Zoll-Deal hat Putins Wirtschaft im Visier – doch Kalkül droht zu scheitern

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Im Zoll-Deal mit Trump sagte die EU zu, riesige Energiemengen in den USA einzukaufen. Damit will man auch Putin schaden. Ob das klappt, ist ungewiss.

Brüssel/Washington, D. C. – Nach dem Zoll-Deal mit US-Präsident Donald Trump und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist die Katerstimmung groß: Zwar konnte man die von den USA angedrohten 30 Prozent Zölle abwenden. Aber auch die nun vereinbarten 15 Prozent US-Zölle auf alle EU-Importe werden die deutsche Wirtschaft hart treffen.

EU will Trump gigantische Mengen an fossilen Energien abkaufen – und Russlands Wirtschaft schaden

In einem Punkt des Deals hofft man allerdings auf eine Win-win-Situation: Die EU will den USA in den nächsten Jahren gigantische Mengen an fossilen Energien abkaufen. Damit will der Staatenbund auch die Abhängigkeit von russischem Öl und Gas verringern und der russischen Wirtschaft schaden, weil Wladimir Putin die Waffen im Ukraine-Krieg nicht ruhen lassen will.

EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen sagte Trump im Zoll-Deal zu, in den kommenden drei Jahren eine Summe von 750 Milliarden Euro für Energie aus den USA auszugeben. Von der Leyen sagte nach dem Deal: „Wir werden russisches Gas und Öl durch bedeutende Käufe von US-LNG, Öl und Nuklearbrennstoffen ersetzen. (…) Wir wollen russische fossile Brennstoffe absolut loswerden.“

Die Käufe würden Europa helfen, seine Bezugsquellen zu diversifizieren, zur Energiesicherheit beitragen und russisches Gas und Öl ersetzen, sagte die Kommissionspräsidentin weiter. Die EU hat sich zum Ziel gesetzt, bis 2028 keine Energie mehr aus russischen Quellen zu beziehen, als Strafmaßnahme wegen Putins Angriffs auf die Ukraine.

Energie-Deal mit USA sollen Russlands Wirtschaft treffen – doch EU könnte mit Putin-Kalkül scheitern

Allerdings: Beobachter sind skeptisch, ob der Zoll-Deal mit Trump, der die Energiekäufe umfasst, Russlands Wirtschaft wirklich treffen werden. „Solange ein Markt für billiges russisches Öl existiert, wird es für Ukraine-verbündete Länder sehr schwierig sein, Russland finanziell unter Druck zu setzen“, sagte der US-Sicherheitsexperte Septimus Knox zum US-Magazin Newsweek. Es blieben für Russland immer noch riesige Absatzmärkte in China, Indien und der Türkei. „Letztendlich wird Russland immer in der Lage sein, bedeutende Einnahmen aus seiner Energieproduktion zu erzielen“, glaubt der Fachmann.

Ursula von der Leyen und Donald Trump (r.) haben einen Zoll-Deal geschlossen, der Wladimir Putin (M.) treffen soll. Wird das gelingen? © Imago (Montage)

Es gibt aber auch hoffnungsvollere Stimmen: Leigh Hanson von der US-Beratungsfirma „Reed Smith“ für internationalen Handel, sagte zu Newsweek, das EU-US-Abkommen werde die Energieabhängigkeit von Russlands Gas in Europa weiter verringern, auch wenn die Details noch nicht klar seien. Der Anteil der Erdgas- und LNG-Lieferungen aus Russland lagen 2024 in der EU immerhin noch fast bei 17 Prozent.

Zoll-Deal mit Trump: Kann die EU ihr Energie-Versprechen halten und Russlands Wirtschaft treffen?

Ganz unabhängig davon, ob der Zoll-Deal Russland schaden wird, stellen sich Fragen nach der praktischen Umsetzung: 2024 importierte die EU laut Eurostat insgesamt fossile Brennstoffe im Wert von rund 375,9 Milliarden Euro. Nur 17 Prozent davon stammten aus den USA. Eine Erhöhung der US-Energie-Importe auf 250 Milliarden pro Jahr von 2026 an wäre ein exorbitanter Anstieg.

