Je holpriger der Start, umso besser?
Kempten – Bei der diesjährigen Jahresversammlung des Vereins City-Management im Kemptener Fürstensaal war vielen Mitgliedern nicht zum Feiern zumute.
Dr. Richard Schießl, der von Anfang an Zweiter Vorsitzender ist, erinnerte sich in seinem Rückblick an den damaligen „holprigen“ Start. Die Vereinsgründung war eine Reaktion auf die Entstehung des Forum Allgäu gewesen. Eine Stunde vor der Gründungsversammlung gab es noch keinen Kandidaten für den Vorsitz. Wie Frank Edele, der sich trotz seines an seine Frau gegebenen anders lautenden Versprechens in der letzten Minute bereit erklärt hatte, Verantwortung zu übernehmen, bestätigt unserer Zeitung gegenüber, dass die Vorgängerorganisation „Aktionsgemeinschaft“ 2003 finanzielle Probleme hatte und die Stadt die Vereinsgründung als Voraussetzung für ihre Unterstützung nannte. Es war viel Engagement nötig, bis die ersten Hauptamtlichen angestellt werden konnten und die Spaltung zwischen Befürwortern und Gegnern des Forums der Vergangenheit angehörte.
Eine von Sigrid Stadler erstellte Bildpräsentation und die Erläuterungen des scheidenden Geschäftsführers Niklas Ringeisen zeigten in der jetzigen Versammlung eindrucksvoll auf, wie professionell und erfolgreich die Organisation heute arbeitet. Man denke beispielsweise an das Stadtfest, an die Einkaufsnacht, an die Mobilitäts-, Sport und Familientage, an die Neugestaltung der Weihnachtsbeleuchtung, an den Tag der Musik, an die Innenstadtgestaltung mit Lampions, an den Aktionstag Nördliche Innenstadt, an die Schexs in the City, an die Aktionen im Pfeilergraben, an das Leerstandsmanagement, an die Beteiligung an mehreren Projekten zur Wiederbelebung der Innenstadt. „Je holpriger der Start, desto besser wird es später?“, fragte Vorstandsvorsitzender Dietmar Wolz, um zu der von allen mit Spannung erwarteten Präsentation des Geschäftsführers der CIMA Beratung und Management GmbH, Christian Hörmann, überzuleiten. Er führte in den letzten Wochen Gespräche darüber, wie die meisten Aktivitäten des City-Managements in die vor kurzem gegründete Stadtmarketing und Tourismus GmbH überführt werden sollen und was das für die Zukunft des Vereins bedeutet.
Das Konzept
Sein Vorschlag sei ein Angebot, auf dessen Grundlage man weiter verhandeln könne, betonte Hörmann. Um auf die Frage zu antworten, welche Art von Innenstadt man brauche, um zukunftsfähig zu bleiben, sei das City-Management nötiger als je. Bei einer Fusion entstehe immer „Reibungswärme“. Auch wenn die Beteiligten sich lange kennen, müsse das Vertrauen in der jetzigen Situation neu erarbeitet werden. Für die Verzahnung und den Übergang seien verbindliche Vereinbarungen unabdingbar. Heutzutage könne man Vereinen nicht mehr empfehlen, das Risiko von Großveranstaltungen auf sich zu nehmen. Eine breit aufgestellte städtische GmbH biete bei einem Ausfall mehr Sicherheit.
„Das City-Management mit 190 Mitgliedern ist die wichtigste Unternehmensvertretung der Kemptener Innenstadt“, betonte er. Es dürfe seine Unabhängigkeit auf keinen Fall aufgeben, seine „kritisch konstruktive Stimme“ werde dringend gebraucht, um die Attraktivität und Lebensqualität in Kempten zu stärken. Nach seinem Vorschlag sollte die Stadtmarketing GmbH die strategischen und operativen Aufgaben sowie das Personal des Vereins übernehmen und nahtlos weiterführen. Ein entsprechendes Angebot für die Angestellten liege vor. Zusätzlich zum jetzigen Beirat des Stadtrates sollte ein zweiter Beirat aus den Delegierten des City-Managements gegründet werden, der die Geschäftsführung der GmbH berate.
Hörmann ist für die Einrichtung eines Innenstadtprojektfonds aus den Mitgliederbeiträgen des Vereins. Diese könnten dem Erfolgsrezept anderer Städte folgend durch städtische Mittel und staatliche Fördermittel verdoppelt werden. Die Entscheidung über die Verwendung der Mittel liege beim zweiten Beirat, also beim Verein. Er empfiehlt der Stadt, sich dazu zu verpflichten, vor wichtigen Entscheidungen der Innenstadtentwicklung den Verein im Voraus aktiv zu informieren und um Stellungnahme zu bitten. Die Aufgaben der Geschäftsführung des Vereins sollte in Zukunft die Stadtmarketing GmbH gewährleisten. Wichtig sei im Moment, die Übergabe der Finanzen, des Personals und der Inhalte klar zu strukturieren. Es dürfe kein Vakuum entstehen, die reibungslose Durchführung der für 2024 geplanten Projekte müsste größte Priorität bekommen.

