Alternative zu China: Olaf Scholz umwirbt drei schwierige Partner

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Weg von China – zumindest ein bisschen: Olaf Scholz im November 2022 bei Staatschef Xi Jinping in Peking. © Kay Nietfeld/Pool/AFP

Olaf Scholz empfängt die Regierungschefs von Malaysia, Thailand und den Philippinen. Die Länder sollen Deutschland helfen, seine China-Abhängigkeit zu reduzieren. Doch es gibt mehrere Haken.

Ganze 64 Seiten umfasst die China-Strategie, die sich Deutschland im vergangenen Sommer gegeben hat. In dem Dokument geht es um Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang, um Pekings Nähe zum Kreml, um die Lage in Hongkong. Der vielleicht wichtigste Punkt aber befindet sich auf Seite 37. „Die Bundesregierung“, heißt es dort, „arbeitet auf ein De-Risking der Wirtschaftsbeziehungen zu China hin.“

Gemeint ist: Deutschland soll sich unabhängiger machen von der Volksrepublik, seinem wichtigsten Handelspartner. Wie fatal eine Abhängigkeit von nur einem Land sein kann, hatte sich schließlich beim russischen Gas auf dramatische Weise gezeigt. Und könnte nicht auch China schon bald einen Angriffskrieg starten, der eine drastische Neubewertungen der Beziehungen zu dem Land nötig machen würde? Pekings Drohungen in Richtung Taiwan, das die Volksrepublik als Teil des eigenen Staatsgebiets betrachtet, werden jedenfalls immer aggressiver.

Wie schwierig eine Abkopplung von China jedoch werden dürfte, zeigt ein Blick auf die Zahlen. 2022 kletterte der deutsche China-Handel auf ein Allzeit-Hoch, importiert und exportiert wurden Waren im Gesamtwert von 299 Milliarden Euro. Ein Jahr später waren es zwar nur noch 253 Milliarden. Um von einer Trendumkehr zu sprechen, ist es aber noch zu früh. Ohnehin will Deutschland, zumindest derzeit, kein Aus der wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik, sondern lediglich „die Verringerung von Abhängigkeiten in kritischen Bereichen“. So steht es in der China-Strategie.

China-Alternative Südostasien„Der Blick hierher lohnt sich“

Eine Schlüsselrolle kommt dabei ausgerechnet den Nachbarländern der Volksrepublik zu. Deutsche Firmen, so der Plan, sollen weniger in China investieren und mehr in den Staaten Südostasiens. Ende 2022 warb Bundeskanzler Olaf Scholz deshalb in Vietnam und Singapur um mehr wirtschaftlichen Austausch mit dem kommunistischen Land und dem teils autoritär regierten Stadtstaat; diesen Januar lobte dann Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einem Staatsbesuch Vietnam und dessen Nachbarland Thailand als „Partner“, die mit Deutschland „gemeinsame Interessen“ teilten. „Der Blick hierher lohnt sich“, so Steinmeier. Über China sagt das hierzulande kaum noch jemand.

Auch wenn Scholz ab Montag den Ministerpräsidenten Malaysias, den Präsidenten der Philippinen sowie den Ministerpräsidenten Thailands in Berlin empfängt, wird die Volksrepublik der Elefant im Raum sein. „Die Treffen machen deutlich, dass es dem Bundeskanzler ein wichtiges Anliegen ist, die Beziehungen Deutschlands zu diversifizieren“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch. Das geschehe „auch mit Blick auf China“.

Freihandelsabkommen lassen auf sich warten

Allerdings ist da noch viel Luft nach oben. Mit den drei südostasiatischen Staaten, deren Vertreter Scholz nun an drei Tagen nacheinander in Berlin mit militärischen Ehren empfängt, handelte Deutschland 2023 Waren im Wert von lediglich 38 Milliarden Euro. Wichtigster Partner in der Region ist Malaysia. Vor allem Elektronikerzeugnisse, elektrotechnische Produkte sowie Mess- und Regeltechnik liefert das Land nach Deutschland; umgekehrt verkauft die Bundesrepublik elektronische Erzeugnisse sowie Maschinen und Straßenfahrzeuge an das asiatische Königreich.

Vor allem der Export gestaltet sich schwierig, nicht einmal zwei Prozent der deutschen Ausfuhren gehen an die zehn Länder des südostasiatischen Staatenbundes ASEAN. „Grund dafür ist unter anderem die scharfe Konkurrenzsituation mit China, das in allen ASEAN-Ländern der wichtigste Warenlieferant geworden ist – zumeist mit großem Abstand“, bilanziert die deutsche Außenwirtschaftsagentur Germany Trade & Invest. Die Bundesregierung setzt deshalb auf Freihandelsabkommen der EU mit Thailand, Malaysia, den Philippinen sowie mit dem rohstoffreichen Indonesien. Die lassen aber auf sich warten, die Verhandlungen sind kompliziert.

Menschenrechte sind nicht nur in China ein Problem

Die FDP-Politikerin Renata Alt mahnt zudem, bei all der De-Risking-Euphorie eines nicht zu vergessen: Auch die vermeintlichen China-Alternativen in Südostasien sind in puncto Menschenrechten keine Musterschüler. Alt, die dem Bundestagsausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe vorsitzt, nennt „Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit“ sowie „die noch immer verbreitete Diskriminierung von Frauen und Minderheiten wie der LGBTQ+ Gemeinschaft sowie religiösen und ethnischen Minderheiten“.

Neben Malaysia, das seit Jahren die Hamas unterstützt, und Thailand, wo vor ein paar Monaten eine neue, vom mächtigen Militär gestützte Regierung übernommen hat, sind vor allem die Philippinen ein problematischer Partner. Zwar orientiert sich der Inselstaat seit dem Amtsantritt von Präsident Ferdinand Marcos Jr. vor knapp zwei Jahren weg von China und hin zum Westen. Dass Marcos aber nicht bereit ist, zusammen mit dem Internationaler Strafgerichtshof den umstrittenen Drogenkrieg seines Vorgängers Rodrigo Duterte aufzuarbeiten, nennt Alt „eine Schande“. Gegenüber IPPEN.MEDIA spricht Alt von einem „Schlag ins Gesicht für die bis zu 30.000 Menschen, die Dutertes menschenrechtswidrigen Anti-Drogenkrieg zum Opfer fielen“. Weg von China, das heißt eben auch: hin zu anderen Staaten, die ebenfalls keine weiße Weste haben.

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