Selbst wenn die EU ihr Flüssiggas künftig zu 100 Prozent in den USA kaufen würde – bisher sind es 45 Prozent – würde sie die Trump versprochenen 250 Milliarden Euro bei weitem nicht erreichen, sagte Energieexperte Andreas Schröder vom Marktdatenanbieter ICIS zur FAZ. Es werde außerdem in den nächsten Jahren zu Überproduktion und Preisverfall für Flüssiggas auf dem Weltmarkt kommen. Die Folge, so Schröder: „Entweder zahlt Europa einen extrem hohen, nicht marktgerechten Preis für das amerikanische Flüssiggas, oder es nimmt viel mehr Mengen ab, als es verarbeiten kann.“

Flüssiggas aus den USA

Bei einem großen Teil der im Zolldeal zugesagten Energieimporte geht es um Flüssigerdgas (LNG), das per Schiff transportiert und dann an Europas Küsten regasifiziert und in die Netze eingespeist wird. Die USA liefern derzeit rund die Hälfte der EU-Importe, Russland liegt mit 20 Prozent Anteil auf Platz zwei. US-Gas wird mehrheitlich mittels der umstrittenen Fracking-Technologie gewonnen, die Kritiker für höchst umweltschädlich halten.

Keine Energie mehr von Putin? Hebel der EU sind bei Trump-Deal begrenzt

Dazu kommt, dass die EU den Energieunternehmen in ihren Mitgliedsstaaten eigentlich nicht vorschreiben kann, woher sie welche Energie bezieht, hieß es am Montag im Radiosender BR24. Wie der Energiedeal mit Trump deshalb überhaupt umgesetzt werden solle, sei fraglich. Bestehende Lieferverträge mit anderen Ländern könnten auch nicht nicht einfach so gekündigt werden.

Klimaschützer sehen zudem einen klaren Widerspruch der Kaufzusage für fossile US-Brennstoffe zu den Klimaschutzzielen der EU. „Die Kommission riskiert, eine katastrophale Abhängigkeit durch eine andere zu ersetzen“, warnte Greenpeace bereits im Mai. Statt russischem Gas würde die EU sich von den USA abhängig machen.

EU bleibt bei Trump-Deal vage - wurde USA zu viel versprochen?

Entsprechend vage ist bisher auch die Formulierung einer Erläuterung des Zolldeals der EU-Kommission vom Dienstag. Es heißt darin, die EU „beabsichtige“ die Abnahme von amerikanischem Öl, Flüssiggas und Nuklearprodukten zu einem „erwarteten Wert“ von 750 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren. Auch ein anderes Schlüsselelement aus dem Zoll-Deal kann die EU „nicht garantieren“, wie sich im Nachhinein herausstellte.

Details zum Zoll-Deal zwischen Trump und Ursula von der Leyen

  • US-Basiszoll von 15 Prozent auf die meisten EU-Importe
  • US-Zölle auf Stahl und Aluminium bleiben bei 50 Prozent
  • EU soll Energie im Wert von 750 Milliarden Dollar in den nächsten drei Jahren von den USA kaufen
  • 600 Milliarden Dollar an zusätzlichen EU-Investitionen in den USA
  • Kauf von US-Militärausrüstung durch die EU in unklarer Höhe

Putin kann sich nach Zolldeal zwischen Trump und EU erstmal zurücklehnen

Die EU wies außerdem darauf hin, dass der Zolldeal mit Trump von Sonntag noch nicht rechtlich bindend sein. Diese Woche soll offenbar ein Dokument unterzeichnet werden, das die Absichtsbekundungen konkreter macht.

Putin kann sich also erstmal zurücklehnen und abwarten, ob der Energiedeal der EU und der USA tatsächlich so umgesetzt wird – und ob er die russische Wirtschaft dann wirklich wirtschaftlich treffen wird. (smu mit Material von AFP)

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