Von der Leyen sagte Trump viel zu – entscheidendes Detail birgt nächsten Streit

Ein förmlicher Handelskrieg wurde vermieden – aber von einem „Friedensschluss“ im Zollstreit zwischen der EU und den USA  kann keine Rede sein. Das, was EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Donald Trump am Sonntag per Handschlag vereinbarten, ist allenfalls ein wackliger Frieden mit vielen Unbekannten und dem Potential für weitere Eskalationen – und dem Amerikaner als Chef im Ring. 

Wie Donald Trump das Machtgefälle inszenierte – und die EU klein beigab

Schon der Umstand, dass von der Leyen in das Trump Turnberry Golfressort an der Westküste Schottlands reiste, wo sich der Präsident privat aufhielt, beleuchtet die unterschiedliche Augenhöhe. 

Man traf sich nicht an Dienstsitzen oder auf neutralem Grund, sondern folgte dem Urlaubsplan des Stärkeren – so wie vor knapp 1000 Jahren, als Kaiser Heinrich IV. zum Bitt- und Bußgang zur Burg Canossa reiste, wo Papst Gregor VII. sich zur Jahreswende 1076/77 als Gast der Markgräfin Mathilde von Tuszien aufhielt.

Während Trump alle Register zog und sein Erpressungspotenzial ausspielte, blieb die EU völlig darauf konzentriert, den drohenden Handelskrieg zu verhindern. Die Folterwerkzeuge, die der EU zur Verfügung gestanden hätten, von einer Besteuerung der europäischen Aktivitäten der US-Tech-Giganten bis zu Marktzugangsgebühren, blieben im Keller, man war sich zu fein, Drohungen mit Gegendrohungen zu beantworten. 

Detail birgt den nächsten Streit

Der Hintergrund: Neben dem Handel gibt es im transatlansichen Verhältnis nun einmal auch das Thema der militärischen Zusammenarbeit. Während beide Felder in der Vergangenheit streng getrennt waren (Compartmentalization), hat Trump sie miteinander verwoben. Schutzgelderpressung nennt man das in anderen Milieus. 

So hat sich Donald Trump  in den meisten Punkten durchgesetzt, Ursula von der Leyen auf etlichen Feldern nachgegeben und Nachforderungen aus Washington sind jederzeit möglich. Das größte Problem aber: Von der Leyens Kommission hat Zusagen gemacht für Deals, die letztlich nicht von der Politik verantwortet werden können, sondern nur von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Hat sie das gekonnt verschwiegen? Oder hofft sie darauf, dass es auf der US-Seite niemand merkt? Klar ist: Es könnte der Anlass für den nächsten Streit sein, wenn die Zusagen nicht eingehalten werden.

Zölle, Drohungen, Deutungsfreiheit: Der Handelsdeal mit Trump 

Nach den bisherigen Verlautbarungen wird der  Zollsatz auf die meisten europäischen Importe in die USA 15 Prozent betragen. Das gilt auch für Autos, Halbleiter und Pharmaprodukte. Die EU hatte eine Einigung auf 10 Prozent angestrebt, die beispielsweise zwischen den USA und Großbritannien erzielt wurden. 

Doch während entsprechende Verhandlungen liefen, hatte Trump in einem Schreiben vom 11. Juli einen Zollsatz von 30 Prozent angedroht, falls bis zum 1. August keine Einigung erzielt werde. Diesen Wechsel zu einem offenen Handelskrieg wollte die EU vermeiden. Vor dem Amtsantritt von Trump lagen die Zölle für Importe aus der EU bei 2,2 Prozent. 

Die von der Trump-Regierung weltweit eingeführten Zölle von 50 Prozent auf Stahl und Aluminium bleiben auch für Importe aus der EU  bestehen, wenngleich von der Leyen andeutete, dass hier weitere Verhandlungen möglich seien.

Doch die Einigung enthält zahlreiche vage Formulierungen und lässt Washington Spielraum für erneute Eskalationen. So gibt es etliche Felder, auf denen beide Seiten den Deal möglicherweise unterschiedlich lesen:

Beispielsweise verkündete Trump, die Europäische Union habe sich bereit erklärt, amerikanische Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar zu kaufen. EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen spezifizierte, diese Käufe würden über drei Jahre verteilt werden. 

