Rodeo im Wasser: Ein Brüder-Trio aus Oberbayern sucht das Spektakel im Wildwasser

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Salti gehören beim Freestyle dazu: Simon Ramsayer zeigt, was er drauf hat. © Felix Ramsayer

Lukas, Felix und Simon Ramsayer aus Oberhausen frönen im Kajak der Disziplin Freestyle. Bei der jüngsten DM haben sie für den TSV Schongau Medaillen gewonnen.

Oberhausen – Das mit dem Apfel, der nicht weit vom Stamm fällt, ist im Falle der Gebrüder Ramsayer keine hohle Phrase, sondern Tatsache. Die Leidenschaft ihrer Eltern Beate und Benjamin Ramsayer für Wasser und Boote hat sich auf Lukas (14), Felix (12) und Simon (10) voll übertragen.

Die drei sind liebend gern im Wildwasser unterwegs und frönen dabei einer speziellen Disziplin: dem Freestyle. Dort haben sie jüngst bei der deutschen Meisterschaft, ausgetragen in Plattling, so richtig abgeräumt. In der U16-Klasse gewann Lukas Ramsayer Gold, in der U14 holte Simon Ramsayer ebenfalls den Titel und Felix Ramsayer die Silbermedaille.

Brüder-Trio aus Oberhausen erfolgreich im Kajak-Freestyle

Über den Erfolg freut sich nicht nur die im Oberhausener Ortsteil Berg lebende Familie, sondern auch die Kanuabteilung im TSV Schongau. Unter deren Flagge tritt das Trio bei Wettkämpfen an, nutzt auch die Trainingsmöglichkeiten, die der Klub bietet. Dass die Youngster gleich mit drei Medaillen von ihrer ersten DM-Teilnahme nach Hause kommen, „damit haben wir nicht gerechnet“, sagt Abteilungsleiter Karl Zwerger. „Wir vom Verein sind alle happy.“ Es sei auch „ein Zeichen, dass es bei uns mit der Jugend weitergeht“. In der Regel kommen so acht Jugendliche ins Training. Hauptsächlich sind die Schongauer auf Wildflüssen unterwegs, Zwerger fände es aber auch „schön, wenn weitere Mitglieder zum Wettkampfsport kommen“.

Erfolgreich auf dem Wasser: (v.l.) Lukas, Simon und Felix Ramsayer vom TSV Schongau, hier bei der Freestyle-DM in Plattling.
Erfolgreich auf dem Wasser: (v.l.) Lukas, Simon und Felix Ramsayer vom TSV Schongau, hier bei der Freestyle-DM in Plattling. © Beate Ramsayer

Lukas, Felix und Simon mögen beides – Freestyle-Wettbewerbe und auch das „normale“ Wildwasserfahren. Mit ihrem Vater sind sie dabei unterwegs. Stolz zeigt Lukas Ramsayer ein mit einer Helmkamera aufgenommenes Video von einer Befahrung der Loisacher Griesenschlucht bei einem Pegel von 140 Zentimetern. Das heißt, da rauscht es ordentlich in den Schlüsselstellen wie „Dom“ und „Treppenhaus“. „Je mehr Wasser auf der Loisach desto besser“, sagt der Youngster. Lukas fährt bereits bis zum Grad IV+, das gilt auf der sechsstufigen Skala als „sehr schwierig“. Der Söldenkatarakt der Ötztaler Ach ist so ein Beispiel; ihn befuhr Lukas Ramsayer auch schon.

Brüder bewältigen sehr schweres Wildwasser

Vor etwa drei Jahren haben die drei Brüder so richtig mit dem Wildwassersport angefangen. Auf dem Wasser waren sie schon seit frühester Kindheit. „Die Kinder konnten noch nicht laufen, da haben wir sie schon mit dem Kanu mitgenommen“, erzählt Beate Ramsayer mit einem Lächeln. Sie und ihr Mann sind beide an einem Fluss, der Brenz, aufgewachsen. Der Urgroßvater der Kinder baute schon Boote – und die Hochzeitsreise „war ein Kajakurlaub“, sagt die Oberhausenerin, die ebenfalls sehr schweres Wildwasser befuhr.

Infos zum Kanusport

Weitere Informationen: Informationen zur Wildwasser-Abteilung im TSV Schongau gibt es unter www.kanuabteilung-schongau.de. Infos zum Sport insgesamt sind unter www.kanu-bayern.de abrufbar.

Es ist also nicht verwunderlich, dass die Söhne den Weg zum Kajakfahren fanden. Das Hobby nimmt mittlerweile so viel Raum ein, dass die Brüder das Skifahren hintangestellt haben. In den vergangenen Jahren waren sie im Kreiscup erfolgreich unterwegs. Weiterhin alpin ist Schwester Anna Ramsayer (8) in Aktion – sie hat heuer die Kreiscup-Gesamtwertung bei den Mächen der „Kinder I“-Kategorie gewonnen.

