Abkehr vom Acht-Stunden-Tag: Ist der Merz-Plan gefährlich?

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Effizienter und mehr arbeiten, das wünscht sich Kanzler Friedrich Merz für Deutschland. Seine Höchstarbeitszeit stößt allerdings auf heftige Kritik.

Berlin – Deutschland habe Produktivitätsproblem – deswegen läuft die Wirtschaft nicht. Bundeskanzler Friedrich Merz steuert mit einer Arbeitszeitreform dagegen. „Wir müssen in diesem Land wieder mehr und vor allem effizienter arbeiten“, mahnte er. Künftig soll unter seinem Kabinett der Acht-Stunden-Tag mit der wöchentlichen Arbeitshöchstdauer ersetzt werden. Doch Gewerkschaften und Gesundheitsexperten warnen: Arbeitnehmer setzten sich so einem höheren Risiko aus – mit Folgen auch für das deutsche Gesundheitssystem.

Merz gegen den Acht-Stunden-Tag: Gesundheitliches Risiko für Arbeitskräfte steigt

Ein hundertjähriges Konzept wird mir der neuen schwarz-roten Regierung über Bord geworfen. Der neue Merz-Plan sieht vor, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber den Acht-Stunden-Tag flexibilisieren und stattdessen je nach Arbeitsaufwand länger oder kürzer arbeiten. Die Wochenarbeitszeit von 40 Stunden wird nach diesem Konzept mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von unter 48 Stunden ersetzt. Auf fünf Arbeitstage aufgeteilt ergibt sich daraus ein Zehn-Studen-Tag. Entscheidend ist, wie viele Stunden durchschnittlich pro Tag gearbeitet wird, die vertraglich festgelegte Arbeitszeit muss dabei eingehalten werden.

Gesundheitsexperten zeigen sich derweil besorgt über den Vorstoß des CDU-Kanzlers. Lange Arbeitstage können den Körper belasten, weil sich dadurch gleichzeitig die Erholungsphasen verringern. Der Acht-Stunden-Tag basiert auf wissenschaftlichen Ereignissen des Gesundheitsschutzes. Forschungen haben bereits ergeben, dass lange tägliche Arbeitszeiten von zehn Stunden das Risiko für psychische Erkrankungen wie Burnouts, koronare Herzerkrankungen, Schlaganfälle oder Diabetes und sogar das Krebsrisiko erhöhen.

Kanzlerkandidat Freidrich Merz besucht der Uniklinik Koeln
Friedrich Merz möchte, dass in Deutschland wieder effizienter gearbeitet wird. Nach Ansicht von Experten könnte seine Reform zur Arbeitszeit jedoch nach hinten losgehen. © IMAGO

Je nach Branche und Berufsbild unterscheidet sich die Arbeitsbelastung natürlich auch. Arbeitskräfte in der Pflege, Gastronomie, Bau- sowie Land-, Forst-, Energie- und Abfallwirtschaft leiden am stärksten unter den Belastungen des Arbeitsalttages. Studienergebnisse der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zeigen jedoch auch für einen klassischen Bürojob mit Home-Office-Option ähnlich negative Effekte. So sollen Menschen mit klassischer Bürotätigkeit und Home-Office-Option mit langer täglicher Arbeitszeit zu größerer Erschöpfung und Konflikten zwischen Beruf und Privatleben führen. Außerdem haben Menschen Schwierigkeiten, nach der Arbeit abzuschalten, hieß es in einer aktuellen BAuA-Studie.

Experten warnen: Merz-Reform zur Arbeitszeit verfehlt Ziel

Nach der neuen Merz-Reform wären zudem auch Arbeitstage von über zwölf Stunden möglich, wie eine Studie des Hugo Sinzheimer Instituts für Arbeitsrecht (HSI) der Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Das Ziel, wirtschaftliche Impulse zu setzen, Interessen von Beschäftigten an Flexibilität zu begegnen und Arbeitsvolumen trotz demografischen Wandels zu erhalten, würde so verfehlt. Die Erhöhung der täglichen Arbeitszeit erhöhe vielmehr gesundheitliche Probleme in der Erwerbsbevölkerung und schwäche somit das Arbeitspotenzial. 

„Eine Arbeitszeitderegulierung, die Erkenntnisse von Arbeitsmedizin und Arbeitsforschung ausblendet und an der sozialen Realität vorbeigeht, dürfte wirtschaftlich sogar kontraproduktiv wirken.“, sagte Dr. Amélie Sutterer-Kipping vom HSI. „Denn sie würde gerade jene Entwicklungen bremsen, die in den vergangenen Jahren wesentlich zu Rekordwerten bei Erwerbstätigkeit und Arbeitsvolumen beigetragen haben und gleichzeitig Probleme bei Gesundheit und Demografie verschärfen“, warnte die HSI-Expertin. Das Gesundheitssystem stünde infolge des erhöhten gesundheitlichen Risikos darüber hinaus vor einer neuen Herausforderung.

Gewerkschaften schlagen Alarm wegen Abschaffung des Acht-Stunden-Tags: „Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!“

Auch aufseiten der Gewerkschaften rührt sich Kritik zur Aufweichung des Arbeitszeitgesetzes. Die verlängerten Arbeitszeiten würden zu mehr krankheitsbedingten Ausfällen führen und somit das Ziel der Reform verfehlen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg nennt den Merz-Vorstoß realitätsfern, da in Industriegebieten momentan eine Auftragsflaute herrscht und sich das Arbeitskontingent eher im Minus als im Plus befinde. 

„Überlange Arbeitszeiten machen krank und führen zu Personalausfällen. Das ist nicht nur sozial problematisch, sondern schadet auch der Wirtschaft in NRW. Deshalb sagen wir: Hände weg vom Arbeitszeitgesetz!“, so die Stellungnahme des DGB NRW. Das Arbeitszeitgesetz sei in seiner aktuellen Form flexibel genug. Statt einer Reform plädieren Gewerkschaften für eine höhere Tarifbindung.

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