Putin-Berater legt Basis für neuen Russland-Coup in Ukraine-Verhandlungen – und darüber hinaus
Während Europa um ein Ende des Ukraine-Kriegs ringt, schafft Wladimir Putin Tatsachen. Russland bereitet jetzt wohl den nächsten Verhandlungs-Trick vor. Mit weitreichenden Folgen.
Moskau – Ein Ende des Ukraine-Kriegs rückt immer mehr in weite Ferne. Nach den gescheiterten Verhandlungen in Istanbul „schockierte“ Donald Trump die Spitzenpolitiker aus Europa nach einem Telefonat mit Wladimir Putin. Die USA scheinen sich mehr und mehr aus dem Krieg heraushalten zu wollen und nicht mehr zu einer Beilegung beitragen. Trump bezeichnete den Krieg als europäischen Konflikt. Unterdessen schafft Russland weiter Tatsachen.
Schon seit Wochen weisen Experten und auch Verteidigungsminister Boris Pistorius darauf hin, dass Putin aktuell vor allem eine Taktik verfolgt: Zeit schinden.
Ende des Ukraine-Kriegs? Putin-Berater enthüllt brisante neue Deutung – Russlands nächster Coup?
Der Kreml-Machthaber verzögert die Gespräche, wohl um sich militärisch in eine bessere Lage zu bringen. Nach Expertenmeinung glaub Putin daran, dass Russland bis Ende des Jahres weitere bedeutende Teile der Ukraine einnehmen könne. Ein Indiz: Gerade hat Russland angekündigt, eine „Pufferzone“ in der Ukraine schaffen zu wollen. Die Experten des Institute for the Study of War (ISW) dazu: „ISW geht weiterhin davon aus, dass Russland territoriale Ansprüche über die bereits illegal besetzten oder annektierten Oblaste hinaus verfolgt und dass Putin möglicherweise weitere Fortschritte in der Oblast Sumy nutzen will, um bei künftigen Friedensverhandlungen von der Ukraine die Abtretung eines Teils der Oblast Sumy an Russland zu fordern.“

Doch nicht nur militärisch schafft Putin aktuell Tatsachen. Russland bereitet offenbar auch einen ideologischen Schwenk vor, um seine nächsten Schritte zu rechtfertigen. Nach Einschätzung der ISW-Experten legen russische Regierungsvertreter bereits die Grundlage dafür, dass man westliche Regierungen aus Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Kriegs heraushalten könne. Der gedankliche Twist: Man leugnet schlicht die Souveränität anderer ehemaliger Sowjetstaaten.
Putin-Berater alarmiert Experten: Radikale Sichtwende könnte Ukraine-Verhandlungen beeinflussen
Den Grundstein legte nun Putin-Berater Anton Kobjakow. Er behauptete, dass das Gründungsorgan der Sowjetunion (der Kongress der Volksdeputierten) nicht an der Auflösung der Union beteiligt gewesen sei. Dadurch würde die Sowjetunion rechtlich weiter existieren. Weiter behauptete der Putin-Berater, dass die obersten Sowjets der Unionsrepubliken nicht die rechtlichen Befugnisse gehabt hätten, die „Belowescher Vereinbarungen“ vom Dezember 1991 zu ratifizieren. In dem Abkommen hatten Russland, die Ukraine und Weißrussland die Auflösung der Sowjetunion vereinbart. Die Folge: Der Ukraine-Krieg wäre dieser Logik folgend ein „interner Prozess“.
Hintergrund: Belowescher-Abkommen
Im Dezember 1991 ratifizierten Russland, die Ukraine und Weißrussland die Belowescher Abkommen. Sie sind ein bedeutender Schritt in Richtung der Auflösung der Sowjetunion, da man hier feststellte, dass die Sowjetunion „ihre Existenz beendet“ habe. Für Russland unterzeichnete Boris Jelzin, der 1990 vom Parlament der Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik zum Präsidenten der Russischen Republik gewählt worden war. Später bestätigten andere Sowjetstaaten, wie Armenien, Kasachstan, Moldau und Usbekistan den Inhalt der Vereinbarungen.
Das wäre eine radikale neue Lehre aus Moskau. Denn Russland erkannte die Ex-Sowjetstaaten zuvor an und unterhielt diplomatische Beziehungen. Zudem hatte man etwa eine Reihe von Verträgen mit der Ukraine geschlossen, die deren Legitimität ausdrücklich anerkennen.
Ukraine-Krieg als innerrussische Angelegenheit? Putin bereitet nächsten Verhandlungs-Coup vor
Nach Einschätzung der ISW-Experten bereitet Russland mit dieser Erzählung den nächsten Coup in Sachen Ukraine-Verhandlungen vor. Der Ukraine-Krieg soll demnach als „innerrussische Angelegenheit“ dargestellt werden, aus der sich ausländische Staaten heraushalten sollten - eben auch während Friedensverhandlungen. Doch falls das gelingt, wäre die neue Erzählung auch die Basis für weitere Schritte.
Denn die Aussage des Putin-Beraters bedeuten auch, dass Russland die Legitimität aller Ex-Sowjet-Staaten – eben nicht nur der Ukraine – leugnet und das Recht beansprucht, deren territoriale Integrität, wann immer man es möchte, zu verletzen. Das passt durchaus in Putins Weltbild: Der Kreml behauptet seit langem, dass Russland der legitime Nachfolger sowohl der Sowjetunion als auch des Russischen Reiches sei. Die ISW-Experten gehen zudem davon aus, „dass Russland die Wiederherstellung der Sowjetunion und des Russischen Reiches anstrebt“. (rjs)