Professorin verrät, was passierte, als sie Kritik an der Genz Z wagte
- Im Video oben: Personaler warnt: Wandel zum Arbeitgebermarkt kann für Gen Z gefährlich werden
Kritik ist nicht angenehm und Kritik sollte auch nicht angenehm sein. Denke ich, aber ich bin keine Fachfrau zu den Fragen der psychologischen und soziologischen Funktion von Kritik für das menschliche Miteinander.
Ich bin Juristin und seit 62 Semestern in der Lehre, seit 27 Jahren Professorin und ich liebe meine Arbeit. Aber ich habe es gewagt zu kritisieren und seitdem lerne ich immer mehr über Kritik, als mir lieb ist.
In meinem Buch "Akadämlich" kritisiere ich Studenten, die nicht mehr ausreichend leistungsbereit sind und denen bereits die Grundvoraussetzungen zur Erlangung einer akademischen Bildung fehlen.
Ich beschreibe, wie wir Lehrenden mit lese- und lernunwilligen Menschen arbeiten müssen, die für jede gescheiterte Prüfung, für jede Verlängerung des Studiums und für alle strategischen und organisatorischen Fehlentscheidungen im Studium, immer Gründe bei anderen finden.
Zustimmung und Kritik aus allen Teilen der Republik
Seit dem Erscheinen meines Buches erhalte ich aus allen Teilen der Republik, aus allen Fakultäten, verschiedensten Disziplinen und aus allen Bildungsberufen Zustimmung. Aber auch Handwerker und Unternehmer erzählen mir von ihrem Alltag und den Problemen, die sich bei der GenZ zeigen, wenn diese dann in der realen Welt, also da, wo sie immer behaupten, bestehen zu können, kläglich scheitern.
Was alle diese Kritiken gemeinsam haben? Sie sind mit Klarnamen, angemessen verfasst und auch bei anderer Ansicht beinahe immer in einer höflichen Wortwahl. Ich schreibe immer zurück, bedanke mich, argumentiere und freue mich über die Debatte.
Und dann habe ich die Reaktionen der Studierenden oder derer, die die Stimme für diese leidgeprüfte und belastete Gruppe erheben. Hier einige Kostproben:
- "Nur weil Sie sich dem Leistungsprinzip bedingungslos unterworfen haben und dabei offenbar einen Schaden davon getragen haben …"
- "Sowas kommt meist nur von Dozenten, die denken, sie könnten lehren, was leider nicht der Fall ist."
- "Sie sind ein autoritärer Sozialcharakter und haben Sie sich mal damit befasst, wie Antisemitismus auf der psychologischen Ebene entsteht?"
Leistungsprinzip im Studium umstritten
Mein Instagram-Account sprudelt über von, einerseits auch vielen positiven Beiträgen, aber eben auch von vielen Vorwürfen und Angriffen, die meine Beobachtungen ablehnen. Anonym, im Ton unangemessen und aggressiv und stets mit der Forderung, dass es ein Leistungsprinzip im Studium nicht geben sollte und nicht geben darf, da es immer Gründe gäbe, warum studiert wird, wie gerade studiert wird.
Finanzielle Belastungen, psychologischer Druck, familiäre Verpflichtungen und immer noch und immer wieder Corona. Der junge Mensch an der Hochschule ist praktisch eine Konzentration von Ängsten und Zweifeln und in einem stetigen Überlebenskampf.
Selbst wenn ich argumentiere, dass gerade bei den Studenten mit doppelter Belastung und finanziellen Existenzsorgen oft die besten Leistungen erzielt werden, wird mir einfach unterstellt, dass ich lüge oder keine Ahnung habe.
Eine Frage der Einstellung?
Es gibt ein Argumentationsmuster und eine Kulturkritik, die unsere aktuelle Studentengeneration prägt. Alles, was ein Studium verlängern könnte und ich betone hierbei den Konjunktiv, ist ein Argument und hilft ungemein dabei, nicht den Blick auf sich selbst zu lenken.
Die Studenten müssen arbeiten, die Studenten müssen viel zu viel lernen, die Studenten leider unter nicht reformierten Studiengängen und die Studenten müssen neben dem Studium doch auch leben. Mein Vorwurf der Ausnutzung öffentlicher Mittel durch zu lange Studienzeiten wäre pauschal und berücksichtige in keiner Weise die vielen, vielen individuellen Situationen.
Ich gehe auf die Logik dieser Argumentation nur kurz ein. Wenn also besondere Situationen für schlechtere Studenten und lange Studienzeiten sorgen, dann frage ich mich natürlich, warum es auch unter den alleinerziehenden Studentinnen mit Kind, unter den Studenten der "First Generation", unter denen, die sich den Lebensunterhalt zum Studium verdienen müssen, warum es also unter all diesen Studenten sehr gute, gute, durchschnittliche und eben leider auch sehr schlechte Studienergebnisse gibt? Vielleicht deshalb, weil auch mit diesen Belastungen ein zielgerichtetes, konzentriertes, fleißiges und effizientes Studium möglich ist?
An der Uni körperliche Anwesenheit zeigen, ist kein Lernen
Ein zweites noch inhaltliches Argument, das mir entgegengehalten wird, ist, dass der Tag eben auch nur 24 Stunden hat und leider einiges eben nicht erledigt wird, weil man es nicht schafft. Man sei als Student doch schon den ganzen Tag mit dem Studium beschäftigt. Dann wird gerne verwiesen auf ganze Tage in der Bibliothek und in Vorlesungen.
Beschäftigt sein und studieren sind nicht dasselbe. An der Uni körperliche Anwesenheit zeigen und zwischen mehreren Kaffeerunden in der Bibliothek E-Mails und Insta checken ist kein Lernen. Wie viele Stunden des Tages verwendet ein Student tatsächlich für Studium?
Diese Art der inhaltlichen Kritik will ich. Dieser kann ich begegnen, mit solchen Argumenten setze ich mich gerne auseinander. Ein Debattenbuch soll eine Debatte auslösen. Die herrschende Kritikkultur hingegen setzt mich immer wieder in Erstaunen.

Die Kultur der persönlichen Angriffe
Weil jemand anderer Ansicht ist als man selber, ist derjenige ahnungslos, dumm und im schlimmsten Fall menschenverachtend. Demjenigen wünscht man Pest und Cholera an den Hals und erklärt Leben und Stellung desjenigen für null und nichtig.
Als ich in einem Video über eine Studentin berichtet habe, die wegen des Todes ihres Haustieres eine Prüfung um mehrere Monate in das nächste Semester verschieben wollte und was ich abgelehnt habe, wünschten mir mehrere Beiträge, dass ich auch mal einen nächsten Angehörigen verlieren solle, damit ich verstehen würde, was Trauer ist.
Was haben wir unseren Kindern nur beigebracht? Vernichte deinen Feind verbal, zeig ihm, wie wenig er wert ist und wie richtig und deshalb wichtig deine Sicht der Dinge ist?
Ich beklage mich nicht in meiner Person. Wer eine Debatte auslöst, muss die Debatte aushalten. Ich habe Angst um dieses von mir geliebte Land, wenn wir nicht mehr respektvoll und angemessen, mit der Einhaltung von altmodischen und doch so liebevollen Umgangsformen miteinander sprechen.
Und wenn ich die Zukunft dieses Landes in den Händen von Menschen weiß, die für sich immer die Ausnahme und die Individualität in Anspruch nehmen und für die eine Solidarität mit der Gesellschaft nur darin besteht, Lebensumstände anderer immer als Argument für eigenes Versagen zu nutzen.