„Seltene Erden als Waffe“: Wie China mit seiner Dominanz den Westen in die Knie zwingt

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Ohne seltene Erden geht in der Hightech-Industrie nichts. China kontrolliert das Geschäft mit den Rohstoffen – und lässt den Westen seine Abhängigkeit spüren.

Selten sind seltene Erden zwar nicht – und dennoch dominiert ein Land fast das gesamte Geschäft mit den begehrten Rohstoffen: Ein Drittel der weltweiten Vorräte befinden sich in China, zudem werden rund 90 Prozent in der Volksrepublik verarbeitet. Im Handelskonflikt mit den USA setzt die chinesische Regierung diese Dominanz gezielt ein, um US-Unternehmen empfindlich zu treffen. Denn seltene Erden sind für die Produktion moderner Technologien wie Elektromotoren unverzichtbar. Was das auch für die deutsche Wirtschaft bedeutet, erklärt Experte Craig Hart von der Johns Hopkins University im Interview.

Deutschland importiert etwa zwei Drittel seiner seltenen Erden aus China. Wie verwundbar macht uns das?

Deutschland hat sich, wie viele andere Länder auch, in eine starke Abhängigkeit von China begeben. Das macht anfällig für politischen Druck und gefährdet die Industrie dieser Länder, vor allem im Bereich der fortschrittlichen Fertigung und bei Zukunftstechnologien. China hat gezeigt, dass es in der Lage und bereit ist, seltene Erden als Druckmittel in Streitigkeiten einzusetzen. Und selbst wenn kein aktiver Streit besteht, kann Chinas Verhalten Länder davon abhalten, die Volksrepublik in einer Vielzahl von Wirtschafts-, Umwelt- und Menschenrechtsfragen zur Verantwortung zu ziehen.

Welche Möglichkeiten hat China, Druck auszuüben?

Bis zu 90 Prozent bestimmter seltener Erden und anderer wichtiger Mineralien werden ausschließlich in China verarbeitet. Das gibt China die Möglichkeit, die Ausfuhr von seltenen Erden zu beschränken. China hat zudem die Möglichkeit, Druck auf diejenigen Länder auszuüben, aus denen es seine seltenen Erden bezieht. Dort ist China oft der einzige Abnehmer und Verarbeiter von seltenen Erden und immer auch der größte Handelspartner. Das verschafft der chinesischen Regierung dort natürlich erheblichen Einfluss. Darüber hinaus kann China die Preise für seltene Erden und kritische Mineralien manipulieren. Und das hat es nachweislich bereits dazu genutzt, die westliche Konkurrenz auszuschalten, um seine beherrschende Stellung zu behaupten.

Seltene Erden: „Schon jetzt könnte China die Produktion seiner Konkurrenten erheblich stören“

Zur Person

Craig Hart ist Dozent an der Johns Hopkins University in Washington, D.C., und Autor des Studie „Mapping China‘s strategy for rare earths dominance“, die kürzlich von der US-Denkfabrik Atlantic Council veröffentlicht wurde.

Craig Hart
Craig Hart © Johns Hopkins University

Könnte China uns über Nacht von der Versorgung mit seltenen Erden abschneiden?

China ist zunehmend bereit, seltene Erden als Waffe in Handelskonflikten einzusetzen. Japan zum Beispiel bekam dies bereits 2010 zu spüren, als China die Exporte in das Land für zwei Monate aussetzte. Das heißt aber nicht, dass China in der Lage wäre, Deutschland, die USA oder ein anderes Land von heute auf morgen komplett abzuschneiden. Die Regierung in Peking hat keine vollständige Kontrolle über die Lieferketten, da es auch illegalen Abbau von seltenen Erden gibt, die dann in den internationalen Handel gelangen. China unternimmt deshalb Anstrengungen, um den illegalen Handel einzuschränken. Wahrscheinlich mit dem Ziel, die Lieferketten besser zu kontrollieren, um Ausfuhrbeschränkungen als Druckinstrument einsetzen zu können. Schon jetzt könnte China die Produktion seiner Konkurrenten erheblich stören.

Welche Folgen hätte das?

Wenn die Lieferketten ins Stocken geraten, hat dies massive Auswirkungen auf die Wirtschaft der betroffenen Länder. Die Automobilhersteller wären beispielsweise besonders stark betroffen, da seltene Erden für die Herstellung von Elektromotoren unerlässlich sind. Seltene Erden werden auch für die Herstellung von Windturbinen benötigt. Und, was besonders besorgniserregend ist: Die Rüstungsindustrien des Westens sind von einer breiten Palette von Mineralien abhängig, die in China abgebaut oder verarbeitet werden. Wir haben uns durch unsere Abhängigkeit von China extrem verwundbar gemacht.

