Zwischen G8 und G9: Ganz besondere Abiturienten

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Für das ersehnte Ziel, das Abiturzeugnis, nehmen einige Schüler aus dem Landkreis viel Mühe auf sich. © Karl-Josef Hildenbrand

Wegen der Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums fällt dieses Jahr das Abitur aus – eigentlich. Dabei gibt es eine ganze Reihe von Schülern aus dem Landkreis, die aus ganz unterschiedlichen Gründen auch dieses Jahr ihre allgemeine Hochschulreife auf einem Gymnasium machen wollen – und dafür viel auf sich nehmen.

Schongau – Bastian Jocher ist beim Gespräch gut gelaunt. „Ich werde auf jeden Fall zum Abitur zugelassen, das ist schonmal sicher“, sagt der 19-jährige Schongauer und lacht. Vor einigen Jahren war das nicht so sicher, denn Jocher ist – damals noch am Schongauer Welfen-Gymnasium – in der zehnten Klasse durchgefallen. Mit Folgen: Er hätte aus dem letzten G8-Jahrgang, also dem achtjährigen Gymnasium, ins G9 wechseln, also zwei Jahre länger zur Schule gehen müssen. Das wollte er nicht und ging deshalb nach Landsberg ans Ignaz-Kögler-Gymnasium. Dort gab es eine sogenannte Einführungsklasse, bei der Schüler mit mittlerer Reife von Mittel-, Real- und Wirtschaftsschule direkt aufs Gymnasium wechseln. Sie wiederholen ein Jahr, in dem sie bisher unbekannte Fächer und Stoff nachholen, und können so später die allgemeine Hochschulreife erwerben.

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Das Problem mit der Verkehrs-Verbindung

In dieser Klasse ist auch Jocher aufgenommen worden, und er hat den Schritt nicht bereut. „Wir sind rund 25 Schüler und eine tolle Klassengemeinschaft, nicht zuletzt die gemeinsame Klassenfahrt hat uns richtig zusammengeschweißt.“ Nur die Fahrerei sei mühsam: Morgens geht es noch, da fährt ein Bus direkt von Schongau aus nach Landsberg. „Aber nachmittags brauche ich eineinhalb Stunden heim und muss zweimal umsteigen“, sagt Jocher.

Wie ihm geht es derzeit einigen Schülern aus dem Landkreis, die noch versuchen, auf den letzten Drücker ein G8-Abitur zu machen. Der Freistaat hat nämlich ein Auffangnetz geschaffen, um Schüler, die vergangenes Jahr das Abitur nicht bestanden haben, eine weitere Chance zu geben und sie eben nicht ins G9 zurückfallen zu lassen, was wie bei Jocher zwei zusätzliche Jahre bedeutet hätte.

Überall Auffang-Gymnasien, nur nicht hier

Das Problem: Im gesamten Landkreis Weilheim-Schongau gibt es kein einziges Gymnasium mit Auffangnetz. Man habe Schulen mit Einführungsklassen ausgewählt und auf die Erreichbarkeit geachtet, schreibt das Kultusministerium auf Anfrage. „Daraus hat sich ergeben, dass es einzelne Landkreise ohne Auffanggymnasium gibt, aber eine angemessene Pendeldistanz besteht.“

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Das bedeutet: Schüler müssen wie Jocher nach Landsberg pendeln oder nach Murnau, Geretsried oder Tutzing – sie sind die nächsten Auffangnetz-Gymnasien. Im Murnauer Staffelsee-Gymnasium versucht eine Weilheimerin ihr Glück, in Landsberg ist Jocher der einzige aus dem Landkreis, am Gymnasium Geretsried ist es ebenfalls nur einer, während es am Gymnasium Tutzing gleich 14 sind. „Wir hatten noch nie einen so inhomogenen Abiturjahrgang“, sagt Schulleiter Andreas Thalmaier.

Durchfaller und Überflieger

Denn in seinem besonderen Abi-Jahrgang befinden sich nicht nur Wiederholer und Schüler aus der Einführungsklasse, sondern auch Überspringer, also blitzgescheite Schüler, die eine Jahrgangsstufe ausgelassen haben und ein 1,0-Abitur anstreben. Dazu kommen noch angehende Abiturienten etwa aus Waldorf- oder Montessori-Schulen und solche, die nach einem Auslandsaufenthalt nicht noch ein weiteres Jahr verlieren wollen – eine wirklich bunte Mischung. „Und von insgesamt 50 hat nur einer vorzeitig aufgegeben“, sagt Thalmaier.

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Weil es so wenige Schüler im Jahrgang sind, konnten auch nicht alle gewohnten Kurse angeboten werden. In Tutzing etwa fielen Latein und Chemie raus – wer das vorher als Hauptfach gewählt hatte, musste sich umstellen. Auch in Landsberg konnte man statt normalerweise acht nur zwei Seminare anbieten, sagt Schulleiterin Julia Garbe. „Bei so einem kleinen Jahrgang ist mehr nicht machbar“, sagt sie. Von anfangs 33 Schülern seien noch 29 übrig, auch sie hat eine bunte Mischung aus 18 Schülern aus der Einführungsklasse, drei Überspringern sowie Durchfallern oder Nicht-Zugelassenen aus dem Vorjahr.

Sie war schon mal seine Lehrerin

Dass Jocher dabei ist, hat für Garbe eine besondere Pointe. Denn sie war früher selbst Lehrerin in Schongau und hat ihn dort noch selbst unterrichtet. Jetzt drückt sie ihm die Daumen, dass er seinen beschwerlichen Weg erfolgreich zu Ende bringt. Gefeiert werden soll das besondere Abitur in allen Schulen übrigens auch: „Wir machen eine ganz normale Feier, und es gibt auch eine Abifahrt nach Kroatien“, sagt Jocher. Am 29. April geht es los. Und falls es wirklich schiefgehen sollte, gibt es laut Garbe im Herbst nochmal eine zusätzliche Abi-Möglichkeit für die diesjährigen Durchfaller: „Es heißt nicht umsonst Auffangnetz. Wir geben keinen auf.“

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