Die Meinungen
Der Prozess sei in falscher Reihenfolge gelaufen. Der Souverän des Vereins erfährt als letzter, was geplant sei, eröffnete Klaus Peter Wildburger die Diskussion. „Eine ganze Menge Porzellan ist zerschlagen worden.“ Hierbei habe man Niklas Ringeisen als Geschäftsführer verloren. Die Idee sei grundsätzlich gut, aber „der Weg unterirdisch“. In dem Prozedere sei „nichts gemeinsam“ gewesen, auch wenn der Oberbürgermeister mehrmals das Gegenteil behauptet habe. Er forderte, mehrere Vertreter des City-Managements mit Stimmrecht in den Aufsichtsrat aufzunehmen. Die Sache sei im Grunde bereits entschieden, meinte Werner Plein. Es gehe in der Diskussion unter, was Ringeisen in den letzten acht Jahren geleistet habe.
Josef Beer wunderte sich über die „Kurzfristigkeit“ der Informationen und äußerte seine Bedenken, dass in der neuen Struktur das ehrenamtlich geführte City-Management „auf die Seite geschoben werden“ könnte. Auch Bernhard Lingg sah die Gefahr, dass der Verein langfristig von der GmbH „ausgeblutet“ werden könnte und fragte den Oberbürgermeister, ob die Stadt das City-Management weiterhin finanziell unterstütze, wenn die Versammlung sich gegen die Fusionspläne entscheiden würde. Die städtischen Zuschüsse fließen in Zukunft in die GmbH, dem Verein blieben bei einer negativen Entscheidung die Mitgliedsbeiträge, stellte Thomas Kiechle klar. Er bat, gemeinsam nach vorne zu schauen und keine Angst vor einem Wandlungsprozess zu haben. Der Oberbürgermeister erinnerte daran, dass die Stadt in der Pandemie dem Verein unter die Arme gegriffen habe, ohne über Vertrauen zu diskutieren. Christian Hörmann hob hervor, dass es sich um eine freiwillige Aufgabe der Stadt handle und Kempten investiere hier weiterhin, während andere Kommunen darüber nachdenken, sich nur noch auf ihre Pflichtaufgaben zu reduzieren. Peter Müller fand diese Willenserklärung gut und empfahl eine pragmatische Herangehensweise: „Augen zu und durch. Man muss es tun und nicht jammern.“ Der Erfolg hänge sowieso vor allem von den handelnden Personen ab. Manuel Burkart empfahl auch, nach vorne zu schauen, den Austausch zu intensivieren, die bestehenden engen Kontakte zu nutzen, um einen gemeinsamen Weg zu finden. Es dürfe keine Konkurrenzveranstaltung entstehen, warnte er.
„Nicht die Stadtmarketing GmbH ist unser Thema“, warnte Stefan Löser. Man sollte lieber über die zukünftige Rolle des Vereins sprechen. „Was tun der Verein, der Vorstand und die Mitglieder, wenn wir keine Projekte mehr machen?“ Die Stadt sollte sich zu ihren Erwartungen äußern, dann könne man entscheiden, ob man diese annehme.
Neue Geschäftsleitung
Sie wolle nicht darüber reden, was holprig gelaufen ist, meinte Ekaterina Avdosyev, die im Februar die Geschäftsführung der GmbH übernimmt. Sie empfahl, sich auf das gemeinsame Ziel zu konzentrieren, nämlich die Attraktivität der Stadt, „dieses Schmuckstücks mitten im Allgäu“, zu erhöhen. Es gehe nicht mehr nur um die Innenstadt, sondern um die gesamte Kommune. Es mangele an klaren Absprachen, es werde zu viel hinter den Kulissen geredet, deswegen agiere man oft mit Halbwissen und verunsichere dadurch die Mitglieder und das Team. Avdosyev lebt seit neun Jahren im Allgäu und engagierte sich von Anfang an im Vorstand des City-Managements. Sie kenne den Verein von innen. Sie erinnerte daran, dass der Vorstand oft darüber diskutiert habe, dass die vielfältigen Aufgaben im Rahmen eines Vereins nicht mehr alle erledigt werden könnten. Die neue GmbH biete eine große Chance.
Dietmar Wolz machte darauf aufmerksam, dass der Verein nur bei Inhalten mitsprechen könne, die ihn betreffen. Mit der Taktik „Augen zu und durch“ sei er nicht einverstanden. Der Verein dürfe seine Identität nicht verlieren. „Es wäre fahrlässig, wenn wir verspielen würden, was 20 Jahre lang aufgebaut wurde.“ Der Vorstand kenne das Konzept seit zwei Wochen und sei im Moment in einem Beobachtungsstatus. Die Politik müsse noch viele Dinge überlegen, es handle sich hier um keinen Selbstläufer. „Wir sind ein Mitmachverein und kein Abnickverein.“ Er fügte hinzu: „Wir haben nur die Attraktivität der Innenstadt als Kompass.“ Der Verein müsse sein Rückgrat behalten und sich in dem neuen System wiederfinden. Was mit den Mitgliedsbeiträgen passiere, müsse 100-prozentig von ihm bestimmt werden. Aber der Status quo dürfe nicht zementiert werden. Es sei wichtig, auf die Herausforderungen adäquate Antworten zu finden, auch strukturell. Es reiche jedoch nicht, zwei Organisationen zusammenzulegen, der Effekt müsse viel größer sein.
Lange Diskussion
Wolz wollte für die Verhandlungen ein Votum von der Versammlung bekommen. Darüber entstand eine lange Diskussion. Am Ende, nach viereinhalb Stunden intensiver Diskussion, entschieden die Mitglieder, dass sie sich in etwa drei Wochen wieder treffen. Auch die Vorstandswahlen und die Projektplanung wurden vertagt. Der Vorstand gab schließlich bekannt, anstelle der zurückgetretenen Vorstandsmitglieder Joachim Saukel und Marc Weizenhofer Christian Campagna und Peter Miller zu kooptieren.