Wettbewerbsnachteil gegenüber China: Europa kämpft um Finanzmarktreform
Der europäische Finanzmarkt gilt als ziemlich zersplittert. Um diesen Wettbewerbsnachteil auszuräumen, möchte die EU schon länger eine Kapitalmarktunion zum Leben erwecken. Doch der Weg ist steinig.
London - Die EU-Finanzmarktaufsicht ESMA fordert mehr Machtbefugnisse, um die seit Jahren geplante Kapitalmarktunion in der Europäischen Union voranzubringen. Die in Paris ansässige Behörde veröffentlichte am Mittwoch ein Positionspapier, in dem sie 20 Empfehlungen für die Ländergemeinschaft aufstellte, wie aus ihrer Sicht Fortschritte hin zu einem einheitlichen Kapitalmarkt erzielt werden können. Dazu gehört unter anderem, der Aufsicht die Zuständigkeit einzuräumen, grenzüberschreitende Geschäfte bei Börsen und von Kryptofirmen zu überwachen.
„Ich denke, dass das Ausmaß an Dringlichkeit und politischer Einsicht, dass ein echter Wandel geschehen muss, wirklich gegeben ist“, sagte ESMA-Chefin Verena Ross der Nachrichtenagentur Reuters. Die Aufsicht sei dabei einer der Aspekte, die es zu berücksichtigen gelte. Die große Mehrheit der Firmen wird nach ihrer Einschätzung aber unter nationaler Aufsicht bleiben.
Debatte seit Jahren: Zersplitterter Finanzmarkt schwächt Europa
Die zersplitterten Finanzmärkte in Europa gelten als großer Wettbewerbsnachteil gegenüber Standorten in den USA oder Asien - wie China. Die EU debattiert seit vielen Jahren über das Thema. In der Praxis stehen einer Kapitalmarktunion aber weiter sehr unterschiedliche nationale Gesetze entgegen - unter anderem zu Insolvenzen, der Besteuerung von Kapitalgewinnen oder Börsengängen. Zudem fehlt bislang die Bereitschaft, eine schlagkräftige einheitliche Finanzaufsicht in der EU zu errichten, was die Aufgabe vieler nationaler Aufsichtskompetenzen erfordern würde.
Sie wolle als Torwächter fungieren, erklärte die ESMA. Kryptofirmen und andere Finanzunternehmen von außerhalb der EU sollen davon abgehalten werden, sich die für sie günstigste nationale Regulierungsbehörde herauszugreifen, um auf diesem Weg am leichtesten an Lizenzen zu gelangen und einen „EU-Pass“ für die Tätigkeit in der gesamten 27-Länder-Gemeinschaft zu erhalten. Für Zeiten großer Börsenturbulenzen forderte die Behörde zudem Befugnisse, Finanzvorschriften vorübergehend außer Kraft zu setzen, um eine einheitliche Aufsicht sicherzustellen.
Lagarde: ESMA-Befugnisse ausweiten
Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, sprach sich am Mittwoch in einer Videobotschaft anlässlich der Veröffentlichung des ESMA-Positionspapiers unter anderem für ein einheitliches Regelwerk zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Handels aus. Die Befugnisse der ESMA sollten ausgeweitet werden, damit diese künftig systemrelevante Finanzfirmen direkt beaufsichtigen könne. Auf diese Weise würden gleiche Bedingungen für alle in der EU gefördert, was die Finanzintegration unterstütze, führte sie aus. Zudem werde so verhindert, dass potenzielle Risiken unbemerkt blieben, wenn Kapitalmärkte wachsen und sich grenzüberschreitend entwickeln. Bundesfinanzminister Christian Lindner hatte am Dienstag gefordert, die künftige EU-Kommission müsse die Kapitalmarktunion an die oberste Spitze ihrer Prioritätenliste setzen. (reuters, lf)
Auch interessant
Kommentare
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
wir erweitern den Kommentarbereich um viele neue Funktionen. Während des Umbaus ist der Kommentarbereich leider vorübergehend geschlossen. Aber keine Sorge: In Kürze geht es wieder los – mit mehr Komfort und spannenden Diskussionen. Sie können sich aber jetzt schon auf unserer Seite mit unserem Login-Service USER.ID kostenlos registrieren, um demnächst die neue Kommentarfunktion zu nutzen.
Bis dahin bitten wir um etwas Geduld.
Danke für Ihr Verständnis!