Sorge um Geiseln in Gaza: Israel lehnt Gespräche vorerst ab – Angehörige sind „schockiert“
Noch immer hält die Hamas Geiseln im Gazastreifen gefangen. Weitere Freilassungen sind offenbar nicht in Sicht.
Frankfurt – Viel Anlass zur Hoffnung auf neue Signale der Entspannung im Israel-Krieg gibt es aktuell nicht. Nach einer Waffenruhe und der Freilassung von Geiseln läuft Israels Bodenoffensive. In Gaza ereignen sich heftige Kämpfe.
Inmitten der Kampfhandlungen befinden sich weiterhin Geiseln im Gazastreifen. Erst am Freitag (15. Dezember) war nach Angaben des israelischen Militärs die Leiche einer Geisel geborgen worden. Es soll sich um einen 28-jährigen Mann handeln. Die Verhandlungen über weitere Freilassungen scheinen indes ausgesetzt.
Israel-Krieg: Freilassung von Geiseln
Die Hamas tötete bei ihrem Angriff am 7. Oktober mehr als 1.200 Menschen in Israel und nahm mehr als 240 Menschen als Geiseln. Davon wurden 110 inzwischen wieder freigelassen. Einige von ihnen berichteten dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu über die Zustände während der Gefangenschaft im Gazastreifen.
Viele Menschen im Israel-Krieg weiterhin in Geiselhaft der Hamas – Plan zur Befreiung?
Netanjahu bekräftigte laut Angaben seines Büros in einem Treffen mit dem Nationalen Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan, dass Israel den Krieg gegen die Hamas „bis zum absoluten Sieg“ fortsetzen werde. Ähnliche Worte hatte der israelische Ministerpräsident bereits am Mittwochabend (13. Dezember) bei einem Besuch des Inlandsgeheimdienstes gewählt. Die Hamas beginne zu verstehen, dass Israel „bis zum Ende weitermachen und sie zerstören“ werde. Die Befreiung der verbliebenen Geiseln im Gazastreifen soll er dabei nicht erwähnt haben.
Zuvor hatte Netanjahu immer wieder Versprechen gemacht. So erklärte er Anfang Dezember auf einer Pressekonferenz, dass ein Bodeneinsatz der einzige Weg sei, die Hamas zu zerstören. Wie aus einem Bericht der Times of Israel hervorgeht, gab er gleichzeitig sein Wort, „alles Mögliche zu tun“, um die Geiseln zu befreien. Der Druck auf Netanjahu wächst jedoch. Seit Wochen schlägt ihm die Wut der Menschen entgegen, die weiterhin Angehörige als Geiseln im Gazastreifen wissen.
Flutung der Tunnel in Gaza: Geisel-Frage bleibt – Auch Biden äußert sich
Verunsicherung bei Angehörigen dürften außerdem Tests zur Flutung der unterirdischen Tunnel im Gazastreifen hervorrufen. Meerwasser sei in einige Tunnel gepumpt worden, um herauszufinden, ob sich die Methode zur großflächigen Zerstörung des Tunnelnetzwerks eigne. Wie die Times of Israel berichtete, „scheinen sie erfolgreich gewesen zu sein“. Die Tunnel erstrecken sich über viele Kilometer. Darin verstecken sich laut Israel etliche Terroristen. Doch auch Geiseln aus Israel könnten sich dort befinden.
Bei einer Pressekonferenz hatte sich dazu auch US-Präsident Joe Biden geäußert. „Es ist sehr schwierig, was die Flutung der Tunnel angeht: Es wird behauptet, dass es ganz sicher keine Geiseln in diesen Tunneln gibt. Aber das weiß ich nicht mit Sicherheit“, erklärte er, bevor er hinzufügte: „Was ich sicher weiß: Jeder Tod von Zivilisten ist eine absolute Tragödie.“
Hoffnung auf weitere Geisel-Freilassungen? Kriegskabinett lehnt Katar-Reise ab
Gespräche um weitere Freilassungen von Geiseln zu erreichen, gibt es offenbar zunächst nicht. Wie mehrere Medien übereinstimmend berichteten, soll Israels Kriegskabinett das Angebot von Geheimdienst-Chef David Barnea abgelehnt haben, zu weiteren Verhandlungen im Sinne der Geiseln nach Katar zu reisen.
Familienangehörige der Geiseln äußerten sich „schockiert“. Sie forderten die Regierung zur sofortigen Rückkehr zu Verhandlungen auf, wie das Forum „Abducted and Missing Families“ („Forum der Familien der Geiseln und vermissten Personen“) erklärte.
Meinungsverschiedenheiten über Geisel-Frage in Israels Regierung
Unter den Mitgliedern des Kriegskabinetts herrsche keine einheitliche Meinung in der Geisel-Frage, berichtete der Nachrichtensender Kanal 13. Demnach soll sich Benny Gantz, ehemaliger Verteidigungsminister, dafür ausgesprochen haben, den „Prozess neu zu starten“. Netanjahu und Joav Gallant, Verteidigungsminister, plädierten dem Bericht zufolge jedoch für eine Erhöhung des militärischen Drucks, bis die Hamas Bereitschaft für eine neue Vereinbarung signalisiere. Ein tatsächlicher Plan zur Befreiung der Gefangenen scheint nicht in Sicht.
Die Angehörigen erklärten, dass sie „am Ende ihrer Kräfte mit der Gleichgültigkeit und Stagnation“ seien. Sie nannten es tägliches „russisches Roulette, bei dem Familien über die Ermordung einer Geisel in Gefangenschaft informiert werden“. Anfang Dezember waren 40 Geiseln spurlos verschwunden. (mbr)