Eine neue Umfrage offenbart, wie die Deutschen zur Migration stehen. Die Mehrheit befürwortet die Willkommenskultur. Kretschmer fordert eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen.
Berlin – Die Zuwanderung löst bei den Menschen in Deutschland Besorgnis aus, zugleich scheint eine allgemeine Willkommenskultur aber weiter intakt zu sein. Das ist ein Ergebnis einer am Dienstag (5. März) in Gütersloh veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung. Demnach erwarten 78 Prozent der Befragten durch Zuwanderung Mehrkosten für den Sozialstaat. 74 Prozent befürchten Wohnungsnot in Ballungsräumen, und 71 Prozent sorgen sich um Probleme in den Schulen.
Deutsche nach wie vor für eine Willkommenskultur gegenüber Flüchtlingen
Zugleich sehen 73 Prozent der Teilnehmer jedoch eine Willkommenskultur bei der Bevölkerung in den Kommunen gegenüber Migranten, die zu Arbeits- oder Bildungszwecken nach Deutschland kommen. 53 Prozent nehmen diese Haltung laut Umfrage gegenüber Menschen wahr, die Flüchtlinge sind. Bei staatlichen Stellen der Kommunen sehen 78 Prozent eine Willkommenskultur gegenüber Migranten zu Arbeits- und Ausbildungszwecken, wie die Stiftung in Gütersloh weiter mitteilte. 67 Prozent der Befragten nehmen eine solche offene Grundeinstellung bei den Kommunen auch gegenüber Flüchtlingen wahr.
Die Sorgen vor möglichen wirtschaftlichen und sozialen Folgen verstärkter Migration erreichen damit ein ähnliches Niveau wie 2017 nach der großen Zuwanderungsbewegung von 2015 und 2016. Damals rechneten 79 Prozent laut einer Vorläuferbefragung der Stiftung mit Mehrkosten für den Sozialstaat. Die Sorge vor Wohnungsnot stieg seitdem sogar noch einmal deutlich an: 2017 befürchteten 65 Prozent, dass Zuwanderung dieses Problem verschärfen könnte.
Chancen und Vorteile: Mehrheit sieht Flüchtlinge auch positiv
Parallel zu dieser Entwicklung blieb die Wahrnehmung zur Willkommenskultur im Langfristvergleich allerdings weitgehend stabil. 2017 nahmen 70 Prozent eine offene Haltung bei der Bevölkerung vor Ort gegenüber Migrantinnen und Migranten wahr, die zu Arbeits- und Bildungszwecken nach Deutschland kommen. Der entsprechende Wert für Flüchtlinge lag in jenem Jahr bei 59 Prozent. Trotz Befürchtungen wegen möglicher Nachteile sieht aktuell außerdem eine Mehrheit der Befragten weiterhin Chancen und Vorteile durch Zuwanderung. 63 Prozent meinen, dass Migration wichtig für die Ansiedlung internationaler Firmen ist. 62 Prozent glauben, dass sie gegen die Überalterung hilft. 61 Prozent sind der Ansicht, Zuwanderung mache das Leben hier interessanter.
Ambivalente Haltung gegenüber Migration typisch: „Skepsis“ normal
Nach Angaben der Stiftung, die ihre Befragungen zur Willkommenskultur seit 2012 organisiert, ist eine ambivalente Haltung der Bevölkerung gegenüber Migration typisch. Es würden generell positive wie negative Auswirkungen erwartet. In Zeiten einen „sprunghaften Anstiegs von Fluchtzuwanderung“ wie 2015/16 oder eben in den Jahren 2022/23 „verlagert sich das Gewicht hin zu vermehrt skeptischen Einschätzungen“. Gleichzeitig werde aber größtenteils doch „eine offene Haltung“ bei der Bevölkerung und den Kommunen wahrgenommen.
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Migration ist auch für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung. Angesichts des demografischen Wandels gehen dem deutschen Arbeitsmarkt zukünftig die Fachkräfte aus. Ohne Migration wären Berufe im Bau, oder der Pflege bereits jetzt unterbesetzt. In Reinigungsberufen sind momentan ca. 60 Prozent der Arbeitskräfte mit ausländischen Wurzeln angestellt, wie die Tagesschau meldete.
Flüchtlinge in Deutschland: Kretschmer für Obergrenze aufgrund „großer Integrationsanstrengungen“
Vor dem für Mittwoch geplanten Gespräch zur Asylpolitik mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland gefordert. „50.000 oder 60.000 Flüchtlinge pro Jahr – mehr können das erst mal für die nächsten Jahre nicht sein, weil wir so eine große Integrationsanstrengung haben“, sagte der CDU-Politiker der Bild am Dienstag (5. März).
Diese Obergrenze ist Kretschmer zufolge bis 2030 nötig, weil Deutschland ausreichende Aufnahmekapazitäten fehlten. „Wenn Sie in die Kommunen schauen, wenn Sie sich anschauen, wie viele Integrationskurse gibt es und wie viele Deutschkurse, wie es in den Schulen aussieht – dann müssen wir diese Integrationsanstrengungen erst einmal leisten.“ Vergangenes Jahr noch hatte Kretschmer eine Obergrenze von 200.000 Flüchtlingen gefordert.
Kretschmer bereits seit Mai für Obergrenze – 3,2 Millionen Flüchtlinge in Deutschland
Bereits im Mai stoß der CDU-Politiker die Diskussion um eine Obergrenze beim Thema Asyl an. Laut Tagesschau forderte Kretschmer eine generelle Reform in der Asylpolitik und weitere Einschränkungen des Asylgrundrechts. Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser hingegen hatten eine Diskussion um die Obergrenze bereits im September vergangenen Jahres abgelehnt. Aus einer kleinen Anfrage der Linkspartei ging hervor, dass Stand Juli 2023 in Deutschland insgesamt ca. 3,2 Millionen Flüchtlinge leben.
Kretschmer forderte nun erneut konsequentere Abschiebungen. Jeder abgelehnte Asylbewerber, der nicht abgeschoben werde, sei „ein Versagen des Staates, ist eine Niederlage und nicht hinzunehmen, weil die Bevölkerung das auch nicht hinnimmt“. Der Ministerpräsident plädierte für mehr Abschiebeabkommen. Die Bundesregierung müsse außerdem Entwicklungshilfe an Länder einstellen, die abgelehnte Asylbewerber nicht zurücknehmen. (dpa/afp/SiSchr)