieder gegen sie ausgelegt werden. Wie viele Vereine kämpft auch das Haus International mit Problemen. Die Strukturen sind auf eine sehr engagierte Person ausgerichtet, mit allen Vor- und Nachteilen. Aber löst man das Problem, indem man dem Verein die Existenzgrundlage entzieht? Wäre es nicht besser, einen im Vereinswesen erfahrenen, neutralen Mediator zu engagieren und die ehren- und hauptamtlichen Strukturen zu stärken?
Oberbürgermeister Thomas Kiechle betont in seinen Reden regelmäßig, wie wichtig ihm die Unterstützung von Vereinen und ehrenamtlichen Strukturen sei. Wie kann er in der von ihm geleiteten Verwaltung das Gegenteil zulassen?