Aber besteht darüber Konsens? Der hemdsärmelige Trump pflegt Vereinbarungen nicht nach den (offensichtlich noch nicht ausgearbeiteten) bürokratischen Formulierungen und Spiegelstrichen zu bewerten, sondern nach den Eindrücken, die er aus Gesprächen mitgenommen hat. Da könnte es Überraschungen geben.

Warum die EU bei Energie und Investitionen kaum liefern kann

Der nächste Punkt: Die EU ist kein Energiestoffhändler, und die USA verkaufen nicht Frackingöl oder Gas. Vielmehr agieren in Marktwirtschaften (von Ausnahmesituationen abgesehen) auf beiden Seiten private Konzerne, die miteinander Preise und Bedingungen aushandeln. Nur wenn beide Seiten Vorteile für sich sehen, wird es zu Verträgen kommen. 

Aber das kann die EU den europäischen Energiefirmen keineswegs garantieren. Wenn andernorts LNG-Gas günstiger angeboten werden sollte, wird manche europäische Firma auf schwierige und politisch aufgeladene Verhandlungen mit den US-Partnern verzichten.

Zweiter Punkt möglicher neuer Verkantungen: Die EU sagte laut Trump zu, ihre Investitionen in den Vereinigten Staaten um mehr als 600 Milliarden Dollar über das derzeitige Niveau hinaus zu erhöhen. 

Ein hochrangiger US-Beamter spezifizierte laut New York Times, dass diese Investitionen unter anderem die Pharmaindustrie und die Automobilindustrie umfassen würden. Aber das, was die EU-Kommission verkündet, ist damit noch nicht Teil der Geschäftspläne der davon betroffenen privatwirtschaftlichen Pharma- und Autokonzerne in Europa und vor allem Deutschland. 

Volkswagen, Audi, Porsche oder Mercedes, alle Unternehmen vermeldeten für das vergangene Jahr massive Gewinneinbrüche, und die nun eher diktierten als ausgehandelten 15 Prozent Zölle auf Autoexporte in die USA  macht ihre Kassenlage noch schwieriger. Investitionen in Betriebsstätten in den USA können da theoretisch helfen, aber angesichts der aktuellen Zahlen wäre es nicht überraschend, wenn diese Firmen noch längere Zeit in der Planung verharren, während Trump schon bald in die Umsetzung drängt.

Amerika und Europa: Vertrauen war gestern

Ebenfalls in diesem Zusammenhang zu klären: Ab wann gelten eigentlich die 15 Prozent? Deutsche Autokonzerne und ebenso die zahlreichen Zulieferer warten dringlichst auf konkrete Informationen, ab wann sie zu welchen Aufschlägen in die USA liefern können. 

Lohnt es sich, beispielsweise den Transport von bestimmten Einzelteilen um einige wenige Tage bis zum 1. August aufzuschieben? Oder muss zuvor der gesamte Deal verschriftlicht werden? Dass alle Mitgliedsländer dem Vertrag noch werden zustimmen müssen, sei als Randnotiz erwähnt.

Und: Die USA erhalten weiterhin Vorteile beim Export von Flüssiggas (LNG) und Agrarprodukten, während die EU nur vage Zusagen zur stärkeren Zusammenarbeit in Technologie- und Umweltfragen erhält – also Bereiche, in denen Washington ohnehin sein eigenes Tempo vorgibt.

Was bleibt, ist der Eindruck eines asymmetrischen Deals. Trump feiert sich als Sieger, seine Drohkulisse bleibt bestehen, und Europa klammert sich an die Hoffnung auf Verlässlichkeit – bei einem Partner, der genau diese systematisch zerstört. Die EU hat in diesem Streit nicht souverän verhandelt, sondern bestenfalls Schadensbegrenzung betrieben. 

Gleichwohl bleibt herauszufinden, ob Trump seinem Land und der amerikanischen Volkswirtschaft mit dieser Konfrontationsstrategie wirklich nutzt. Die in der Vergangenheit enge, natürlich auch zuvor nicht konfliktfreie Partnerschaft zwischen Amerika und Europa hat er zweifellos beschädigt: Vertrauen war gestern.

Die wichtigste Lehre: Wer sich auf Trump einlässt, darf keine fairen Spielregeln erwarten. Und wer ihn unterschätzt, verliert doppelt.

Dieser Beitrag erscheint in Kooperation mit The European.