Interne FDP-Chats enthüllt: Kubicki tritt gegen Abweichler nach – Lindner will die „Deutungsschlacht“

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In der FDP kracht es nach dem Chaos um die Migrations-Abstimmung vom Freitag. Interne Chats sollen jetzt auf die Tiefen der Gräben in der Fraktion hindeuten.

Berlin – Das Migrations-Gesetz ist am Freitag im Bundestag gescheitert. Auch wegen der FDP gab es keine Mehrheit für die umstrittenen Pläne von CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Nach einer beispiellos hitzigen Debatte lehnte die Mehrheit der Bundestags-Abgeordneten den Vorschlag für das sogenannte Zustrombegrenzungsgesetz ab. Dabei stand die FDP eigentlich als der wichtigste Verbündete der Union dar.

Schon am Mittwoch, als Merz seinen Antrag zur Migration mithilfe von AfD-Stimmen durchbrachte, stand die FDP um Parteichef Christian Lindner an der Seite der Union. Bei der chaotischen Sitzung am Freitag sorgten die Liberalen dann kurz vor Start der Aussprache mit einem Antrag, die Gesetzesabstimmung zu vertagen und einen Schulterschluss zwischen demokratischen Parteien herbeizuführen, für neuen Gesprächsstoff zwischen den Fraktionen. Schlussendlich jedoch ergebnislos. SPD und Grüne kamen mit der CDU und der FDP nicht auf einen Nenner, die Abstimmung wurde eingehalten.

Migrations-Knall im Bundestag: FDP-Größe Kubicki wütend über Abstimmungs-Abweichler

Eigentlich hatte FDP-Fraktionsvorsitzender Christian Dürr gesagt, wenn es keine Vertagung gäbe, wolle man dem Gesetz zustimmen. Etwas anders kam es dann doch. Bei der namentlichen Abstimmung wichen FDP-Politiker vom Vorhaben ihrer Fraktion ab und trugen damit dazu bei, dass Merz‘ Gesetz zur Migrationspolitik scheiterte. Insgesamt gab es 338 Ja- und 349 Nein-Stimmen. 67 Mal stimmte man in der FDP-Fraktion mit Ja, zweimal mit Nein. Fünf Enthaltungen gab es bei den Liberalen, 16 Stimmen wurden nicht abgegeben.

Christian Lindner und Wolfgang Kubicki waren nicht glücklich über die Querschüsse in der FDP bei der Migrations-Abstimmung. © dpa | Kay Nietfeld + Michael Kappeler

Offenbar gibt es wegen der Abweichung in den eigenen Reihen nun auch mächtig Stunk innerhalb der Partei. FDP-Vize Wolfgang Kubicki etwa hatte vor der Abstimmung am Freitag im Bundestag für seine Partei noch ein flammendes Plädoyer für das Gesetz gehalten. Quittiert wurde seine Rede mit stehenden Ovationen – sowohl von der Unionsfraktion, als auch von seiner eigenen Fraktion. Dass es dann doch Querschüsse gab, machte den Liberalen nachträglich ziemlich sauer. „Ich bin fassungslos über das Abstimmungsverhalten einiger meiner Fraktionskollegen“, sagte Kubicki nachträglich der Bild. Er sei sich sicher, dass die Abweichungen seiner Partei „im Wahlkampf nichts nutzen“ werden.

Interne FDP-Chats nach Migrations-Abstimmung enthüllt – „verlieren den gewaltigen Move“

Der Ärger weitete sich gar noch aus. Das legen zumindest interne Chats der FDP nahe, die der Stern-Journalist Julius Betschka auf X veröffentlichte. Die Echtheit der Nachrichten konnte zunächst nicht geprüft werden. „Die Authentizität der Nachricht wurde mir aus mehreren Quellen bestätigt“, schreibt Betschka aber zu seinen Bildern.

„Wir verlieren gerade den gewaltigen Move von heute Nachmittag. Sehr schade“, soll es demnach in einer Nachricht von Wolfgang Kubicki im Fraktionschat heißen. Und weiter: „Ich schlage vor, dass jetzt Marie-Agnes [Strack-Zimmermann, Anm. d. Red], Franziska Brandmann, Johannes Vogel und Konstantin Kuhle die Wahlkampfführung übernehmen. Ich räume schon mal mein Büro auf“.

Kubicki tritt mit Sarkasmus gegen Abstimmungs-Abweichler in der FDP nach

Besonders der letzte Satz dürfte jedenfalls mit ordentlich Sarkasmus untersetzt gewesen sein. Denn Europaabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann hatte auf X etwa zuvor angedeutet, den Vorschlag nach einer Vertagung der Abstimmung zu unterstützen. Franziska Brandmann, Vorsitzende der Jungen Liberalen, hatte ebenfalls bekundet, die FDP habe „alles dafür getan“, dass die Wende in der Migrationspolitik aus der demokratischen Mitte käme. Brisant sind in der Nachricht eher die Namen Vogel und Kuhle.

Denn sowohl Parteivize Vogel, als auch Fraktionsvize Kuhle gehörten am Freitag zu den Abweichlern in der FDP-Fraktion. Beiden werden Ambitionen in der Partei nachgesagt, etwa mit Blick auf eine mögliche Nachfolge auf Christian Lindner als Parteichef. Und beide sind in der politischen Grundausrichtung öfter auf einer Linie mit SPD und Grünen, als etwa Lindner. Besonders Kuhle gilt in der Partei als eine Art leichter Revolutionär. Ob nun Überzeugung oder Kalkül hinter ihren Abweichungen steckte, bleibt unklar. Klar ist jedenfalls, dass Kubicki wohl alles andere als begeistert vom Abstimmungsverhalten war.

Interne Chats aus der FDP sorgen für Wirbel nach Migrations-Abstimmung – Lindner spricht von „Deutungsschlacht“

Auf den sarkastischen Chat-Einwurf Kubickis soll laut Stern-Journalist Betschka dann sogar Lindner reagiert haben. In einer weiteren Nachricht des Parteichefs soll es demnach heißen, Kubicki und Dürr hätten am Freitag im Bundestag „herausragend für uns gearbeitet“. Er verstehe die Enttäuschung mancher in der Fraktion, Abgeordnete seien aber eben frei in ihren Entscheidungen. „Jetzt sollten wir uns in die Deutungsschlacht einschalten“, soll es weiter heißen – eine Rhetorik, die doch sehr an die umstrittene Pyramide zum Ampel-Aus im November 2024 erinnert. Dort war etwa von einer „offenen Feldschlacht“ die Rede. Gleichzeitig kündigt Lindner in der Nachricht demnach noch an, dass er in einem Interview nun eine Zusammenarbeit mit den Grünen ausschließen werde. Jenes Interview erschien dann auch am Samstag in der Frankfurter Allgemeinen.

Die Nachrichten zeigen jedenfalls: Die Gräben in der FDP sind auch intern durch die Abstimmung am Freitag wieder tiefer geworden. Positiv oder negativ hat sich das Manöver mit der vorgeschlagenen Vertagung der Abstimmung aber noch nicht hervorgetan. In einer aktuellen Umfrage zur Bundestagswahl ist die FDP noch immer unter der Fünf-Prozent-Hürde. (han)

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