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Freestyle hat sich in den 1980er Jahren aus dem Kanu-Wildwassersport heraus entwickelt – damals sprach man noch von „Kanu-Rodeo“. Auf einer stehenden Welle oder in einer Walze werden bestimmte Tricks und Moves gezeigt. Die Entwicklung der Disziplin hängt auch mit der Verbesserung des Materials (kürzere Boote, leichtere Paddel, Polyethylen/Thermoplast statt Glasfaserkunststoff) zusammen. Die erste Weltmeisterschaft fand 1991 statt, die Anerkennung als offizielle Kanu-Disziplin erfolgte aber erst 2006.

Scheinbar schwerelos: Das Foto zeigt Lukas Ramsayer an der „Isarwelle“ in Plattling.
Scheinbar schwerelos: Das Foto zeigt Lukas Ramsayer an der „Isarwelle“ in Plattling. © Privat

Das Freestyle haben die Ramsayer-Brüder eher zufällig entdeckt, zu Ostern 2023 bei einer Fahrt mit dem TSV Schongau an die Rhone nach Frankreich – Technik- und Fahrtraining war angesagt. In Saint Pierre de Bœf bei St. Étienne gibt es einen Kanu-Hotspot, unter anderem für Slalom. Und dort sahen sie eben auch Kanuten der Trainingsgruppe des Freestyle Referenten aus Baden-Württemberg, Klaus Biebl, die mit extrem kurzen Booten Drehungen und Salti vollführten. Lukas, Felix und Simon probierten das aus und waren begeistert. Zugleich bewiesen sie Talent, schnell wurde der Freestyle-Referent aus Bayern, Markus Hacker, auf sie aufmerksam. Hacker kam bereits zum Training nach Schongau, um dem Trio entsprechende Anleitungen zu geben.

Die Eltern waren schon seit jeher auf dem Wasser unterwegs

In einem Freestyle-Wettkampf hat ein Athlet in einem Run 45 Sekunden Zeit, seine Tricks zu zeigen, die von Juroren bewertet werden. Die Kunst ist nun, die Tricks, die Namen wie „Lunar Orbit“, „Tricky Woo“ und „McNasty“ tragen, sauber zu beherrschen, aber auch, sie „strategisch gut einzusetzen“ erklärt Felix Ramsayer. Misslingt ein Move, fällt er komplett aus der Wertung – und man hat wertvolle Zeit vergeudet.

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Bei der jüngsten DM in Plattling mit 90 Teilnehmern war eine Herausforderung, dass der Wasserstand niedrig war. Die dortige Walze ist dann kleiner und hält den Kanuten nicht mehr so gut, was es schwieriger macht, Tricks zu zeigen. Ein Beleg: Junioren-Weltmeister Tim Rees (Ulm) gewann die U18-Wertung klar, kam aber nur auf ein für ihn eher bescheidenes Punktergebnis. Die Ramsayer-Brüder hatten auch zu kämpfen, kamen aber so gut zurecht, dass sie Medaillen holten. Lukas Ramsayer landete in der U16 punktgleich mit Tim Beck (KC Mühlacker) auf Rang eins. Der Titel eröffnet ihm die Chance, bei der EM in Graz zu starten.

Spiel mit dem Wasser: Felix Ramsayer in Aktion.
Spiel mit dem Wasser: Felix Ramsayer in Aktion. © Jakob Sax

Dankbar ist die Familie für die Möglichkeit, dass die drei Burschen in Oberhausen am örtlichen Badeweiher trainieren können. Dort sind sie immer wieder zugange, um Tricks zu üben. Der Umweltaspekt ist den Kanuten sehr wohl bewusst, Befahrungsregeln sind mittlerweile an fast allen Flüssen gang und gäbe. Was den Badeweiher betrifft, „trainieren wir immer fern vom Ufer“, sagt Lukas Ramsayer.

Im Gegensatz zur Befahrung eines Wildflusses, wo zum Beispiel immer mit querliegenden Bäumen gerechnet werden muss, hält sich das Risiko beim Freestyle in Grenzen. „Das ist sicher“, betont Beate Ramsayer. Freilich muss man auf fließendem Gewässer immer das nötige Handwerkszeug („Kehrwasserfahren“, „Paddelstütze“) beherrschen.

(Die Heimatzeitungen im Landkreis Weilheim-Schongau sind unter „merkur_wm_sog“ auf Instagram vertreten.)

Im Winter nutzen die Ramsayers fleißig das Hallen-Training der Schongauer Kanu-Abteilung im Winter im „Plantsch“. Vom Verein seien sie sehr gut aufgenommen worden, die TSV-Sparte sei Neuankömmlingen gegenüber sehr aufgeschlossen. Das habe den Werdegang der drei positiv beeinflusst.

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