Abbau seltener Erden in China (Archivbild)
Abbau seltener Erden in China (Archivbild): Craig Hart sieht die „Bereitschaft, Umweltverschmutzungen in Kauf zu nehmen“ © Ed Jones/AFP

„Eine weltweite Vormachtstellung bei seltenen Erden ist Ziel der chinesischen Regierung“

China hat seine Vormachtstellung bei den seltenen Erden über Jahrzehnte hinweg aufgebaut. Geschah das auch mit dem Ziel, ein Druckmittel in der Hand zu haben?

Chinas beherrschende Stellung ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass das Land schon früh den Wert seiner Ressourcen und die Bedeutung der seltenen Erden für Zukunftstechnologien erkannt hat. Das war Teil eines größeren Programms, das zum Ziel hatte, technologisch unabhängiger zu werden. Heute ist eine weltweite Vormachtstellung das Ziel der chinesischen Regierung. Chinas Regierung war damit sehr erfolgreich, wahrscheinlich erfolgreicher, als sie es sich jemals vorstellen konnte. Allerdings zu einem hohen Preis für die Bevölkerung.

Und zwar?

China subventioniert die staatliche Industrie stark, auch den Bergbausektor. Dazu gehören neben direkten Subventionen ein schwacher Arbeitsschutz und die Bereitschaft, Umweltverschmutzungen durch den Abbau, die Verarbeitung und die Nutzung von seltenen Erden und kritischen Mineralien in Kauf zu nehmen. So wurden beispielsweise in einer kürzlich durchgeführten chinesischen Studie erhöhte Lithiumwerte im Trinkwasser von Peking festgestellt, die möglicherweise auf die Verarbeitung von Lithium oder die Entsorgung von Elektroauto-Batterien auf Mülldeponien zurückzuführen sind. China hat schon früh verstanden, dass die Kontrolle der Produktion von seltenen Erden geopolitische Vorteile bietet. Und das ist der Regierung in Peking mit ziemlicher Sicherheit wichtiger als das Wohlergehen seiner Bevölkerung.

Was kann der Westen jetzt tun?

Die westlichen Länder müssen ihre Kräfte bündeln und gemeinsam Lieferketten aufbauen, die von China unabhängig sind. Diversifizierung ist der Schlüssel. Das erfordert langfristige Produktionsverträge mit Ländern, in denen seltene Erden abgebaut werden können, und Abnahmeverträge. Eine Bündelung der Anstrengungen kann sowohl das westliche Engagement stärken als auch die Kosten für die Partnerländer senken.

Chinas Staatschef Xi Jinping
Chinas Staatschef Xi Jinping ist sich der Dominanz seines Landes bei seltenen Erden bewusst – und nutzt sie als Druckmittel. © Alexander Zemlianichenko/AFP

„China hat Jahrzehnte gebraucht, um seine Dominanz bei den seltenen Erden zu erreichen“

Demokratische Länder? Sonst besteht ja die Gefahr, wieder von einer Autokratie abhängig zu werden.

Nicht jedes Land, das über seltene Erden verfügt, erfüllt die Standards der EU oder der USA, wenn es um Demokratie und Menschenrechte geht. Das Problem ist, dass wir derzeit von einem einzigen Land abhängig sind, das nicht demokratisch ist und nach internationalen Standards eine schlechte Menschenrechtsbilanz aufweist. Die Dominanz Chinas bei den seltenen Erden schützt das Land davor, in diesen Fragen zur Verantwortung gezogen zu werden. Wenn wir seltene Erden hingegen aus einem Dutzend Ländern statt nur aus China beziehen, würde das unsere Abhängigkeit und Chinas Fähigkeit, internationale Normen zu missachten, verringern.

Wie lange wird es dauern, bis wir unsere Abhängigkeit von China überwunden haben?

Das wird stark von unseren eigenen Anstrengungen abhängen. China hat mehr als vier Jahrzehnte gebraucht, um seine heutige Dominanz bei den seltenen Erden zu erreichen. Die westlichen Länder sind sich der Situation bewusst und haben in den letzten zehn Jahren eigene Anstrengungen unternommen, aber die Wiedererlangung einer unabhängigen Lieferkette wird nicht über Nacht geschehen.

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