Ist Deutschland unattraktiv bei ausländischen Investoren?

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

KommentareDrucken

Der Standort Deutschland wird für Unternehmen zu einer leidigen Angelegenheit. Neben dem Exodus zahlreicher Konzerne sehen auch Investoren immer weniger Potenzial.

Düsseldorf – Das Ansehen des Wirtschaftsstandortes Deutschland sinkt bei ausländischen Investoren zunehmen. Einer aktuellen Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) zufolge haben Unternehmen aus dem Ausland im Jahr 2023 nur 733 Investitionsprojekte angekündigt – ein Zehnjahrestief, wie das Handelsblatt am 2. Mai berichtet.

„Das ist ein Alarmsignal. Deutschland wird abgehängt, andere europäische Standorte entwickeln sich viel dynamischer“, so EY-Deutschlandchef Henrik Ahlers. Während seit 2017 die Zahl der Investitionen in Deutschland um 35 Prozent eingebrochen ist, stieg sie bei Spitzenreiter Frankreich im selben Zeitraum um 20 Prozent. Der Erhebung zufolge liegt Großbritannien mit 985 Projekten (plus sechs Prozent) auf dem zweiten Platz.

Geschäftsrisiko für Investoren: Hohe Steuern und Sozialabgaben bei Arbeitskosten

Ausländische Investoren bemängeln der Untersuchung zufolge hohe Steuern sowie Arbeitskosten, teure Energie und einen zu hohen bürokratischen Aufwand. So zeigen Daten des Statistischen Bundesamts, dass Arbeitgeber im produzierenden Gewerbe und Dienstleister für eine geleistete Arbeitsstunde vergleichsweise hohe Beträge zahlen müssen. Im Jahr 2023 betrug dieser Wert im Durchschnitt 41,30 Euro. EU-weit liegt Deutschland damit auf dem sechsten Platz. „Das im internationalen Vergleich hohe Niveau entwickelt sich immer mehr zu einem Standortnachteil“, so Außenwirtschaftschef der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), Volker Treier

Beratungsfirma Ernst&Young
Das Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young (EY) zeigt in einer Analyse eine sinkende Investitionsbereitschaft aus dem Ausland. © Soeren Stache/dpa-Zentralbild/dpa

„Nicht nur wegen der hohen Inflationsraten und des Fachkräftemangels sind die Löhne deutlich gestiegen, auch die hohe Steuer- und Abgabenlast verteuern das Personal“, sagte Treier weiter. Laut OECD-Studie Taxing Wages 2024 befindet sich Deutschland zwischen 38 verglichenen Ländern auf Platz zwei in puncto Steuerlast. So seien die Steuern erneut aufgrund der Inflation gestiegen. „Der Anstieg der Einkommensteuer in Prozent der Arbeitskosten ist der Hauptgrund für den Anstieg des Steuerkeils“, hieß es in der OECD-Auswertung.

Bürotische Hürden: Digitalisierungs- und Fachkräftemangel bremsen Prozesse aus

Der öffentliche Dienst leiden wegen der demografischen Veränderung unter akutem Fachkräftemangel. Bis 2030 rechnet, man mit einer Personallücke von mehr als einer Million (Quelle: PwC). Experten warnten zuvor bereits, dass bei ausbleibende Gegensteuern der Politik, es zu einem Personalkollaps kommen könne - mit verheerenden Auswirkungen auf bestehende Prozesse in der Verwaltung.

Unternehmen könnten Projekte zunehmend wegen bürokratischer Hürden nicht umsetzen. Wie eine aktuelle KPMG-Umfrage zeigt, sei für 61 Prozent der Befragten CFOs die überbordende Bürokratie größtes Investitionshemmnis. Wegen verwachsener Gesetzesvorgaben nehmen Genehmigungsverfahren weitaus mehr Zeit in Anspruch. In vielen Brachen sind für Verfahren mehrere Behörden zuständig. Auf Genehmigungen warte man Wochen oder Monate.

Die mangelnde digitale Infrastruktur ist darüber hinaus ein weiterer Grund für langwierige Prozesse. 2023 rutscht Deutschland im internationalen Vergleich auf Platz 23 (Quelle: World Digital Competitiveness Rankings). Wie der Branchenverband Bitkom anhand des „Monitors Digitalpolitik“ für das erste Quartal 2024 zusammengefasst hat, konnte die Bundesregierung trotz eines Spitzenwertes von 31 umgesetzten Digitalvorhaben bei der Digitalisierung der Verwaltung oder dem Digitalbudget kaum vorankommen.

Auch interessant

Kommentare