Seit August führt Kramer das Amtsgericht, das nun auch für Abschiebungen in sechs Landkreisen verantwortlich ist.
Neulich brannte im Amtsgericht noch um 23 Uhr Licht. Die Anhörung zu einem Abschiebeverfahren dauerte so lange. „Kein normaler Tag hier“, versichert Aksel Kramer, und das werde er auch künftig nicht sein – trotz der Zusatzbelastung, die Erding seit September hat. Bereits seit August leitet Kramer das Amtsgericht. Der Nachfolger von Ingrid Kaps war zuvor Direktor des Amtsgerichts Dachau. Auch da habe er sich wohlgefühlt, sagt er. „Aber ja, die Berufung hierher sei schon eine Beförderung.“ Er leitet nun ein Haus mit 120 Mitarbeitern, von denen ihn schon einige vorher kannten.
Für Abschiebungen zuständig
Denn Kramer war bereits 2011 hier, „als einfacher Strafrechtler. Als ich damals wegging, hat dieses Gebäude gereicht. Jetzt ist das Gericht auf drei Häuser verteilt“, sagt er. Vieles habe sich verändert, eins aber nicht: „Die Leute sind immer noch genauso herzlich wie damals.“ Zwei Richterkollegen von damals seien noch da, und viele weitere Mitarbeiter.
Es sei ein angenehmes Wiederankommen gewesen – in ein Haus, das durch die neuen Zuständigkeiten noch mehr Arbeit hat. Erding ist nun auch für Abschiebungen in den Kreisen Dachau, Ebersberg, Freising, Fürstenfeldbruck, Landshut und Starnberg verantwortlich. Das müsse sich noch einspielen, räumt Kramer ein. Fälle wie den oben genannten dürfe es nicht geben. „Wir können nicht nach 18 Uhr noch da sein. Protokollanten, Wachtmeister – wir müssen schon das Arbeitsschutzgesetz auch beachten.“
Bekanntlich war die Arbeitsbelastung auch vorher schon enorm: Allein über 11 000 Fluggastklagen mussten 2023 bearbeitet werden – Beschwerden von Reisenden, deren Flüge verspätet oder ausgefallen waren. Entlastung erhofft sich Kramer von einem EU-Gesetz, das derzeit in Planung ist.
Pilotprojekt: KI bearbeitet Klage
Und da wäre noch die Künstliche Intelligenz, die die Richter künftig unterstützen soll. Erding arbeite an einem Pilotprojekt mit, erklärt Kramer. In Zukunft solle ein Tool aus der Klage die wichtigsten Informationen ziehen und einen Entscheidungsentwurf erstellen. „Es ist schon eine Erleichterung, aber der Richter muss trotzdem die Akte lesen und prüfen, ob das Programm die richtigen Gesetzesstellen gefunden hat oder zum Beispiel die IBAN mit dem Geldbetrag verwechselt hat.“
Eigentlich wäre er gern Lehrer geworden, erzählt der gebürtige Freisinger, aber in den frühen 1980ern habe man den Abiturienten davon abgeraten. Also Jura. 1992 wurde er Richter am Landgericht München I. Zwei Jahre später wechselte er zur Staatsanwaltschaft München I. Von 2001 bis 2010 war er für die Ausbildung der Referendare zuständig. Es folgte das Jahr in Erding, 2021 wurde er Direktor am Amtsgericht Dachau – und nun der Ruf zurück in die Semptstadt.
Trotz der Führungs- und Verwaltungsarbeiten sitzt der 62-Jährige auch weiter im Gerichtssaal. „Jeder, der ein Gericht leitet, hat auch noch seine Aufgaben als Richter, weil daran ja die richterliche Unabhängigkeit hängt“, erklärt Kramer. Etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit verbringe er mit Verfahren.
Apropos Zeit, respektive Freizeit. Die sei sehr knapp bemessen, deshalb sei es schwierig mit Hobbys. Doch auf zwei Leidenschaften will er nicht verzichten. Zum einen verfasst er regelmäßig Kommentare für die Grundbuchordnung. „Für andere mag das strohtrockene Rechtssprechung sein, ich finde es hoch spannend“, sagt er.
Unterricht von Referendaren
Und an zwölf Samstagen im Jahr unterrichtet er vor rund 50 Referendaren Zivilprozessrecht. „Beginn 9 Uhr, Ende 18 Uhr, Frontalunterricht – und nur einer redet: ich. Das ist anstrengend, für mich und für die jungen Leute“, sagt Kramer und lacht. „Aber es macht mir Spaß, und die meisten gehen zufrieden nach Hause.“
Wie ist eigentlich der Nachwuchs? „Nicht schlechter, aber auch nicht besser als früher“, meint Kramer. „In jeder Gruppe gibt es solche, die knapp durchkommen, und solche mit Notarnote. Wichtig ist, dass man sie dort abholt, wo sie stehen.“ Bleibt eine Frage: Wieso Aksel mit „ks“? „Meine Mutter hat Verwandte in Dänemark.“ Wenn nur die Rechtssprechung immer so einfach wäre.